Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Anja Marschall
(von Sabine Ibing)
Heute stelle ich euch Anja Marschall vor, eine Hamburger Deern.
Sie hat sich mit „Fortunas Schatten“ ( für den HOMER
Literaturpreis 2014 nominiert), einem historischen
Kriminalroman, der im 19. Jahrhundert in Glückstadt spielt, einen
Namen gemacht. Anja Marschall arbeitet als Publizistin und freie
Journalistin für Tageszeitungen und Magazine, obwohl sie in
ihrem „früheren“ Leben für die Forschung arbeitete, ihr
Studium als Kioskfrau an den Landungsbrücken in Hamburg
finanzierte und Apfelpflückerin in Israel war sowie
Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel. Seit 2007
schreibt sie Kurzgeschichten, die in Anthologien in
verschiedenen Verlagen erschienen sind.
Seit 2012 sind mehrere Bücher von ihr erschienen. Wer Anja
kennenlernt, stellt schnell fest, dass diese lebenslustige Frau
voll Power steckt. Sie kommt immer fröhlich daher, hat stets
einen Witz auf den Lippen.
S.I.: Kann Anja Marschall einfach nichts tun, nur so dasitzen,
mehr nicht?
A.M.: Unmöglich! Das ist Segen und Fluch zugleich, wenn ich
Sherlock Holmes und Monk zitieren darf. Nach außen mag ich
manchmal „ruhig“ wirken, aber die Doppelfalte zwischen meinen
Augen sagt den Kennern um mich herum: Die Frau brütet schon
wieder etwas aus. Jetzt nur nicht stören.
S.I.: Gibt es eine unglückliche Anja? Wie machst du Traurigkeit
und Wut mit dir aus?
A.M.: Oh, das ist ein heikles Thema. Ich bin leidenschaftlich
wütend. Dann zetere ich und verfluche die Dummen, und die
Doofheit der gesamten Nation im ganz Speziellen. Ich beruhige
mich dann aber auch wieder schnell. Nur, wenn ich mit
Ungerechtigkeiten konfrontiert werde – dabei ist es egal, ob
gegen mich oder andere -, dann werde ich nachhaltig fuchsig.
Dann dauert es länger, bis der Sturm vorbeigezogen ist.
Traurigkeit? Ganz ehrlich? Kenne ich nicht. Jedenfalls ist sie kein
Gefühl, welches öfter bei mir zu finden ist. Ich zweifle manchmal
an mir oder an meinem Sein, doch nur ganz selten. Gerade mal
so oft, dass ich sagen kann: „Alles ok. Ist nur PMS.“ Geht dann
auch ganz schnell wieder weg, weil ich viel lieber gut drauf bin.
Wer depri ist, kann die Welt nicht rocken. Der tanzt nur um
seinen eigenen Bauchnabel herum, den er im günstigsten Falle
zu Literatur verarbeitet. Und diese „Bauchnabelwelt“ ist mir zu
klein.
S.I.: Du hast auch in Großbritannien und Irland gelebt, in
Hampstead Heath in einem altertümlichen Herrenhaus, a la
Pilcher. Zieht es dich auf die Inseln zurück?
A.M.: Jo! Und wie. Wenn es so etwas wie ein „früheres Leben“
gibt, dann bin ich Britin, Irin oder Schottin gewesen. Da ich gerne
Whisky trinke wohl eher Schottin. ;-)
S.I.: Was hat dir dort besonders gefallen. Und was empfindest
du in Schleswig-Holstein als angenehmer, deiner derzeitigen
Heimat?
A.M.: Bei den Briten habe ich hinter der vornehmen Fassade den
Menschen gesucht. Und gefunden. Die Briten sind ein wenig
steif. Nicht umsonst sagt man von Hamburg, das es die
britischste aller Städte dieser Welt ist. Als ich einmal Prinz
Charles auf dem Hamburger Rathausbalkon bei seiner (auf
Deutsch gesprochenen) Rede gehört habe, schaute ich mir die
Gesichter der tausenden (!) Leute an, die zu ihm hochsahen.
Wow, wir Hanseaten sind royaler als die Briten selber. ;-) Ich bin
mir sicher, dass – sollte GB irgendwann die Monarchie
abschaffen – die britische Königin nebst Familie in Hamburg
sofort Asyl bekommen würde. ;-)
Die Schleswig-Holsteiner sind von der eher reservierten
Mentalität ähnlich wie die Hamburger. Darum landete ich hier.
Außerdem war es nicht wo seit bis zu meiner Arbeit, denn
damals arbeitete ich noch in Hamburg.
S.I.: Du sagst von dir, du schreibst gegen den Mainstream. Nach
deinen geschichtlichen Themen, bist du in Hamburg im Jetzt
angekommen. Deine Hauptfigur heißt Lizzi, eine Rentnerin im
betagten Alter. Und die ist natürlich schräg!
A.M.: Ich schreibe nicht „gegen“ den Mainstream, sondern
immer zehn Zentimeter daneben. Ich will nichts beweisen, aber
auch nicht aalglatt mit dem Stream schwimmen.
Ich habe eine alte Dame, die ermittelt. Na, da denkt doch jeder
gleich an Miss Marple. Doch meine Lizzi strickt nicht, sondern
trinkt selbstgebrannten Schnaps. Sie ist auch keine Jungfer,
sondern Witwe eines Hamburger Kleinganoven. Sie lebt auch
nicht in einem schnuckeligen Cottage, sondern wohnt in der
teuersten Seniorenresidenz der Stadt. Und das, obwohl sie es
sich gar nicht mehr leisten kann, nachdem jemand ihr
„Erspartes“ geklaut hat. Ein „Erspartes“, das in Wahrheit die
Beute eines Überfalls ist, den ihr Mann kurz vor seinem Tod
beging. Ja, ja, Lizzi nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau
wie Miss Marple. Das wiederum ist für Ex-Kommissar Pfeiffer –
mit drei f – manchmal schwer zu ertragen. Er ist in Lizzi verliebt,
traut sich aber nicht an die „schöne Kaktusblüte“ ran. Tragisch
bis lustig.
S.I.: Wenn ich an meine große Verwandtschaft denke und an die
500 Freunde meiner Eltern, so fällt mir kein Kopftuch ein. Ich
hatte das Glück, lange mit Urgroßmüttern/tanten,
Großmüttern/tanten aufzuwachsen und keine trug ein Kopftuch.
Die Generation meiner Eltern, also die um die 80 heute, ist eher
die modebewusste Generation. Bei uns ließ das wieder nach. Wie
kamst du auf die Idee, Lizzi ein Kopftuch zu verpassen? Und das
bei der Kopftuchdiskussion heutzutage!
A.M.: Genau deswegen! Das Kopftuch hat heute eine andere
Bedeutung, als damals, zu Zeiten, als Lizzi jung war. Damals galt
es, die Frisur nicht zu ruinieren. Heute wird damit ein religiöses
Statement verbunden. Das arme Kopftuch. Es kann doch nichts
dafür.
Lizzi trägt Kopftuch als Protest! Gerade weil die Alten heute
„jung, dynamisch, perfekt gestylt, frisch verliebt,
drittezähestrahlend und abenteuerlustig“ sein müssen – sagt
jedenfalls die Werbung–, wird ein Druck auf die Generation
60plus ausgeübt, den Lizzi sich versagt. Sie will nicht Action in
ihrem Leben haben, weil Sportbekleidungsfabrikanten dann
besser verkaufen. Sie will nicht „frisch verliebt in den
Sonnenuntergang fahren“, weil TUI Kreuzfahrten verkloppen
will und ParShip einsame Seelen sucht. Sie will tun, was sie will.
Und nicht, weil andere sagen, sie müsse es, weil es sich so
gehöre. Niemand muss mit 80 Jahren noch Bergwandern gehen.
Nach 50 Jahren Erwerbsleben hat jeder das Recht, endlich frei
zu sein. Ich plädiere mit Lizzi also für die Freiheit der Alten.
Emanzipiert euch vom Jugendwahn, zellulitefreie Oberschenkel
und „dem neuen Anfang“, wenn ihr all das nicht wollt. Tragt
Kopftücher, damit eure Frisur nicht vom Hamburger Wind
ruiniert wird. Tragt flache Schuhe, weil es bequem ist. Tragt
´nen Trenchcoat, weil es in Hamburg immer nieselt. Gönnt euch
doch endlich mal, ihr selbst zu sein.
Tscha, das ist die Message.
S.I.: Du hast ein Herz für schräge Vögel und skurrile Charaktere
in allen Büchern. Was davon steckt in Anja?
A.M.: Alles! Ich bin auch immer zehn Zentimeter neben dem
Mainstream. Wenn ich einen Witz in einer Umgebung mache, wo
man mich nicht so gut kennt, wundert es mich nicht, wenn die
Blicke plötzlich verstört sind. Der eine, der lacht, das ist jener,
mit dem ich mich weiter unterhalten werde. Ich mag meine
Macken und erkläre ihnen täglich, dass ich sie liebe.
Mainstreamlächeln in die Kamera. Toll, wenn man das als Autorin
drauf hat. Die Bücher verkaufen sich dann gleich dreimal
besser. Denken wir an den Autor, der als Unterhosenmodel für
seine Bücher warb. Jeah. Schmuckes Kerlchen. Dass er
„schwarmweise“ Bücher verkauft, liegt auch an seinem
Mainstreamlächeln, den perfekten Zähnen und der Unterhose.
Ich bin lieber schräg. Ich mag mich so. Und Lizzi mag ich auch.
Wenn ich mal alt bin, will ich auch so sein.
S.I.: Du bist Vizepräsidentin der „Mörderischen Schwestern“,
verantwortlich für die Bereiche Kommunikation und Presse,
direkte Vertretung der Präsidentin, Ansprechpartnerin für
interne und externe Kommunikation, inklusive Morido. Warum
engagierst du dich gerade hier? Und überhaupt? „Mörderischen
Schwestern“? Trefft ihr euch, um Morde zu planen?
A.M.: Hihi, als ich das erste Mal von den Mörderischen
Schwestern hörte, dachte ich an killende Nonnen. Ist aber nicht
so. Bei den Schwestern sind knapp 500 Frauen versammelt, die
Krimis lieben. Sie müssen sie nicht schreiben. Lieben reicht. Dass
dennoch die meisten von uns Autorinnen sind, ist jedoch mehr
als nur ein Zufall. Wir fördern junge Autorinnen explizit, indem
„alte Häsinnen“ die Jungen (hierbei geht es nicht um das Alter!)
an die Hand nehmen. Dazu haben wir vor Jahren unser
Mentorinnenprogramm gestartet. Es werden online Fach-
Seminare zum Schreiben angeboten, es gibt Schreibgruppen in
Deutschland, Österreich und der Schweiz. Man organisiert
gemeinsam Lesungen von Klein-Kleckersdorf bis Berlin, Wien,
Zürich. Einmal im Jahr treffen wir uns zum fachlichen Austausch
und zum Klönen. Denn auch das ist wichtig, weil Schreiben ein
verdammt einsamer job ist, wenn man es hauptberuflich macht.
Und die Familie ist nicht immer der beste Gesprächspartner,
wenn man mal im Plot hakt, der Prota ein Depp ist und nicht tut,
was er soll. Da braucht man Kolleginnen, die wissen, wovon man
redet.
Tja, und ich bin seit 2005 dabei. Erst nur als beeindruckte
Zuhörerin, dann also vorsichtige Kurzgeschichtenschreiberin
und dann als „richtige“ Autorin. Heute kann ich mein Wissen an
die Neuen weitergeben. Und das fühlt sich gut an. Ich persönlich
verdanke den Mörderischen Schwestern viel. Sie haben mir in
meinen Anfängen Mut gemacht, mich vor Fehlern bewahrt, mir
aus Krisen geholfen und Erfolge mit mir gefeiert. Bei den
Mörderischen Schwestern geht es nicht um Konkurrenz – die
belebt höchstens das Geschäft. Nein, es geht um Verständnis, in
den Arm nehmen, gemeinsam freuen und ein großes Ziel haben.
Welches? Nun, wenn Frauen Krimis schreiben, denken viele
Leute noch immer an Hausfrauen, die zwischen Windel wechseln
und Mittagessen kochen „mal eben“ einen kleinen Krimi
zusammenfantasieren. Die Mörderischen Schwestern sind
angetreten zu zeigen, dass Frauen mindestens so professionell
wie Männer fiktiv morden können. Und seit Neustem mischen wir
hart mit, wenn es um die Änderung des Urheberrechts geht,
wenn es um Verdiensteinbußen für Autoren (auch Männer!)
durch ebook-Piraterie geht, wenn es um das Selbstverständnis
des deutschen Krimis generell geht. Oh je, ich rede zu viel.
´schuldigung.
S.I.: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen
leidlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren
Beschreibung du Schwierigkeiten hast? Vermeidet man solche
Szenen schlicht, bevor man dahinholpert?
A.M.: Ich bin Hamburgerin und ein wenig verklemmt. Sexszenen
sind bei mir rar gesät. Ebenso Meuchelszenen und Splatterei. Bei
mir wird keine Jungfrau in einer Telefonzelle vergewaltigt,
durch den Häcksler gejagt und dann als Thriller verkauft. Sorry,
nicht mit mir. Mir liegen die Charaktere und ihre
Widersprüchlichkeiten. Die Umstände, die sie zwingen Dinge zu
tun, die sie eigentlich nicht tun wollten. Bei mir gibt es keine
Massenmörder (gähn) und auch keine Kindervergewaltiger
oder Irre, die junge Frauen in Keller einsperren (nochmal gähn).
S.I.: Aber bitte keine Sexszenen mit Lizzy! ;-))
A.M.: Naja, hier muss ich schon wieder eine Einschränkung
machen. Im nächsten Lizzi-Buch, das im Juni unter dem Titel
„Lizzi und die schweren Jungs“ erscheinen wird, muss Lizzi sich
vor der Polizei in einem Sexshop auf der Reeperbahn
verstecken. Weißt du, was ein Love Session Pointer ist? Oder
eine Rhapsodia Violetta? Na, dann lies „Lizzi und die schweren
Jungs“. Das bildet ungemein. ;-)
Übrigens wird wahrscheinlich die Premierenlesung von „Lizzi und
die schweren Jungs“ auf der Reeperbahn stattfinden. Lustig,
gelle.
S.I.: Lachst du beim Schreiben?
A.M.: Ja, gerne.
S.I.: Wenn du frühere Werke von dir mal wieder anliest, würdest
du sie wieder genauso aufbauen und in dieser Art schreiben?
A.M.: Ich lese meine letzten Bücher möglichst nicht mehr in
einem Stück. Für Lesungen suche ich mir raus, was ich brauche.
Mehr nicht. Grund: Mir fallen so viele Dinge auf, die ich schon
drei Wochen später anders machen würde, dass es mich nur
frustrieren würde, alles noch einmal zu lesen. Ich befinde mich
da in bester Gesellschaft mit so manchem Weltbestseller und
Nobel-Literarten. Wir schämen uns, wenn wir im Nachhinein
merken, dass man dies oder jenes hätte noch besser machen
können.
S.I.: Du hast dich 2013 an die Übersetzung des Krimiklassikers
„Lady Audleys Secret“ herangewagt. Übersetzen ist etwas
Anderes als erfinden, aber sicher kein einfaches Unterfangen.
Was ist die Schwierigkeit des Übersetzens von Literatur?
A.M.: Ich sehe mich nicht als Übersetzerin. Nicht ohne Grund ist
es ein langwieriges Studium. Nein, ich sehe mich als Autorin mit
Fremdsprachenkenntnissen. So gehe ich auch an das zu
übersetzende Buch ran. Lady Audley, zum Beispiel, erschien 1862
und war das, was man heute als Megabestseller beschreiben
würde. Doch damals schrieb man anders als heute. Dinge, die
dem Künstler wichtig waren, wurden wiederholt, und wiederholt
und wiederholt. Da fällt das „goldene Haar“ auf über
sechshundert Seiten dreihundertmal über die linke, wahlweise
auch rechte Schulter.
Ein Übersetzer würde nie, nie, niemals am Originaltext etwas
ändern. Ich schon. Ich bin ja Autorin. Ich habe der Kollegin Mary
Elisabeth Braddon (sie schuf „Lady Audleys Secret“) ein hartes
Lektorat verpasst. So wurden aus 600 Seiten 320. Jetzt fällt das
goldene Haar einmal über die Schulter und gut ist. Und andere
Sachen fielen auch weg. Nachdem „Das Geheimnis der Lady
audley“ so super eingeschlagen hat, planen der Verlag und ich
weitere Übersetzungen historisch-britisch-krimineller
Literaturperlen. Ist eine große Ehre für mich!
S.I.: Ist ein Buch erst einmal erschienen, hat der Autor keine
Kontrolle mehr darüber. Wie stehst du zu dieser These?
A.M.: Ein klares JNEIN. Ich hatte bisher Glück und hatte gute bis
sehr gute Lektorinnen. Mit ihrer Hilfe wurden die Texte besser.
Ich hatte Glück, dass ich bisher Verlage hatte, deren Ziel auch
meines war: Ein tolles Buch machen, dass möglichst viele
Menschen lieben werden. Ich hatte bisher Glück, an Verlage zu
gelangen, die wunderbare Cover gemacht haben. Das Cover
von „Fortunas Schatten“ hat sogar einen Preis gewonnen. Aber
auch die Lizzi-Serie hat peppige Cover mit Humor. Hätte ich
grafische Talente – die ich nicht habe -, dann hätte ich genau die
Cover meiner Lizzi verpasst, welches der Aufbau Verlag für
„Lizzis letzter Tango“ und „Lizzi und die schweren“ Jungs
auswählte. Wie gesagt, ich hatte bisher Glück. Ich kenne
Kollegen, die sind kreuzunglücklich. Da kommt eine
mittelalterliche Schönheit auf ein Cover mit einem Text darinnen,
der dreihundert Jahre später spielt. Die Autoren leiden dann,
weil sie ihre Geschichte verraten fühlen und finden, dass der
Verlag den Leser verar… aber, dass ist mir noch nicht passiert.
S.I.: Heutzutage verliert der Autor ja oft schon vor
Vertragsabschluss die Kontrolle, da das Marketing und die
Lektoren einzelne Teile des Romans „marktfähig“
umstrukturieren wollen, auf Titel und Cover hat man keinen
Einfluss. Wie ist deine Meinung dazu?
A.M.: „Normale“ Autoren in großen Verlagen – zu denen ich ja
nun auch gehöre, nachdem ich einige Jahre für kleine Verlage
geschrieben habe – bekommen kein Marketing. Sorry. Wer
glaubt, als Midlistautor Lesungen vermittelt zu bekommen oder
Anzeigen vom Verlag geschaltet …. Lach.
Das sind die Privilegien der Spitzentitel. Und in diese Position
schaffen es die allerwenigsten. Doch ist man erst einmal in so
einer besonderen Position bei einem Verlag, steigt der Druck.
Die Verkaufszahlen müssen stimmen. Und wehe wenn nicht.
Dann ist aber Schluss mit Anzeige, VIP-Karte für die Messe,
Lesungen und Radiointerview.
Nein, ich selber bin für die Kernertour. Ich komme von kleinen
Verlagen und habe mich hochgearbeitet. Bei den großen
Verlagen muss ich jetzt wieder asten, um nachhaltig bei den
Profiautoren mitmischen zu können. Die Luft wird dünner, aber
dafür würziger.
Ach übrigens: Das jemand in meinem Text herumfuscht, um ihn
„marktfähiger“ zu machen, habe ich noch nicht erlebt.
S.I.: Welchen Teil der Tageszeitung liest du zuerst?
I.M.: Ich lese Tageszeitungen wie Bücher. Immer von vorne nach
hinten.
S.I.: Welcher hartgesottene Held welches Romans dürfte dich in
den Untergang führen?
A.M.: James Bond, aber nur wenn er aussieht wie Sean Connery
vor vierzig Jahren. ;-)
Daniel Craig ginge auch. Aber ich glaube, der steht auf jüngeres
Gemüse.
S.I.: Welche Romanfigur würdest du gern mit eigenen Händen
umbringen, weil sie dich so aufgeregt oder genervt hat?
A.M.: Die Pruseliese bei Pippi Langstrumpf. Wie kann man nur so
kinder-doof sein? Ich würde übrigens gerne mal einen Roman
für Kids zwischen 9 und 12 schreiben.
S.I.: Stell dir vor, wir beide planen einen Raubüberfall. In
welchem Fluchtwagen wären wir unterwegs und welche
Bewaffnung hätten wir uns gewählt? Was ist unsere
Tarnkleidung? Bitte kein Kopftuch!
A.M.: Fluchtwagen wären Fahrräder. Stattfinden würde alles in
NY zur rushhour. Darum ja auch Fahrräder. Als Bewaffnung
könnte ich mir einen Ghettoblaster vorstellen, der gaaanz hohe
Töne von sich gibt, die den Leuten in den Ohren wehtun. Ich
habe nämlich noch nicht gehört, dass hohe Töne vor Gericht als
Waffe gelten. Überfallen würde ich eine internationale Bank,
denen ich die Briefmarken klaue oder den Getränkeautomaten.
(Ok, wir brauchen für das Fahrrad noch einen Anhänger) Geld
ist bei denen ja nicht mehr zu holen, seit Geld nur noch virtuell
von Banken verbraucht und auf Wunsch nach Panama geschickt
wird. Tarnkleidung? Fußballtrikots wären mal was Neues.
S.I.: Jetzt möchte ich nochmal ernst werden. Du hattest Ende
letzten Jahres einen schweren Autounfall. Jemand ist euch in
die Seite gefahren und du hast verdammt viel abbekommen.
Langer Aufenthalt im Krankenhaus, bewegungsunfähig mehr
oder weniger. Viele OP’s liegen hinter dir und einiges wird nicht
wieder werden wie vorher. Was macht solch ein Erlebnis mit
einer agilen Frau? Zumindest ist dein Frohsinn erhalten
geblieben.
A.M.: Ja, mein Humor hat mich oft über Tränen getragen. Das
war gut. Ich habe auch gemerkt, dass ich eine wunderbare
Familie habe. Erst dachte ich, mein Mann würde an der Situation
zerbrechen – nicht ich. Doch ich stellte fest, sie hat ihn stärker
gemacht. Dann machte ich mir Sorgen, wegen des Kindes, aber
auch sie wurde stärker dadurch. Und ich? Naja, ich bin froh,
dass ich das Krankenhaus vorläufig hinter mir habe, dass ich
Verletzungen an Stellen hatte, die mich zumindest vom
Schreiben nicht abhalten konnten und dass ich – das war
wirklich der Hammer! – so viele Freunde und Fans habe. Ich
habe seit dem Unfall hunderte von Karten und Briefen
bekommen und bekomme sie noch immer. Unzählige
Blumenlieferungen standen in meinem Zimmer. Der Paketbote
hat´s mittlerweile im Rücken. Anrufe von Leuten, die ich
überhaupt nicht kenne, und die nur schnell mal alles Gute sagen
wollten. Wahnsinn.
S.I.: Hat man Wut auf den, der Schuld ist? Wie geht man damit
um, wenn man unschuldig in eine solche Situation gerät?
A.M.: Ja, ich bin wütend, aber nicht mehr so wütend, wie ich am
Anfang war. Es wird weniger. Ich war wütend auf die
Verursacherin, die sich bis heute nicht bei mir gemeldet hat.
Nicht, dass ich dadurch schneller gesund würde –werde ich so
oder so nie wieder -, aber dass diese Person keinen Stil hat,
ärgerte mich dann doch. Jedem kann ein Fehler im Autoverkehr
passieren. Auch mir. Aber, wenn man Mist baut, muss man dazu
stehen. Das gebietet die Würde vor dem Opfer und vor sich
selbst.
S.I.: Hast du nun Angst, wenn du dich in ein Auto setzt?
A.M.: JNEIN. Ich fahre zwar wieder – weil es hier auf dem Land
nicht anders geht -, aber ich fahre sehr vorsichtig. Überall sehe
ich Gefahren. Was ist, wenn der Hund da drüben sich gleich
losreißt oder das Kind an der Hand der Mutter? Was ist, wenn
aus der Ausfahrt gleich einer herausschießt?
Ich lerne damit zu leben. Aber die Erlebnisse durch den Unfall,
die Ängste, die Krankenhauserfahrungen, die Drogenträume,
…. All das hat mich zu einer neuen Thrilleridee gebracht, die
ganz anders als Lizzi & Co sein wird. Ganz anders.
S.I.: Und zu allerletzt, was gibt es Neues von dir, erzähle! Kannst
du wieder auf Lesetour gehen und wo können wir etwas über
dich erfahren?
A.M.: Ja, es geht endlich wieder los. Zwar bin ich in diesen Tagen
noch zur Reha im Norden der Republik, aber ab Juni ist wieder
Showtime. Im Juni in Berlin, im Juli in Elmshorn, Hamburg, Lübeck
und Bremen usw. usw. Am besten schaut man auf meine
Website. Ich versuche, dass dort alle Termine aktuell sind. Der
Aufbau Verlag hat auch meine Termine auf seiner Website. Da
lohnt sich der Blick auch.
Webpage von Anja Marschall
(Da geht der Sound ab!)
Hier der Link zur Rezension: Lizzis letzter Tango
Hier der Link zur Blogtour: Lizzis letzter Tango
Zu den anderen Interviews
wir haben bereits in München
beim LKA trainiert
Bei der Verleihung der goldenen
Auguste mit Nina George und der
Vorsitzenden Janet Clark