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Autorin Sabine Ibing
Interview mit Anja Marschall (von Sabine Ibing) Heute stelle ich euch Anja Marschall vor, eine Hamburger Deern. Sie hat sich mit „Fortunas Schatten“ ( für den HOMER Literaturpreis 2014 nominiert), einem historischen Kriminalroman, der im 19. Jahrhundert in Glückstadt spielt, einen Namen gemacht. Anja Marschall arbeitet als Publizistin und freie Journalistin für Tageszeitungen und Magazine, obwohl sie in ihrem „früheren“ Leben für die Forschung arbeitete, ihr Studium als Kioskfrau an den Landungsbrücken in Hamburg finanzierte und Apfelpflückerin in Israel war sowie Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel. Seit 2007 schreibt sie Kurzgeschichten, die in Anthologien in verschiedenen Verlagen erschienen sind. Seit 2012 sind mehrere Bücher von ihr erschienen. Wer Anja kennenlernt, stellt schnell fest, dass diese lebenslustige Frau voll Power steckt. Sie kommt immer fröhlich daher, hat stets einen Witz auf den Lippen. S.I.:  Kann Anja Marschall einfach nichts tun, nur so dasitzen, mehr nicht? A.M.:  Unmöglich! Das ist Segen und Fluch zugleich, wenn ich Sherlock Holmes und Monk zitieren darf. Nach außen mag ich manchmal „ruhig“ wirken, aber die Doppelfalte zwischen meinen Augen sagt den Kennern um mich herum: Die Frau brütet schon wieder etwas aus. Jetzt nur nicht stören. S.I.:  Gibt es eine unglückliche Anja? Wie machst du Traurigkeit und Wut mit dir aus? A.M.:  Oh, das ist ein heikles Thema. Ich bin leidenschaftlich wütend. Dann zetere ich und verfluche die Dummen, und die Doofheit der gesamten Nation im ganz Speziellen. Ich beruhige mich dann aber auch wieder schnell. Nur, wenn ich mit Ungerechtigkeiten konfrontiert werde – dabei ist es egal, ob gegen mich oder andere -, dann werde ich nachhaltig fuchsig. Dann dauert es länger, bis der Sturm vorbeigezogen ist. Traurigkeit? Ganz ehrlich? Kenne ich nicht. Jedenfalls ist sie kein Gefühl, welches öfter bei mir zu finden ist. Ich zweifle manchmal an mir oder an meinem Sein, doch nur ganz selten. Gerade mal so oft, dass ich sagen kann: „Alles ok. Ist nur PMS.“ Geht dann auch ganz schnell wieder weg, weil ich viel lieber gut drauf bin. Wer depri ist, kann die Welt nicht rocken. Der tanzt nur um seinen eigenen Bauchnabel herum, den er im günstigsten Falle zu Literatur verarbeitet.  Und diese „Bauchnabelwelt“ ist mir zu klein. S.I.:  Du hast auch in Großbritannien und Irland gelebt, in Hampstead Heath in einem altertümlichen Herrenhaus, a la Pilcher. Zieht es dich auf die Inseln zurück? A.M.:  Jo! Und wie. Wenn es so etwas wie ein „früheres Leben“ gibt, dann bin ich Britin, Irin oder Schottin gewesen. Da ich gerne Whisky trinke wohl eher Schottin. ;-) S.I.:  Was hat dir dort besonders gefallen. Und was empfindest du in Schleswig-Holstein als angenehmer, deiner derzeitigen Heimat? A.M.:  Bei den Briten habe ich hinter der vornehmen Fassade den Menschen gesucht. Und gefunden. Die Briten sind ein wenig steif. Nicht umsonst sagt man von Hamburg, das es die britischste aller Städte dieser Welt ist. Als ich einmal Prinz Charles auf dem Hamburger Rathausbalkon bei seiner (auf Deutsch gesprochenen) Rede gehört habe, schaute ich mir die Gesichter der tausenden (!) Leute an, die zu ihm hochsahen. Wow, wir Hanseaten sind royaler als die Briten selber. ;-) Ich bin mir sicher, dass – sollte GB irgendwann die Monarchie abschaffen – die britische Königin nebst Familie in Hamburg sofort Asyl bekommen würde. ;-) Die Schleswig-Holsteiner sind von der eher reservierten Mentalität ähnlich wie die Hamburger. Darum landete ich hier. Außerdem war es nicht wo seit bis zu meiner Arbeit, denn damals arbeitete ich noch in Hamburg. S.I.:  Du sagst von dir, du schreibst gegen den Mainstream. Nach deinen geschichtlichen Themen, bist du in Hamburg im Jetzt angekommen. Deine Hauptfigur heißt Lizzi, eine Rentnerin im betagten Alter. Und die ist natürlich schräg! A.M.:  Ich schreibe nicht „gegen“ den Mainstream, sondern immer zehn Zentimeter daneben. Ich will nichts beweisen, aber auch nicht aalglatt mit dem Stream schwimmen. Ich habe eine alte Dame, die ermittelt. Na, da denkt doch jeder gleich an Miss Marple. Doch meine Lizzi strickt nicht, sondern trinkt selbstgebrannten Schnaps. Sie ist auch keine Jungfer, sondern Witwe eines Hamburger Kleinganoven. Sie lebt auch nicht in einem schnuckeligen Cottage, sondern wohnt in der teuersten Seniorenresidenz der Stadt. Und das, obwohl sie es sich gar nicht mehr leisten kann, nachdem jemand ihr „Erspartes“ geklaut hat. Ein „Erspartes“, das in Wahrheit die Beute eines Überfalls ist, den ihr Mann kurz vor seinem Tod beging. Ja, ja, Lizzi nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau wie Miss Marple. Das wiederum ist für Ex-Kommissar Pfeiffer – mit drei f – manchmal schwer zu ertragen. Er ist in Lizzi verliebt, traut sich aber nicht an die „schöne Kaktusblüte“ ran. Tragisch bis lustig.   S.I.:  Wenn ich an meine große Verwandtschaft denke und an die 500 Freunde meiner Eltern, so fällt mir kein Kopftuch ein. Ich hatte das Glück, lange mit Urgroßmüttern/tanten, Großmüttern/tanten aufzuwachsen und keine trug ein Kopftuch. Die Generation meiner Eltern, also die um die 80 heute, ist eher die modebewusste Generation. Bei uns ließ das wieder nach. Wie kamst du auf die Idee, Lizzi ein Kopftuch zu verpassen?  Und das bei der Kopftuchdiskussion heutzutage! A.M.:  Genau deswegen! Das Kopftuch hat heute eine andere Bedeutung, als damals, zu Zeiten, als Lizzi jung war. Damals galt es, die Frisur nicht zu ruinieren. Heute wird damit ein religiöses Statement verbunden. Das arme Kopftuch. Es kann doch nichts dafür. Lizzi trägt Kopftuch als Protest! Gerade weil die Alten heute „jung, dynamisch, perfekt gestylt, frisch verliebt, drittezähestrahlend und abenteuerlustig“ sein müssen – sagt jedenfalls die Werbung–,  wird ein Druck auf die Generation 60plus ausgeübt, den Lizzi sich versagt. Sie will nicht Action in ihrem Leben haben, weil Sportbekleidungsfabrikanten dann besser verkaufen. Sie will nicht „frisch verliebt in den Sonnenuntergang fahren“, weil TUI Kreuzfahrten verkloppen will und ParShip einsame Seelen sucht. Sie will tun, was sie will. Und nicht, weil andere sagen, sie müsse es, weil es sich so gehöre. Niemand muss mit 80 Jahren noch Bergwandern gehen. Nach 50 Jahren Erwerbsleben hat jeder das Recht, endlich frei zu sein. Ich plädiere mit Lizzi also für die Freiheit der Alten. Emanzipiert euch vom Jugendwahn, zellulitefreie Oberschenkel und „dem neuen Anfang“, wenn ihr all das nicht wollt. Tragt Kopftücher, damit eure Frisur nicht vom Hamburger Wind ruiniert wird. Tragt flache Schuhe, weil es bequem ist. Tragt ´nen Trenchcoat, weil es in Hamburg immer nieselt. Gönnt euch doch endlich mal, ihr selbst zu sein. Tscha, das ist die Message. S.I.: Du hast ein Herz für schräge Vögel und skurrile Charaktere in allen Büchern. Was davon steckt in Anja? A.M.:  Alles! Ich bin auch immer zehn Zentimeter neben dem Mainstream. Wenn ich einen Witz in einer Umgebung mache, wo man mich nicht so gut kennt, wundert es mich nicht, wenn die Blicke plötzlich verstört sind. Der eine, der lacht, das ist jener, mit dem ich mich weiter unterhalten werde. Ich mag meine Macken und erkläre ihnen täglich, dass ich sie liebe.  Mainstreamlächeln in die Kamera. Toll, wenn man das als Autorin drauf  hat. Die Bücher verkaufen sich dann gleich dreimal besser. Denken wir an den Autor, der als Unterhosenmodel für seine Bücher warb. Jeah. Schmuckes Kerlchen. Dass er „schwarmweise“ Bücher verkauft, liegt auch an seinem Mainstreamlächeln, den perfekten Zähnen und der Unterhose. Ich bin lieber schräg. Ich mag mich so. Und Lizzi mag ich auch. Wenn ich mal alt bin, will ich auch so sein. S.I.:  Du bist Vizepräsidentin der „Mörderischen Schwestern“, verantwortlich für die Bereiche Kommunikation und Presse, direkte Vertretung der Präsidentin, Ansprechpartnerin für interne und externe Kommunikation, inklusive Morido. Warum engagierst du dich gerade hier? Und überhaupt? „Mörderischen Schwestern“? Trefft ihr euch, um Morde zu planen? A.M.:  Hihi, als ich das erste Mal von den Mörderischen Schwestern hörte, dachte ich an killende Nonnen. Ist aber nicht so. Bei den Schwestern sind knapp 500 Frauen versammelt, die Krimis lieben. Sie müssen sie nicht schreiben. Lieben reicht. Dass dennoch die meisten von uns Autorinnen sind, ist jedoch mehr als nur ein Zufall. Wir fördern junge Autorinnen explizit, indem „alte Häsinnen“ die Jungen (hierbei geht es nicht um das Alter!) an die Hand nehmen. Dazu haben wir vor Jahren unser Mentorinnenprogramm gestartet. Es werden online Fach- Seminare zum Schreiben angeboten, es gibt Schreibgruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Man organisiert gemeinsam Lesungen von Klein-Kleckersdorf bis Berlin, Wien, Zürich. Einmal im Jahr treffen wir uns zum fachlichen Austausch und zum Klönen. Denn auch das ist wichtig, weil Schreiben ein verdammt einsamer job ist, wenn man es hauptberuflich macht. Und die Familie ist nicht immer der beste Gesprächspartner, wenn man mal im Plot hakt, der Prota ein Depp ist und nicht tut, was er soll. Da braucht man Kolleginnen, die wissen, wovon man redet. Tja, und ich bin seit 2005 dabei. Erst nur als beeindruckte Zuhörerin, dann also vorsichtige Kurzgeschichtenschreiberin und dann als „richtige“ Autorin. Heute kann ich mein Wissen an die Neuen weitergeben. Und das fühlt sich gut an. Ich persönlich verdanke den Mörderischen Schwestern viel. Sie haben mir in meinen Anfängen Mut gemacht, mich vor Fehlern bewahrt, mir aus Krisen geholfen und Erfolge mit mir gefeiert. Bei den Mörderischen Schwestern geht es nicht um Konkurrenz – die belebt höchstens das Geschäft. Nein, es geht um Verständnis, in den Arm nehmen, gemeinsam freuen und ein großes Ziel haben. Welches? Nun, wenn Frauen Krimis schreiben, denken viele Leute noch immer an Hausfrauen, die zwischen Windel wechseln und Mittagessen kochen „mal eben“ einen kleinen Krimi zusammenfantasieren. Die Mörderischen Schwestern sind angetreten zu zeigen, dass Frauen mindestens so professionell wie Männer fiktiv morden können. Und seit Neustem mischen wir hart mit, wenn es um die Änderung des Urheberrechts geht, wenn es um Verdiensteinbußen für Autoren (auch Männer!) durch ebook-Piraterie geht, wenn es um das Selbstverständnis des deutschen Krimis generell geht. Oh je, ich rede zu viel. ´schuldigung. S.I.:  Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen leidlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung du Schwierigkeiten hast? Vermeidet man solche Szenen schlicht, bevor man dahinholpert? A.M.:  Ich bin Hamburgerin und ein wenig verklemmt. Sexszenen sind bei mir rar gesät. Ebenso Meuchelszenen und Splatterei. Bei mir wird keine Jungfrau in einer Telefonzelle vergewaltigt, durch den Häcksler gejagt und dann als Thriller verkauft. Sorry, nicht mit mir. Mir liegen die Charaktere und ihre Widersprüchlichkeiten. Die Umstände, die sie zwingen Dinge zu tun, die sie eigentlich nicht tun wollten. Bei mir gibt es keine Massenmörder (gähn) und auch keine Kindervergewaltiger oder Irre, die junge Frauen in Keller einsperren (nochmal gähn). S.I.:  Aber bitte keine Sexszenen mit Lizzy!  ;-)) A.M.:  Naja, hier muss ich schon wieder eine Einschränkung machen. Im nächsten Lizzi-Buch, das im Juni unter dem Titel „Lizzi und die schweren Jungs“ erscheinen wird, muss Lizzi sich vor der Polizei in einem Sexshop auf der Reeperbahn verstecken. Weißt du, was ein Love Session Pointer ist? Oder eine Rhapsodia Violetta? Na, dann lies „Lizzi und die schweren Jungs“. Das bildet ungemein. ;-) Übrigens wird wahrscheinlich die Premierenlesung von „Lizzi und die schweren Jungs“ auf der Reeperbahn stattfinden. Lustig, gelle. S.I.:  Lachst du beim Schreiben? A.M.:  Ja, gerne. S.I.:  Wenn du frühere Werke von dir mal wieder anliest, würdest du sie wieder genauso aufbauen und in dieser Art schreiben? A.M.:  Ich lese meine letzten Bücher möglichst nicht mehr in einem Stück. Für Lesungen suche ich mir raus, was ich brauche. Mehr nicht. Grund: Mir fallen so viele Dinge auf, die ich schon drei Wochen später anders machen würde, dass es mich nur frustrieren würde, alles noch einmal zu lesen. Ich befinde mich da in bester Gesellschaft mit so manchem Weltbestseller und Nobel-Literarten. Wir schämen uns, wenn wir im Nachhinein merken, dass man dies oder jenes hätte noch besser machen können. S.I.:  Du hast dich 2013 an die Übersetzung des Krimiklassikers „Lady Audleys Secret“ herangewagt. Übersetzen ist etwas Anderes als erfinden, aber sicher kein einfaches Unterfangen. Was ist die Schwierigkeit des Übersetzens von Literatur? A.M.:  Ich sehe mich nicht als Übersetzerin. Nicht ohne Grund ist es ein langwieriges Studium. Nein, ich sehe mich als Autorin mit Fremdsprachenkenntnissen. So gehe ich auch an das zu übersetzende Buch ran. Lady Audley, zum Beispiel, erschien 1862 und war das, was man heute als Megabestseller beschreiben würde. Doch damals schrieb man anders als heute. Dinge, die dem Künstler wichtig waren, wurden wiederholt, und wiederholt und wiederholt. Da fällt das „goldene Haar“ auf über sechshundert Seiten dreihundertmal über die linke, wahlweise auch rechte Schulter. Ein Übersetzer würde nie, nie, niemals am Originaltext etwas ändern. Ich schon. Ich bin ja Autorin.  Ich habe der Kollegin Mary Elisabeth Braddon (sie schuf „Lady Audleys Secret“) ein hartes Lektorat verpasst. So wurden aus 600 Seiten 320. Jetzt fällt das goldene Haar einmal über die Schulter und gut ist. Und andere Sachen fielen auch weg. Nachdem „Das Geheimnis der Lady audley“ so super eingeschlagen hat, planen der Verlag und ich weitere Übersetzungen historisch-britisch-krimineller Literaturperlen. Ist eine große Ehre für mich! S.I.:  Ist ein Buch erst einmal erschienen, hat der Autor keine Kontrolle mehr darüber. Wie stehst du zu dieser These? A.M.:  Ein klares JNEIN. Ich hatte bisher Glück und hatte gute bis sehr gute Lektorinnen. Mit ihrer Hilfe wurden die Texte besser. Ich hatte Glück, dass ich bisher Verlage hatte, deren Ziel auch meines war: Ein tolles Buch machen, dass möglichst viele Menschen lieben werden. Ich hatte bisher Glück, an Verlage zu gelangen, die wunderbare Cover gemacht haben. Das Cover von „Fortunas Schatten“ hat sogar einen Preis gewonnen. Aber auch die Lizzi-Serie hat peppige Cover mit Humor. Hätte ich grafische Talente – die ich nicht habe -, dann hätte ich genau die Cover meiner Lizzi verpasst, welches der Aufbau Verlag für „Lizzis letzter Tango“ und „Lizzi und die schweren“ Jungs auswählte. Wie gesagt, ich hatte bisher Glück. Ich kenne Kollegen, die sind kreuzunglücklich. Da kommt eine mittelalterliche Schönheit auf ein Cover mit einem Text darinnen, der dreihundert Jahre später spielt. Die Autoren leiden dann, weil sie ihre Geschichte verraten fühlen und finden, dass der Verlag den Leser verar… aber, dass ist mir noch nicht passiert. S.I.:  Heutzutage verliert der Autor ja oft schon vor Vertragsabschluss die Kontrolle, da das Marketing und die Lektoren einzelne Teile des Romans „marktfähig“ umstrukturieren wollen, auf Titel und Cover hat man keinen Einfluss. Wie ist deine Meinung dazu? A.M.:  „Normale“ Autoren in großen Verlagen – zu denen ich ja nun auch gehöre, nachdem ich einige Jahre für kleine Verlage geschrieben habe – bekommen kein Marketing. Sorry. Wer glaubt, als Midlistautor Lesungen vermittelt zu bekommen oder Anzeigen vom Verlag geschaltet …. Lach. Das sind die Privilegien der Spitzentitel. Und in diese Position schaffen es die allerwenigsten. Doch ist man erst einmal in so einer besonderen Position bei einem Verlag, steigt der Druck. Die Verkaufszahlen müssen stimmen. Und wehe wenn nicht. Dann ist aber Schluss mit Anzeige, VIP-Karte für die Messe, Lesungen und Radiointerview. Nein, ich selber bin für die Kernertour. Ich komme von kleinen Verlagen und habe mich hochgearbeitet. Bei den großen Verlagen muss ich jetzt wieder asten, um nachhaltig bei den Profiautoren mitmischen zu können. Die Luft wird dünner, aber dafür würziger. Ach übrigens: Das jemand in meinem Text herumfuscht, um ihn „marktfähiger“ zu machen, habe ich noch nicht erlebt.  S.I.:  Welchen Teil der Tageszeitung liest du zuerst? I.M.:  Ich lese Tageszeitungen wie Bücher. Immer von vorne nach hinten. S.I.:  Welcher hartgesottene Held welches Romans dürfte dich in den Untergang führen? A.M.:  James Bond, aber nur wenn er aussieht wie Sean Connery vor vierzig Jahren. ;-) Daniel Craig ginge auch. Aber ich glaube, der steht auf jüngeres Gemüse. S.I.:  Welche Romanfigur würdest du gern mit eigenen Händen umbringen, weil sie dich so aufgeregt oder genervt hat? A.M.:  Die  Pruseliese bei Pippi Langstrumpf. Wie kann man nur so kinder-doof sein? Ich würde übrigens gerne mal einen Roman für Kids zwischen 9 und 12 schreiben. S.I.:  Stell dir vor, wir beide planen einen Raubüberfall.  In welchem Fluchtwagen wären wir unterwegs und welche Bewaffnung hätten wir uns gewählt? Was ist unsere Tarnkleidung? Bitte kein Kopftuch! A.M.:  Fluchtwagen wären Fahrräder. Stattfinden würde alles in NY zur rushhour. Darum ja auch Fahrräder. Als Bewaffnung könnte ich mir einen Ghettoblaster vorstellen, der gaaanz hohe Töne von sich gibt, die den Leuten in den Ohren wehtun. Ich habe nämlich noch nicht gehört, dass hohe Töne vor Gericht als Waffe gelten. Überfallen würde ich eine internationale Bank, denen ich die Briefmarken klaue oder den Getränkeautomaten. (Ok, wir brauchen für das Fahrrad noch einen Anhänger) Geld ist bei denen ja nicht mehr zu holen, seit Geld nur noch virtuell von Banken verbraucht und auf Wunsch nach Panama geschickt wird. Tarnkleidung? Fußballtrikots wären mal was Neues. S.I.:  Jetzt möchte ich nochmal ernst werden. Du hattest Ende letzten Jahres einen schweren Autounfall. Jemand ist euch in die Seite gefahren und du hast verdammt viel abbekommen. Langer Aufenthalt im Krankenhaus, bewegungsunfähig mehr oder weniger. Viele OP’s liegen hinter dir und einiges wird nicht wieder werden wie vorher. Was macht solch ein Erlebnis mit einer agilen Frau? Zumindest ist dein Frohsinn erhalten geblieben. A.M.:  Ja, mein Humor hat mich oft über Tränen getragen. Das war gut. Ich habe auch gemerkt, dass ich eine wunderbare Familie habe. Erst dachte ich, mein Mann würde an der Situation zerbrechen – nicht ich. Doch ich stellte fest, sie hat ihn stärker gemacht. Dann machte ich mir Sorgen, wegen des Kindes, aber auch sie wurde stärker dadurch. Und ich? Naja, ich bin froh, dass ich das Krankenhaus vorläufig hinter mir habe, dass ich Verletzungen an Stellen hatte, die mich zumindest vom Schreiben nicht abhalten konnten und dass ich – das war wirklich der Hammer! – so viele Freunde und Fans habe. Ich habe seit dem Unfall hunderte von Karten und Briefen bekommen und bekomme sie noch immer. Unzählige Blumenlieferungen standen in meinem Zimmer. Der Paketbote hat´s mittlerweile im Rücken. Anrufe von Leuten, die ich überhaupt nicht kenne, und die nur schnell mal alles Gute sagen wollten. Wahnsinn. S.I.:  Hat man Wut auf den, der Schuld ist? Wie geht man damit um, wenn man unschuldig in eine solche Situation gerät? A.M.:  Ja, ich bin wütend, aber nicht mehr so wütend, wie ich am Anfang war. Es wird weniger. Ich war wütend auf die Verursacherin, die sich bis heute nicht bei mir gemeldet hat. Nicht, dass ich dadurch schneller gesund würde –werde ich so oder so nie wieder -, aber dass diese Person keinen Stil hat, ärgerte mich dann doch. Jedem kann ein Fehler im Autoverkehr passieren. Auch mir. Aber, wenn man Mist baut, muss man dazu stehen. Das gebietet die Würde vor dem Opfer und vor sich selbst. S.I.:  Hast du nun Angst, wenn du dich in ein Auto setzt? A.M.:  JNEIN. Ich fahre zwar wieder – weil es hier auf dem Land nicht anders geht -, aber ich fahre sehr vorsichtig. Überall sehe ich Gefahren. Was ist, wenn der Hund da drüben sich gleich losreißt oder das Kind an der Hand der Mutter? Was ist, wenn aus der Ausfahrt gleich einer herausschießt? Ich lerne damit zu leben. Aber die Erlebnisse durch den Unfall, die Ängste, die Krankenhauserfahrungen, die Drogenträume, …. All das hat mich zu einer neuen Thrilleridee gebracht, die ganz anders als Lizzi & Co sein wird. Ganz anders. S.I.:  Und zu allerletzt, was gibt es Neues von dir, erzähle! Kannst du wieder auf Lesetour gehen und wo können wir etwas über dich erfahren? A.M.:  Ja, es geht endlich wieder los. Zwar bin ich in diesen Tagen noch zur Reha im Norden der Republik, aber ab Juni ist wieder Showtime. Im Juni in Berlin, im Juli in Elmshorn, Hamburg, Lübeck und Bremen usw. usw. Am besten schaut man auf meine Website. Ich versuche, dass dort alle Termine aktuell sind. Der Aufbau Verlag hat auch meine Termine auf seiner Website. Da lohnt sich der Blick auch. Webpage von Anja Marschall (Da geht der Sound ab!) Hier der Link zur Rezension: Lizzis letzter Tango Hier der Link zur Blogtour: Lizzis letzter Tango Zu den anderen Interviews
wir haben bereits in München beim LKA trainiert
Bei der Verleihung der goldenen Auguste mit Nina George und der Vorsitzenden Janet Clark