Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Bernd Daschek
(von Sabine Ibing)
Nun habe ich es mit einem Philosophen zu tun. Welches ist dein Liebling
dieser Herren, viele Frauen sind ja nicht dabei. Bitte so erklären, dass es alle
verstehen. ;-))
Bernd: Bei mir sind auch Frauen dabei. Zunächst, obwohl sie es oft abstritt,
Philosophin zu sein: Hannah Arendt. Mit „Elemente und Ursprünge totaler
Herrschaft“ hat sie für mich das Basiswerk für Systemvergleiche
geschrieben und anderes mehr, das tiefe Spuren in meinem Denken
hinterließ. – Tja, und dann gab es noch Sabine, ein wunderbares,
hochintelligentes und süßes zwölfjähriges Mädchen mit Asperger-Syndrom,
das mir, dem elfjährigen Jungen, mehr über Philosophie in einem Jahr
beibrachte, als es zwölf Uni-Semester je vermocht hätten. Sabine ist für mich
die personifizierte „Liebe zum Denken“, die größte Lehrerin des Lebens. Als
ich vor 15 Jahren das letzte Mal von ihr hörte, lehrte sie übrigens in der
Schweiz. Die Liste meiner anderen Lieblinge wäre sehr lang, aber einer muss
es mir besonders angetan haben. Das meinten jedenfalls die Lehrerinnen
meiner beiden Töchter. Als diese in der Schule erstmalig mit Platon in
Berührung kamen, soll es unisono aus ihnen herausgebrochen sein: „Das ist
Papa! Der macht das genauso! Und nachher meinst du, so hast du schon
immer gedacht.“
Wie kommt man von der Elektrotechnik zu Geschichte und Philosophie?
Bernd: „Ich war jung und brauchte das Geld“, könnte ich als Grund angeben,
als ich zum Entsetzen meiner Freunde die Schule abbrach und eine
Ausbildung begann. Aber ich hatte einen Kindheitstraum und der hieß:
Rallyefahrer werden. Das kostete Geld und semi-professionell ausgeübt,
deckte es in guten Zeiten geradeso die Kosten. Jedoch erfüllte ich mir
meinen Traum, und die Erfahrungen, die ich im industriellen Berufsleben
sammelte, das mich auch noch um die halbe Welt führte, möchte ich nicht
missen. Für die meisten ist das ja auch die „richtige“ Welt, im Gegensatz zum
wissenschaftlichen Elfenbeinturm. Doch privat waren meine Beziehungen
zum Denken und den Denkern immer eng. „Es gibt kein richtiges Leben im
falschen“, meinte Adorno und hat recht damit. Deshalb nutzte ich meinen
Karrierestillstand und ging nach der Geburt unseres zweiten Kindes in die
Familienphase, während der ich abends mein Abitur nachholte und
anschließend im Doppelstudium meinen Lieblingen frönte: Latein, Politik,
Geschichte, Philosophie. Krankheitsbedingt musste ich dieses jedoch später
auf die Kombination Geschichte und Philosophie beschränken.
Und wie kommt man dann dazu, Bücher zu schreiben, die, na ja, früher
unter dem Ladentisch gehandelt wurden, Erotikliteratur?
Bernd: Da muss ich ganz unten mit der Erklärung anfangen. Politik,
Philosophie und Sexualität sind für mich das Gleiche. Klingt bestimmt komisch,
aber der Gedankengang beruht auf der Basis, dass eine selbstbestimmte,
herrschaftsfreie Sexualität zu einer besseren Welt führt. Wir, eine Gruppe
junger Menschen haben dies im Selbstversuch getestet und analysiert, quasi
als Forscher und Untersuchungsobjekt zugleich. Es funktionierte über Jahre
hinweg - gelebte Anarchie, und hat zu sehr vielen Erkenntnissen geführt.
Das Scheitern hatte dann Ursachen, die wir nicht selbst bestimmen konnten.
Deshalb halte ich den Gedanken und den Weg weiterhin für richtig. Davon
und über die Zeit, in der das Experiment stattfand, will ich schreiben. Es ist
meine Hauptmotivation als Autor, die in der Reihe: „Micha – Notizen vom
Planeten West-Berlin“ Ausdruck finden soll. Alles andere sind – besser,
sollten sie werden – Fingerübungen, um die literarische Reife für die
Umsetzung zu erlangen. Sex spielt dabei eine Rolle, keine überragende,
aber eine wichtige. Nun sollte ein Autor nicht nur Ahnung von dem haben,
über das er schreibt – hab ich – sondern auch beschreiben können. Kaum
etwas ist schwieriger, als Sex abwechslungsreich und gut zu beschreiben.
Leider ist es so, dass eine detaillierte Sex-Beschreibung, selbst in einem 500
Seiten Roman, diesen sofort in die Erotik Ecke bringt und auch zu
Ablehnungen bei Verlagen führt. Nun gut, dachte ich, machst’e halt Erotik
und erfand meine Sex & Crime Reihe. Sie sollte zudem das erfüllen, was
Rezensenten immer wieder fordern: Eine richtige Geschichte soll erzählt
werden. Da sieht es in diesem Genre wirklich traurig aus. Mittlerweile habe
ich mich jedoch ein bisschen in dieses Schreiben verliebt. Extravagante
Handlungen und Charaktere zu kreieren, macht unglaublichen Spaß, und
entwickelte sich von der Fingerübung zum festen Bestandteil meines
Schreibens.
Gebe ich bei Amazon deinen Namen ein, so wird mir dein Buch „Auf
Mädchenart“ nicht angezeigt. Ich muss schon den Buchtitel eingeben. Ist es
schwierig Erotik zu vermarkten, bei Amazon, im Buchhandel? Sogenannte
Schmuddelliteratur hat doch einen Markt. Wie kommt man dort hinein?
Bernd: Vor einem Jahr hat mich das noch geärgert. Ich verstehe bis heute
nicht, warum es außergewöhnlicher sein soll, einen alltäglichen Vorgang,
jedenfalls bei glücklichen Menschen, wie Sex, genauso detailliert zu
beschreiben, als ob man über’s Kochen oder Angeln schreibt. Mal ehrlich -
die Hauptaufgabe eines belletristischen Autor ist es, beim Lesen Gefühle
hervor zu zaubern: Freude, Trauer, Angst, Entsetzen, Staunen usw. Da
weigere ich mich, die Erregung auszuklammern. Warum sollte ein Roman
nicht an- und erregen. Wenn man es schafft, Gefühle zu wecken, ist es
immer gute Literatur. „Schmuddel-Berni“, darüber kann ich heute nur noch
schmunzeln, denn ich habe ja in fast jedem Genre veröffentlicht; vom
Vorlesemärchen über das politische Essay bis hin zur Alltagsgeschichte. Die
Vermarktung meiner Erotik steckt noch in der Versuchsphase und leidet ein
wenig unter ihrem Fehlstart, den ich nun als Selfpublisher ausbügeln
möchte. Die ersten beiden Romane waren einfach schlecht platziert und
litten unter der vom Verlag vorgegeben Kürze. „Erziehung zur Freiheit“
sollte als BDSM-Geschichte auf der „Shades of Grey“ – Welle reiten. Er ist
aber ein Gegenstück dazu, wahre Gefühle, und keine unrealistische
Fantasie, zudem geht auch etwas schief. „Auf Mädchenart“ ist eine super
Geschichte, was mir von vielen Seiten bestätigt wurde, aber nichts für
ländliche Krimi-Leser, die Pater Braun erwarten. Neben dem stand er im
virtuellen Regal. Nun nehme ich beide Erstlingsromane vom Markt, und
meine liebenswert böse Luzie aus „Auf Mädchenart“ bekommt 2016 in
angemessener, dreifacher Länge ihren Neustart. Für meinen letzten Erotik-
Roman „Die Milch macht’s“ muss ich noch eine passende Marketingstrategie
finden. Da er gut ist, wird auch sein Erfolg nicht ausbleiben.
In diesem Sommer ist dein Roman „Heimflug ins Ungewisse“ erschienen, den
du mit Claudia Wieland gemeinsam geschrieben hast. Hier geht es um einen
Flugzeugabsturz und dem daraus resultierenden Kampf der Überlebenden.
Eine spannende Geschichte. Wie weit geht der Mensch, wenn er muss. Wie
viel Tier bleibt übrig?
Bernd: Es war mein erster Roman, den ich als autodidaktischer Selfpublisher
herausgegeben habe - ständig in der Angst, alles falsch zu machen, was
man falsch machen kann. War dann gar nicht so. Kleine Layoutfehler im E-
Book, die mir bis heute ein Rätsel bleiben, und halt mein Versuch, die
Lektorin in die Titelzeile zu bekommen. Ich halte das Lektorat bei einem SP-
Roman für ein Qualitätsmerkmal. Nun kennt CreateSpace den Lektor als
„ad“, in Deutsch wird aber fälschlicher Weise „Herausgeber“ angezeigt. Als
SP-Versuch, wollte ich zunächst eine Geschichte herausbringen, der ich nur
geringe Chancen auf Erfolg gab. Ich rechnete sogar mit einem Totalverriss,
da sie bewusst gegen den Mainstream vom „natürlichen“ Gegeneinander
geschrieben wurde. Da hilft es auch nichts, dass die Katastrophenforschung
mich bestätigt, die Leute wollen etwas über Machtkampf und Diktatur lesen,
dachte ich. Dann provozierte ich auch noch mit einem simplen Cover, gegen
die Tendenz im Genre, möglichst aufwendige Bilder dort zu platzieren. Der
Erfolg von „Heimflug ins Ungewisse“, wochenlang auf Platz 2 in „Populäre
Belletristik > Politik“ und Platz 1 bei den Neuerscheinungen in der Rubrik,
überraschte mich dann positiv. Ein Hoffnungsschimmer bei meinem
literarischen Kampf, ein Miteinander unterhaltsam zu propagieren.
Du schreibst nicht allein. Wie schreibt man gemeinsam an einem Roman?
Man kann ja nicht gemeinsam Sätze verfassen, Stück für Stück. Sitzt man
zusammen und entwickelt einen Plot und jeder schreibt einen bestimmten
Teil?
Bernd: Wie bereits erwähnt, schreibe ich zurzeit allein. Jedoch gab es
mehrere Ansätze mit meiner Frau, die bereits seit einiger Zeit erfolgreich
schreibt, etwas gemeinsam zu gestalten. So planten wir einen Roman über
das Zusammenlaufen einer Ost- und Westvita: „Zwischen Kiez und
Kreidefelsen“. Dann begannen wir eine skurrile Geschichte, die „Im Himmel
der First Ladies“ spielt. Jeder bekam Charaktere, wie beispielsweise Lotte
Ulbricht oder Hannelore Kohl, die dann im Roman interagieren sollten.
Dazwischen setzten wir noch eine deplatzierte Elfriede Jelinek, was den
Spaßfaktor erhöhte. Wegen der beruflichen Belastung meiner Frau wurde
daraus erst einmal nichts. Im letzteren Fall war das sogar gut, denn dies
sollte ein Beitrag für einen hochdotierten Österreichischen-Literaturpreis
werden, bei dem dann meine Frau mit ihrem Roman-Manuskript „Polareule“,
ein Polit- und Umweltkrimi, der in Russland spielt, im Finale stand. Sollte sich
bis Jahresende kein Verlag oder Agent finden, weil der Roman in keine
Genre-Schublade passt, werde ich ihn herausgeben.
Hast du eine Flugphobie?
Bernd: Nein, aber genügend technisches Wissen, dass diese fliegenden
Kisten mit größtmöglicher Effizienz zusammengebaut wurden. Ich flieg
lieber im Drift und mit 130 km/h per Rallye-Wagen ein paar Millimeter an
Bäumen vorbei, als in 10.000 m Höhe, getrennt von ein paar Millimetern
Irgendetwas vom freien Fall, passiv dazusitzen. Jedenfalls atme ich nach
der Landung tief durch und freu mich auf die Entspannungszigarette.
Was bedeutet es für dich, Autor zu sein? Womit kämpfst du als Selfpublisher,
was sind die Freuden?
Bernd: Freiheit, Freiheit, Freiheit. Mit meinem Lieblingswort gleich drei
Fragen beantworten zu können, ist wirklich prima. Nachdem ich es
aufgegeben habe, in Wissenschaft und Schulwesen etwas bewirken zu
können, möchte ich meine Botschaften unterhaltsam über Bücher
verbreiten. Der ständige Kampf um den Leser, deren Gehör zu finden, ist
anstrengend und oft auch nervig, weil ich lieber nur schreiben würde. Doch
auch beim Marketing, alles selbst in der Hand zu haben, selbständig zu sein
und von niemandem abhängig, ist wunderbar. Dabei die Ziele, Regeln und
Inhalte eigenständig zu bestimmen, ist genau das: Freiheit.
Du machst einen lebensfrohen Eindruck, den eines Genießers. Was sind
deine Lieblingsgerichte?
Bernd: Filet Mignon mit Steinpilzen und Kroketten, dazu Chateau Lafitte,
aber es müsste nicht Rothschild sein, es ginge auch Mengin, äh, zur Not. –
Jedenfalls in meinen Romanen: Das eine kocht Sabine meinem Protagonisten
„Micha“ in Band 2 der Reihe, das andere bestellen Mia und Pia in „Die Milch
macht’s“. Das Gourmet-Dasein überlasse ich meinen Romanfiguren, im
wahren Leben bin ich eher ein Gourmand, was meine augenblickliche
Leibesfülle erklärt. Ein schönes Steak mit Kräuterbutter oder gute asiatische
Küche können mich erfreuen.
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber verraten?
Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden wir die Termine?
Bernd: In wenigen Wochen werde ich meine „Nonkonformismussocken –
politische Glossen und Essays aus dem Niemandsland“ herausbringen. Das
ist eine Sammlung von Artikeln, die, teilweise prämiert, in Anthologien oder
nationalen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht wurden.
Spätestens bis Jahresende sollen kurz hintereinander die beiden ersten
Bände von „Micha – Notizen vom Planeten West-Berlin“ erscheinen.
Band 1 – „Eine Inselkindheit im Roten Meer“ und Band 2 - „Der erste Frühling
hieß Kerstin“. Sie erzählt die Lebensgeschichte des Protagonisten Micha, vom
3. bis 30. Lebensjahr, in der Zeit von 1966 -1993. Micha ist eine Art deutscher
„Forrest Gump“, der – gewollt oder ungewollt, immer dort dabei ist, wo sich
Geschichte abspielt. Der „Planet West-Berlin“ soll dabei als mögliches Vorbild
für ein tolerantes Miteinander dienen. Dabei stellt sich die Frage, ob dies nur
unter dem Druck des Kalten Krieges und der „Spielplatzfinanzierung“ durch
die Bundesrepublik möglich wurde.
Als Selfpublischer hat man es im Gegensatz zum Verlagsautor schon etwas
schwerer, Lesemöglichkeiten zu finden. Zusammen mit anderen Autoren
aus der Region Berlin – Brandenburg versuche ich gerade eine Gruppe
aufzubauen, um gemeinsam Lesungen zu organisieren. Daher ist noch
nichts Konkretes für die nächste Zeit geplant. Aber, ich bin noch bei einigen
Wettbewerben mit Lesefinals dabei. Eventuell ergibt sich dort etwas.
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu
beantworten.
Bernd: Danke, hat Spaß gemacht!
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