Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Patricia Mennen
(von Sabine Ibing)
Patricia Mennen wuchs an der Donau auf, hat die Studiengänge
der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in
Würzburg und München absolviert.
http://www.patricia-mennen.de/ueber-mich
Patricia, wo soll ich anfangen? Sachbücher, Kinder- und
Jugendbücher, Romane, mehr als 200 Bücher in mehr als 20
Sprachen ... Eins fällt mir auf. Mädchen und Frauen in
Schwierigkeiten, in der Opferrolle. Ein großes Thema für dich.
Rebellion, Emanzipation, stark sein, ein Thema, das sich durch
deine Bücher wie ein roten Faden zieht. Was liegt dir daran?
P. M.: Meine Protagonistinnen sind oft Frauen oder Mädchen, die
das Schicksal in extreme Situationen versetzt. Diese
Ausgangssituation finde ich spannend, um ihre Geschichten zu
erzählen. Das hat natürlich auch mit dem Genre zu tun. Würde
ich einen Wohlfühlroman schreiben, wäre meine Heldin natürlich
etwas anders gestrickt...
Du hast historische Ereignisse in Bücher verpackt. Sicher hast du
dazu viel recherchiert. Wie bringt man sein Wissen in eine
Geschichte ein, ohne sie zu überfrachten und nicht
sachbuchartig abzuschweifen?
P. M.: Die Recherche für einen historischen Roman ist tatsächlich
sehr, sehr aufwändig. Ich schreibe ja nicht nur über vergangene
Zeiten sondern auch noch über andere Länder und andere
Kulturen - was für mich bedeutet, dass ich sehr gründlich vor Ort
recherchieren möchte. Nur wenn ich etwas wirklich
nachempfinden kann, kann ich auch glaubwürdig darüber
schreiben. Die Informationen, die ich mir während des ziemlich
lang andauernden Prozesses aneigne, versuche ich dann
möglichst authentisch wieder herüber zu bringen. Dadurch
vermeidet man automatisch, dass man zu lehrerhaft wirkt -
hoffe ich zumindest ;-) Natürlich gibt es auch stilistische
Methoden, um nicht zu trocken zu werden. Dabei gilt das alte
Motto: show don´t tell!
Schon als Jugendliche bist du mit Rucksack quer durch Europa
gereist, als Studentin hast du Afrika, Nord- und Südamerika
besucht. Diese Eindrücke prägen auch deine Bücher. Gibt es
noch Reiseziele für dich, wohin und warum?
P. M.: Oh ja! Am liebsten wäre ich noch viel öfter unterwegs!
Momentan gehe ich alle anderthalb Jahre ein neues Reiseprojekt
an. Im Februar plane ich für einige Wochen nach Myanmar und
Nordthailand zu reisen, um dort einige indigene Völker zu
besuchen. Vor allem das Volk der Long Neck Karen hat es mir
angetan. Sie werden für touristische Zwecke in Schaudörfern in
Nordthailand "ausgestellt" wie Tiere in einem Zoo. Die Frauen, die
auch als Giraffenhalsfrauen bekannt werden, werden aus
Myanmar über die grüne Grenze geschmuggelt und dort wie
Sklavinnen gehalten, nur damit die Touristen schöne Fotos
schießen können. Ich möchte das gerne dokumentieren und mich
dann auf den beschwerlichen Weg zu den ursprünglichen Karen
in Myanmar machen, um ihre wahre Kultur zu dokumentieren.
Das alles mache ich für die NGO- Organisation Survival
International, die es sich zum Ziel setzen, ethnische Minderheiten
vor Ausbeutung zu schützen. Nenn es Spleen oder Besessenheit,
aber der Kontakt und die Erlebnisse, die ich im Umgang mit
ethnischen Minderheiten erleben darf, erden ungemein.
Zu deinen Haustieren gehört ein Skorpion, so habe ich gehört.
Was fasziniert dich an diesem Tier? Andere haben eine Katze,
die abends auf dem Sofa sitzt.
P. M.: Ach Viktor! - der ist leider mittlerweile Geschichte! Wir sind
alle ziemlich tierlieb - und eines Tages hat ihn eine meiner
Töchter einfach heimlich in unserem Haus in der Provence
aufgegabelt und mit nach Deutschland genommen.
Überraschenderweise hat sich Viktor in einem kleinen Terrarium
erstaunlich wohl gefühlt (einmal ist er auch ausgebüchst und wir
haben die ganze Nacht nach ihm gesucht, schließlich wollte ja
keiner aus Versehen mal auf ihn treten... - wir fanden ihn
schließlich unter einem Regal...) Mit vier Jahren ist er an
Altersschwäche (vermuten wir) gestorben. Bei uns haben schon
viele andere Tiere ein Zuhause gefunden, eine junge, zahme
Dohle, zwei weiße Zaubertauben, etliche Meerschweinchen,
Prachtfinken, Wellensittiche, Fische, Molche und natürlich Hunde.
Momentan bekommt unser fast 16 Jahre alter Herr Schröder alle
unsere Aufmerksamkeit!
Dein Vater ist ein Erfinder. Das hört sich spannend an. Erzähl uns
etwas davon.
P. M.: Mein Vater ist leider schon vor vielen Jahren, viel zu jung
gestorben! Ich vermisse ihn jeden Tag! Er war ein wunderbarer
Mensch, ein Querdenker und sehr unkonventionell für seine
Zeit! Er war von Haus aus Chemiker und hat sich ausführlich mit
dem Lotuseffekt beschäftigt. Er war einer der ersten, die es
möglich machten, dass der Lotuseffekt auch in unserem
Alltagsleben angewandt werden kann (Waschbecken, Fliesen,
Glasflächen...) Außerdem hat er mit uns schon als Kinder immer
verrückte Reisen unternommen!
Dein Kinderbuch »Der kleine Trotzdrache« über einen kleinen
Drachen, dem ein kleines Männchen im Ohr steckt, das ihn zu
Blödsinn anleitet, wird auf einer Website als Literatur empfohlen,
wie Eltern ihren Kindern ihre eigene Krankheit »Borderline
Syndrom« erklären können. Wusstest du das? Nebenbei habe ich
Borderliner weniger als Trotzköpfe erlebt. Das ist ein anderes
Thema.
P. M.: Das wusste ich nicht! Für mich hört sich das irgendwie
bemüht an! Trotz ist ein ganz wichtiges Thema in der
Kinderentwicklung. Dazu ist mir diese Geschichte eingefallen!
Mehr kann ich dazu nicht sagen ;-) Allerdings freue ich mich über
jeden, dem die Geschichte gefällt!!!
Wird ein Ausländer einen andern Ausländer jemals wirklich
verstehen, wenn die Seelen ihrer Kulturen sich gravierend
unterscheiden? Du hast ein Jugendbuch zum Thema Kopftuch
geschrieben. Die Großeltern in der Türkei haben Sibel liberal
erzogen, doch jetzt lebt sie in Deutschland bei ihrem Vater. Seine
neue Frau ist eine strenggläubige Muslima und verlangt, dass
auch Sibel ein Kopftuch trägt. Dann soll sie auch noch
verheiratet werden.
P. M.: Grundsätzlich glaube ich, dass sich alle Menschen
verstehen können, wenn sie die notwendige Toleranz
füreinander aufbringen können. In Zeiten der Globalisierung
und im Zuge der Flüchtlingswellen sind wir für ein reibungsloses
Zusammenleben geradezu darauf angewiesen, finde ich. Man
muss die Knoten voller Vorurteile in den Köpfen jedes einzelnen
lösen, dann kommt das Verständnis ganz von allein. Wenn
Geschichten wie die von Sibel das vermitteln könnten, wäre ich
sehr glücklich. Außerdem finde ich, dass es auch an uns liegt,
sich wieder an Werte zu erinnern und diese vorzuleben. Nur
wenn wir das schaffen, können wir den Neuankömmlingen
zeigen, was uns ausmacht.
»Der Ruf des indischen Elefanten« handelt von Tara Harley, deren
Mutter an den Folgen einer Hungersnot und der Grippeepidemie
verstirbt, ihr am Sterbebett einen grünen
Jadeelefantenanhänger als Andenken an ihren Vater
aushändigt. Bei der Tante fühlt sie sich nicht wohl, sucht ihren
Vater, der ein britischer Offizier ist. Das klingt spannend. Wie
entstand diese Idee?
P. M.: Ich war in den letzten Jahren öfters in Indien und habe
dort gute Freunde. Das Land mit all seinen Widersprüchen und
Gegensätzen fasziniert mich sehr. Außerdem hat es eine lange
Geschichte, die zeitweise eng mit unserer europäischen
verknüpft war. Diese beiden Kulturen wollte ich gerne in einem
Jugendroman zusammenführen. Dabei habe ich einen
Abenteuerroman gewählt, der einerseits auf historischen
Tatsachen beruht (Hungersnot in Irland und Sepoi-Aufstand von
1857) und andererseits eine Liebesgeschichte mit magischen
Elementen ist - denn Magie spielt in Indien auch heute noch eine
große Rolle!
Nach der „Afrika-Saga“, führt uns die „Amber-Saga“ mit »Im Land
der sieben Schwestern«, wieder nach Indien. Ein Zauber von
alten Welten umgibt viele deiner Bücher. Würdest du gern in
vergangenen Zeiten leben?
P. M.: Hihihi! Manchmal schon, wenn ich abends dann wieder in
meinem kuscheligen Bett schlafen dürfte....
Meine Reisen zu den indigenen Völkern kommen manchmal
schon Zeitreisen recht nahe. Es ist oft sehr beschwerlich und
zeitaufwändig, um dorthin zu gelangen. Die Achtung vor ihrer
Kultur gebietet auch, dass man sich ganz auf ihren Lebensstil
einlässt. Das ist für uns verwöhnte Europäer manchmal schon
recht hart - vor allem, wenn es sich um sehr archaische Kulturen
handelt.
Du hast viele Bücher herausgebracht und warst an vielen
beteiligt. Wie gehst du mit schlechten Bewertungen um? Schaut
man sich die überhaupt noch an, wenn man so viele Bücher auf
dem Markt hat?
P. M.: Natürlich trifft es mich, wenn ich eine schlechte Rezension
über eines meiner Bücher lesen muss. Allerdings schaue ich auch
sehr genau darauf, wer sie verfasst hat. Nur jemanden, der
objektiv ist und sich nicht hinter wagen Pseudonymen versteckt,
kann ich ernst nehmen.
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber
verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden
wir die Termine?
P. M.: Gerade ist bei Blanvalet mein neuer Roman "Das Tal der
goldenen Flüsse" aus der „Amber-Saga“ erschienen. Er spielt im
viktorianischen England und am Amazonas während der
Kautschukzeit. Dabei wird auch die Kultur der Yanomami-
Indianer etwas näher beleuchtet. Vor allem die zweite Hälfte ist
eine spannende Abenteuergeschichte!
Meine Lesereise habe ich gerade abgeschlossen. Eventuell
werde ich noch während der Leipziger Buchmesse daraus lesen.
Ganz gespannt bin ich auf ein neues Buchprojekt. Da darf ich
aber noch gar nicht viel verraten. Nur so viel: es wird im März
2017 erscheinen und wird ein Krimi bei Goldmann sein...
Außerdem arbeite ich gerade an einem neuen historischen
Roman, der auf mehreren Zeitebenen das Schicksal einer
jungen Frau während des beginnenden Nationalsozialismus
beleuchtet...
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu
beantworten.
P. M.: Sehr gerne! Danke für die toll gestellten Fragen!
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