Autorin
Sabine Ibing
Else Laudan, Verlegerin, 1963 in Berlin geboren, betreut die Reihe
der “Ariadne Kriminalromane” im Argument Verlag, Hamburg,
seit 1988.
Mit viel Begeisterung übernahm Else Laudan mit 25 Jahren von
ihrer Mutter Frigga Haug die Krimireihe, die ein Jahr vorher
gegründet war. Sie hatte ein Soziologie-Studium und eine
abgebrochene Ausbildung zur Maschinenschlosserin hinter sich.
Mit P.M. Carlson, K.V. Forrest und Val McDermid ermittelten
Detektivinnen, lesbische Kommissarinnen entgegen der
männlichen Dominanz. Sie deckten Verbrechen an Frauen auf
und beschrieben neue weibliche Lebensformen.
E. L.: „Meine eigenen Lesevorlieben, mein von Soziologiestudium
und Lebenserfahrung geschulter Verstand und mein Gefühl
beim Betrachten der Welt sagen mir, dass Aufklärung nötig und
das Verbreiten guter politischer Krimis wichtig ist. Natürlich
müssen sie auch gut geschrieben sein, sonst nützt es alles
nichts.“
S.I.: Mit dem Ariadne Frauen-Krimi-Kulturprojekt hast du seit
langem Erfolg. Immer noch produziert Ariadne niveauvolle Krimis
aus Frauenfeder, abgedreht, humorvoll, knallhart, immer
politisch, manchmal intellektuell, manche tiefschwarz. Gegründet
wurde der Verlag zu Zeiten, als Krimis nicht zur Literatur zählten,
schon gar nicht die von Frauen. Der weibliche Blick im
Kriminalroman, wie du es gerne nennst, sei eine Stärke und keine
Schwäche. Was meinst du damit?
E. L.: Diese Aussage wehrt sich gegen zwei verbreitete
Vorurteile: Erstens, dass das Erzählgeschlecht doch egal sei,
dass im herkömmlich-männlichen Blick die ganze Welt vorkommt
und keine Leerstellen bleiben. Wie könnte das sein? Solange es
ein soziales Gefälle gibt, ist der erzählerische Blick davon
befangen. Grundsätzlich leben vom Status Quo Begünstigte in
einer anderen Welt als nicht Begünstigte, sie erleben
verschiedene Realitäten, erzählen dieselbe Geschichte
unterschiedlich. Selbst in unserer „aufgeklärten“
Wohlstandsgesellschaft werden Frauen in Lohnarbeit schlechter
bezahlt, wo immer etwas zu entscheiden ist, trifft man auf ein
Männerübergewicht, nach wie vor gilt „Machen“ als männlich,
„Sorgen“ als weiblich. Mit dem Blickwinkel der Frauen kommen
also nicht nur Machtunterschiede, sondern auch Milieus und
Themen ins Bild, die sonst ausgeblendet bleiben. Das ergibt
komplexere Alltagsbezüge, sorgt für lebensnahe Brisanz. MISS
TERRY von Liza Cody ist z.B. ein Buch, das eine untypische,
unterlaufende Erzählperspektive bietet, sehr bereichernd.
Das zweite Vorurteil lautet, dass sogenannte
Frauenthemen/Frauenbücher irgendwie etwas Läppisches seien,
weniger relevant. Der Mainstream sieht Frauenliteratur ja immer
noch gern in der Romantik-Nische wie einst die Groschenromane
fürs Dienstmädchen. Frauen haben in den letzten drei Dekaden
das Krimigenre erobert, aber da, wo „relevante“ Literatur
definiert wird, sind sie total unterrepräsentiert. Genau wie die
Milieus und Themen, die traditionell nicht Felder männlichen
Heldentums sind: Jenseits von heroischen Ermittlern, Aktivisten,
Spionen, Enthüllungsjournalisten in Kriegsgebieten und
dergleichen gibt es Alltag, der mit seinen Verstrickungen
gemeistert werden muss, damit ein Morgen überhaupt möglich
ist. Es gibt Kranke, Versehrte, Alte und Kinder, für die gesorgt
und vorausgedacht werden muss. Aber das sind als langweilig
geltende Themen, die übrigens in der Gesellschaft genauso zu
kurz kommen wie in der Kultur (siehe Pflegenotstand). Fraglos
existenziell, aber ohne den Glamour des kulturell „Wichtigen“. Ich
finde das borniert und dürftig, ich will die ganze Welt in guten
Krimis vorfinden, nicht bloß den tradierten Jungskram. Den lese
ich, sofern er toll geschrieben ist, dann zwischendurch auch
gern. Aber bitte nicht nur.
S.I.: Milieubeschreibungen, Reales, Plots, die die Gesellschaft
beleuchten, Sozialstrukturen offenlegen, kritisch betrachten,
das ist dein Anliegen.
E. L.: Ja, das ist für mich die Aufgabe von und der Vorteil bei
guter Kriminal- und Noir-Literatur. Ich behaupte zudem: "Über die
realen Machenschaften der Mächtigen aus Wirtschaft und Politik,
über ihre Gier und deren Auswirkungen auf menschliches Leben
erfährt man heute aus guten Kriminal- und
Verbrechensromanen mehr Wahres, mehr Hintergrund und
mehr Konkretes als aus den offiziellen Medien" (Essay in der
Polar Gazette, Link: http://www.polar-gazette.de/?p=1532).
Letztlich kommt es natürlich darauf an, wie etwas geschrieben ist
und was die Schreibweise mit mir macht. Ich will mich weder
belehren lassen noch wollüstig gruseln, sondern ich will
mitreißende, realistische, starke Romane über echte
Lebenswelten, relevantes Zeitgeschehen.
S.I.: Du hast dich für Krimis von Frauen eingesetzt, als diese in
Deutschland nicht zur Literatur gehörten. Doch als sich Krimis
etablierten machten große Publikumsverlage deinen Autorinnen
gute Angebote und dein kleiner Verlag ging zugrunde. Wie fühlt
man sich, wenn Autoren wegrennen, die man aufgebaut hat und
diese immer unterstützte. Dir war der finanzielle Erfolg immer
Nebensache. Deinen Autorinnen anscheinend nicht.
E. L.: Das stimmt so nicht ganz. Eigentlich hat uns keine Autorin
schnöde verlassen, obwohl es harte Zeiten gab. Aber das führt
hier zu weit, man kann es ausführlicher in einem öffentlichen
Vortrag nachlesen, wo ich berichte, wie sich die Ariadne-Reihe
entwickelte und was dann geschah: http://www.krimis-
machen.eu/wp-content/uploads/2013/09/13-08-26-Laudan_Krimi-
ist-politisch_Vortrag.pdf
S.I.: Du hast neu angefangen mit deutschen Autorinnen, eine
Menge Talente aufgebaut: Monika Geier, Christine Lehmann,
Dagmar Scharsich, Anne Goldmann, Merle Kröger und die
Südafrikanerin Charlotte Otter, sowie die französische Königin
des Noir, Dominique Manotti. Es braucht ein gutes Auge und
einen langen Atem, bis sich ein Autor etabliert. Woher nahmst du
den Mut neu anzufangen?
E. L.: Ich bin Überzeugungstäterin, in doppelter Hinsicht. Ich bin
überzeugt, dass der politische Kriminalroman die stärkste und
dynamischste Gegenwartsliteratur ist, weil er von der Wahrheit
erzählt. Und ich will immer alle überzeugen, zumindest aber alle
leidenschaftlich Lesenden. In fast 30 Ariadne-Jahren hab ich
Können und Erfahrung im Verlegen politischer Krimis gesammelt,
und ich bin stur. Zudem ist unser Projekt noch lange nicht
abgeschlossen. Es gibt so kluge, kühne, geniale Autorinnen, für
deren Sichtbarkeit zu streiten eine sehr erfüllende Aufgabe ist.
S.I.: Du bist bekannt für ein hartes und faires Lektorat, für
Teamarbeit, die die Autorin vorantreibt. Die Autorinnen von
Adriane haben alle etwas zu sagen. Spannende Bücher, die einen
sozialkritischen Hintergrund haben, kein Mainstream. Du springst
auf keinen Hype auf, holst dir Schwedenkrimis (obwohl es dort
sozialkritische Bücher gäbe) oder machst auf Almdudelserien. Ist
vielleicht das dein Erfolg? Du bleibst dir treu in fast 30 Jahren
Verlegertätigkeit.
E. L.: Wenn ich Moden nachjagen würde, müsste mich
verbiegen, und erfahrungsgemäß bringt das nichts außer
Verdruss. Wir haben in harten Jahren gelernt, dass wir nur
gebraucht werden, wenn wir etwas Besonderes machen. Da ist es
naheliegend, sich auf das zu spezialisieren, woran man selber
glaubt. Ich wollte immer eine Arbeit, die mich zum Glühen bringt,
ohne dass ich mich selbst und andere belügen muss - dafür
nehme ich es in Kauf, ständig zeitknapp und pleite zu sein. Nur zu
verlegen, was ich ohne Kompromisse großartig und relevant
finde, ist ein Privileg und verpflichtet dazu, es mit allen Kräften
richtig gut zu machen.
S.I.: Merle Kröger erhielt für ihren Roman „Grenzfall“ den
Deutschen Krimipreis 2013, mit „Havarie“ stand sie 2016 auf dem 2.
Platz. Ich gratuliere auch der Verlegerin. Es sind übrigens zwei
wirklich gute Krimis. Wie stolz ist die Verlegerin?
E. L.: Na, schon maßlos stolz. Merle ist eine so kühne Autorin,
ich liebe sie und habe vom ersten Buch an ihr inhaltliches
Rückgrat und ihre Courage bewundert, ihre formale
Experimentierlust bei großer Klarheit im Anliegen. Sie riskiert viel
und eckt damit auch an, so gibt es bei jedem Buch Stimmen, die
meinen, der Roman sei „kein richtiger Krimi“, aber sie hat ein
sagenhaftes Gespür fürs Mitreißende. Als politische
Dokumentarfilmerin recherchiert sie unglaublich gewissenhaft
und bleibt ganz dicht an den Menschen mit all ihren Sehnsüchten
und Widersprüchen, sie bringt etwas Filmisches ins Genre ein und
dokumentiert mit ihrer Fiktion zugleich das reale Leben. Ich
brenne für ihre Romane.
S.I.: Bei Ariadne müssen angehende Autorinnen mit der
Einsendung eines Exposés einem Fragebogen ausfüllen. Hier
muss man genau sein Skript analytisch beschreiben,
Sozialstrukturen und Figuren offenlegen, seine Intention für das
Manuskript erklären. Warum dies Prozedere?
E. L.: Der Fragebogen ist uralt, etwa 25 Jahre, aber er stellt
klar, dass wir inhaltliche Ansprüche haben. Die werden
eingefordert, noch ehe wir auf die Erzählkunst schauen. Von den
Krimiautor/innen vergangener Epochen bewundern wir ja
gerade die "unbequemen" für ihre Schärfe und Relevanz.
Schreiben ist Kunst, aber es ist auch Haltung und Aussage. Form
und Inhalt gehören beide in ein Bezugssystem, mit dem sich
Autorinnen befassen müssen, wenn sie nicht einfach
unbedeutenden Quark produzieren wollen. So sehr ich
hardboiled auch liebe: Eine Autorin, die mit den Mitteln des
Hardboiled affirmative oder politisch indifferente Geschichten
erzählt, reizt mich null. Also fragen wir gleich vorweg: Du willst
gelesen werden, willst eine Eintrittskarte in anderer Leute Köpfe.
Was gedenkst du in diesen Köpfen zu hinterlassen? Was hast du
zu geben, das dich dazu berechtigt? Man kann z.B. nicht wie
Manotti schreiben, wenn man nicht zornig ist und zornig machen
will. Im politischen Krimi geht es darum, das Verbrecherische in
den Strukturen offenzulegen. Kurz: Schreibenkönnen allein
reicht noch nicht für Ariadne, es muss ein Anliegen da sein, das
wir als Verlag teilen können, erst dann wird ein Buch zu unserem
Projekt.
S.I.: Männer blenden gern bestimmte politische Probleme aus,
wie der Themenberg Südafrika mit Vergewaltigung, sexueller
Verstümmelung, Aids, Waffenhandel. Gibt es Frauen, die diese
Strukturen in Krimis angehen?
E. L.: Natürlich, bei dem Thema denke ich sofort an Charlotte
Otter. Aus Südafrika kommt ja seit rund zehn Jahren sehr starke
politische Kriminalliteratur. Autoren wie Deon Meyer, Mike Nichols,
Andrew Brown und andere zeigen das Post-Apartheids-Südafrika
als Gesellschaft im Umbruch, ein Land der Extreme. Ihre Romane
sind beinhart, vielschichtig und intelligent, es geht um ethnische
Konflikte, Waffenhandel, Korruption, Gangs,
Kriegsgewinnlertum, soziale Schere u.v.m. Doch einige brisante
Themen, die zentral zu Südafrika gehören, stehen kaum im
Fokus. Es ist absurd, in sexistischer Gewalt oder Politik um HIV
und AIDS „weibliche“ Themen zu sehen, trotzdem bleiben sie bei
den Jungs erstaunlich oft ausgespart. Charlotte Otters Maggie-
Cloete-Romane sind genauso hardboiled wie die ihrer Kollegen,
doch der Fokus verschiebt sich leicht: Es geht um Arzneimittel,
Gesundheitspolitik, „Aidswaisen“ (Balthasars Vermächtnis) oder
um bedrohte Arten, Lebensweisen und Monokulturen (Karkloof
Blue). Charlotte schreibt niemals voyeuristisch, auch nicht etwa
zahm, sondern krachend rasant, das sind schnelle, harte, starke
Krimis mit weitem Blick. Echte „Fenster zur Welt“.
S.I.: Heute steht der Thriller im Focus, manchmal lediglich
sinnloses Abschlachten durch Psychopathen und Soziopathen, bis
ins Detail geschildert. Auch auf diesen Hype bist du nicht
aufgesprungen.
E. L.: Ich halte Serienkiller- und Metzelthriller für eine üble
Besänftigungsdroge, gepflegtes Pseudo-Grauen, damit die
Realität heiler aussieht, als sie ist. Solange unwägbare Monster
durch die Fantasie geistern, bleibt „Sicherheit“ ein käufliches
Gut, das hoch im Kurs steht und beruhigt. Diese Thriller sind
affirmativ: Das Bedrohliche an den echten Zuständen rückt gar
nicht ins Bild, das Böse ist ja in der Psyche geparkt, fernab
unserer Verantwortung – sehr praktisch, wenn sich nichts
ändern soll.
S.I.: Autorinnen sind meist bescheidener als Autoren. Sie
müssten mehr Ego zeigen, was Männer von Natur aus machen.
Warum fällt es Frauen so schwer, ihre Kompetenz zu zeigen?
E. L.: „Von Natur aus“? Das sehe ich ganz anders, da geht es
nicht um Natur, sondern um Sozialisation und übrigens auch um
mächtige Mythen, die Herrschaftsverhältnisse stärken und
erhalten. Aber lass mich die Frage mal drehen. Wohin führt denn
das „Ego zeigen“? Ist aggressiver Konkurrenzkampf etwa das,
was die Welt braucht? Damit noch mehr zu Bruch geht, mehr
Krieg, Zerstörung, Ausbeutung … Das gängige
Geschlechterrollenbild ist erfolgreich eingespannt in den Erhalt
von lebensfeindlicher, kindisch unverantwortlicher Politik und
Kultur. Wenn wir uns davon nicht alle mal emanzipieren, bleiben
für kommende Generationen nur Trümmer! Frauen sind nicht
von Natur aus bessere Menschen, sie haben bloß noch mehr
Gründe, gegen herrschendes Unrecht aufzubegehren, weil ihnen
noch mehr vorenthalten, noch weniger zugestanden wird. Die
Rollenmuster und Glücksversprechen für beide Geschlechter sind
eine Schande. Wir müssen alle mehr Verantwortung für die Welt
übernehmen, statt ängstlich an dem festzuhalten, was die Norm
uns zugesteht.
S.I.: Du hast die Vereinigung „HERLAND“ gegründet, ein
Zusammenschluss weiblicher Krimiautoren. „Allen gemeinsam ist
der feministische Ansatz. Literatur von Frauen, gerade mit
politischen Themen, verdient mehr Aufmerksamkeit, als ihr
momentan zuteil wird. Deshalb finden Sie hier Essays, Stories,
Literaturempfehlungen, Satirisches, geschrieben mit einem
weiblichen Blick auf die Welt.“ Ein interessanter Blog übrigens.
Warum dieser Bund?
E. L.: Das Netzwerk HERLAND haben wir, Frauen aus mehreren
Generationen (zwischen dreißig und fast achtzig), zu neunt
gegründet, weil feministische Einmischung kulturell nötig ist.
Kluge politische Autorinnen arbeiten daran, unbequeme
Wahrheiten in gute Romane zu packen und damit Literatur zu
erschaffen, die nicht verblödet, sondern von der Welt erzählt
und dem Publikum Denken zutraut. Statt damit jede allein zu
lassen, will HERLAND ein kultureller Pool werden, eine Plattform,
wo Autorinnen gesellschaftskritischer Krimis sich austauschen
können, eine Quelle für Inspiration und Kritik und Courage.
Obwohl gute politische Kriminalliteratur immer stärkere
Verbreitung findet, weil sie zu den relevantesten Literaturen der
Gegenwart gehört, blüht immer noch der Macho-Kult im Genre,
„Frauenkrimi“ steht für romantischen Schund, und was als große
Erzählung die höheren Weihen erhält, erzählt fast immer von
Männern. Eine einzelne Gegenstimme geht unter und reibt sich
schnell auf, also bilden wir einen wachsenden Chor. Frauen
können denken, hingucken, schreiben, Frauen haben Rechte,
Frauen sind überall. (Ganz besonders übrigens dort, wo die
gesellschaftlich notwendigste Arbeit verrichtet wird.) HERLAND
fordert mit vielfältiger Stimme: Mischen wir uns ein. Fangen wir
damit an, Frauen sichtbarer zu machen – da, wo es drauf
ankommt. Die Welt ist in einem beschissenen Zustand, von dem
das Genre adäquat zu erzählen weiß. Doch um seine
Welthaltigkeit umfassend zu machen, braucht es den
feministischen Blick, der im Politischen dem ganzen Leben
gerecht zu werden sucht. Denn das Persönliche ist politisch.
S.I.: Eine letzte Frage, was gibt es für dieses Jahr für eine
Planung? Magst du uns kurz vorstellen, was Ariadne in diesem
Jahr Neues herausbringt?
E. L.: Mit Vergnügen, also der Reihe nach: Drei Bücher kommen
jetzt im Frühjahr, zwei davon sind schon im Druck. „Nach der
Schlacht“ von Le Minh Khue ist ein literarischer Einblick in die
Kultur und Lebenswirklichkeit Vietnams. Die meisten von uns
kennen Vietnam aus Hollywoodfilmen, wo es ein US-
amerikanisches Soldatendrama ist. Le Minh Khue zeigt in zwei
Erzählungen ein ganz anderes Vietnam mit eigener Geschichte,
vernarbt, voller Spuren von Unrecht und Gewalt, fremd und im
besten Sinn merk-würdig. Auch dies ist eine Gesellschaft im
Umbruch.
Die deutsche Autorin Anne Kuhlmeyer spielt auf eigene Art mit
dem Genre, mit dem Realismus darin. Sie erschafft faszinierende
Gestalten und schickt sie in surreale Szenarien, die sie an ihre
Grenzen bringen und darüber hinaus, mit viel Fabulierlust und
Sinn für Geschichte(n). Ihr neuer Roman „Drift“ beginnt mit einer
Hochwasserkatastrophe, dabei wird mehr weggespült als „nur“
Landschaft: Verhaltensmuster kommen auf den Prüfstand,
Literatur übernimmt eine den Plot lenkende Rolle. Das ist
wagemutig und herausfordernd, sehr reizvoll.
Im Mai kommt dann ein funkensprühender neuer Roman von
Monika Geier, die wieder zeigt, wie unglaublich originell und
aktuell auch ein „klassischer“ Krimi sein kann. „Alles so hell da
vorn“ erzählt von einem Frankfurter Puff, wo ein Bulle
erschossen wird, von einem störrischen alten Haus, von einer
geheimnisvollen jungen Hure und natürlich von
Halbtagskommissarin Bettina Boll, die da Licht ins Dunkel bringen
soll. Genial und verschmitzt, Rätselspannung auf allerhöchstem
Niveau.
Im Herbst bringen wir eine großartige Schriftstellerin aus Indien:
Anita Nair nutzt das Genre, um extrem finstere Seiten der
aktuellen Normalität auf den Tisch zu bringen. Bangalore, eine
Drehscheibe des Kinderhandels in einem Land voller
Ungleichheiten. Ein redlicher Kommissar in einem Dschungel aus
Korruption. Mehrere Erzählstimmen und Blickwinkel eröffnen ein
Panorama tagtäglicher Gewalt, ein Netz aus Macht und
Ohnmacht und Gier. Atemberaubend und grimmig.
Dann haben wir noch ein Debüt in petto, eine Art Country Noir
von einer indianischen Autorin, die ihrerseits historische blinde
Flecken ausleuchtet – sehr eigenwillig erzählt, sehr
charismatisch.
Außerdem machen wir Neuausgaben von Dagmar Scharsichs
historischen Krimis „Der grüne Chinese“ und „Die gefrorene
Charlotte“, beides sind absolute Juwelen literarischer
Spannungsliteratur.
Das sind Ariadnes Vorhaben für 2017. Und 2018 kommen neue
Bücher von Anne Goldmann, Dominique Manotti und Liza Cody,
wir holen endlich Denise Mina zu Ariadne, und wie ich sie kenne,
wird auch Christine Lehmann etwas Neues machen - es gibt ja
unendlich viel zu tun.
S.I.: Liebe Else, ich danke dir, dass du mir einen Teil deiner
kostbaren Zeit geschenkt hast.
Zu den anderen Interviews
Interview mit Else Laudan
(von Sabine Ibing)