Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Zoë Beck
(von Sabine Ibing)
Die Schriftstellerin Zoë Beck studierte Neuere Englische Literatur in
Gießen, Bonn und Durham. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-
Preis in der Sparte „Bester Kurzkrimi“. 2011 war sie wieder mit einem
Kurzkrimi nominiert. Ihre letzten drei Romane wurden von der Jury
der KrimiZEIT-Bestenliste unter die zehn besten Kriminalromane
gewählt. Sie erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis für “Brixton Hill”,
und “Schwarzblende” wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2016 (3.
Platz national) ausgezeichnet.
Zoë Beck lebt als Autorin und Übersetzerin in Berlin; u.a. schreibt
sie für „CrimeMag“ und bespricht Bücher für SWR2. Zusammen
zusammen mit Jan Karsten leitet sie den Verlag CulturBooks. Auf
Instagram ist sie bekannt für ihr fotografisches Talent, sie reist ja
viel. Wir alle lieben ihre Katzen.
S.I.: Zoë, du hast vor kurzem erzählt, dass du eigentlich als
Jugendliche eine Klavierkarriere angestrebt hast. Ziemlich schnell
hast du begriffen, dass man als Mädchen drei Mal besser spielen
muss, als ein Junge, um eine Chance zu haben, wenn überhaupt.
Und die Röckchen haben dir auch nicht gelegen. Deine Eltern waren
sowieso nicht von brotloser Kunst begeistert. Und nun bist du
Schriftstellerin und Publizistin. Zudem beschreibst du in deinen
Romanen sozialkritische Bereiche, nimmst politische Themen auf.
Die Literatur wird von Männern dominiert, insbesondere in
politischen Themen. Macht es das jetzt besser als ein Leben als
Klaviervirtuose? Immerhin musst du kein Röckchen anziehen.
Z.B.: Ich habe gar nichts gegen Röckchen. Ich hatte nur etwas
dagegen, dass man mich zwingen wollte, mich an etwas
anzupassen, zu dem ich mich nicht zugehörig fühlte. Zu der Zeit
gehörte ein mädchenhaftes Äußeres nicht zu meinem Selbstbild,
das ging einfach nicht zusammen.
Mittlerweile sind ja zwanzig Jahre vergangen, vielleicht haben es
Frauen in der Klassik ein wenig leichter. (Ich sage das mit großer
Hoffnung, glaube aber selbst nicht so recht dran.) Ich bin schon zu
lange aus der Szene draußen, aber ich denke, dass der Druck, der
Perfektionszwang natürlich immer noch wahnsinnig hoch ist, wie
beim Leistungssport.
Sexismus findet sich vermutlich in den allermeisten Branchen, so
eben auch in der Buchbranche. Ich bin jetzt älter und gehe anders
damit um. Ich lasse mir weniger gefallen, aber ich merke, dass ich
sehr viel schneller müde von den Kämpfen werde. Vor zwanzig
Jahren hatte ich noch gehofft, dass alles sehr viel einfacher wird,
und jetzt muss ich mit jedem Jahr, das vergeht, feststellen, dass es
immer noch ein sehr weiter Weg für Frauen ist, genauso ernst
genommen zu werden wie Männer. Aber zum Glück trifft man
immer wieder auf großartige Menschen, privat und beruflich, die
keine albernen Vorurteile mit sich herumschleppen, die stattdessen
begeistern und inspirieren.
S.I.: Spielt Musik weiterhin in deinem Leben eine Rolle,
insbesondere die klassische Seite. Schreibst du mit Musik oder stört
dich das? Wenn ja, was hörst du beim Schreiben?
Z.B.: Ich höre nach wie vor gern und viel Musik, auch Klassik. Beim
Schreiben oder Übersetzen habe ich Playlists, die gerade gut
passen. Das kann Rufus Wainwright oder PJ Harvey sein, Massive
Attack, Goldfrapp oder Anna Calvi … Wobei ich gemerkt habe, dass
ich mich am besten bei Beethoven konzentrieren kann. Ich
vermute, es hat u.a. damit zu tun, dass ich die Klaviermusik von ihm
so gut kenne und sie dann quasi durch meinen Kopf durchläuft,
ohne dass sie mich ablenkt. Wenn ich etwas Neues höre, versucht
ja ein Teil meines Gehirns, genau zuzuhören und die Melodie zu
analysieren oder sonstwas. Wenn dann noch Alfred Brendel spielt,
kann mich eigentlich nichts mehr aus der Ruhe bringen.
S.I.: Du wanderst zwischen Deutschland (Berlin) und
Großbritannien. Wenn du dich gezwungenermaßen für eins dieser
beiden Länder entscheiden müsstest. Wo würdest du wohnen
wollen, warum?
Z.B.: Naja, ich wohne ja in Berlin und pendle nicht mehr so viel, was
mehrere Gründe hat. Großbritannien ist sehr teuer, alle meine Jobs
sind in Deutschland, für manche muss ich vor Ort sein, manchmal
Hamburg, manchmal München, in den letzten zwei, drei Jahren
hatte ich sehr viele Lesungen und Vorträge innerhalb
Deutschlands, da war ich dann froh, wenn ich mal in Berlin war und
die Stadt nicht verlassen musste. Aber ich will auch wieder mehr
nach Großbritannien, ich werde schon wieder nervös, weil ich zu
selten dort bin.
S.I.: Dein Roman „Schwarzblende“ war vor dem Anschlag in Paris
herausgekommen. Man mag denken, du hattest hellseherische
Fähigkeiten. Interessant fand ich, dass du für die Attentäter
gebildete junge Menschen ausgewählt hast, die aus gutem Hause
kommen, in England geboren, die auch nicht von familiärer Seite
extrem gläubig erzogen worden waren. Die Eltern hatten keine
Ahnung, was ihre Kinder in der Freizeit trieben. Wie kam die Idee
dazu?
Z.B.: Der Roman war gerade in der Herstellung, als der Anschlag
auf Charlie Hebdo verübt wurde. Das hat mich vollkommen
fertiggemacht. Das mit den jungen Männern aus der Mittelschicht
ist kein Konstrukt, sondern kommt nicht gerade selten vor. Es ist
eine Suche nach dem Extremem, sie fühlen sich nirgendwo
zugehörig und wollen ihre Grenzen austesten. Mit Religion hat das
im Grunde nichts zu tun. Der IS bot sich für sie in dem Moment
einfach an, weil es gerade das Krasseste war, das sie tun konnten.
Die Idee dazu kam u.a. durch den tatsächlichen Anschlag auf
offener Straße im Londoner Süden 2013. Ich dachte ja auch, ich
schreibe über etwas, das möglicherweise wieder passieren kann,
hier in Europa, mitten am Tag. Weil aus vorangegangenen
Anschlägen, wie auf die Londoner U-Bahn 2005, kaum etwas gelernt
worden war.
S.I.: Deine Bücher haben Schauplätze in Großbritannien. Wird es
auch einmal ein Berliner Thema geben oder überhaupt einen Plot in
Deutschland?
Z.B.: Ich überlege.
S.I.: Viele Krimi/Thrillerautoren - und erstaunlicherweise
besonders die Frauen unter ihnen - setzen oft auf Brutalität,
genaue Darstellung von Gewalt, Sadismus und Handlungen von
Psychopathen. Du nicht. Warum? Neben wir mal die Enthauptung
aus Schwarzblende heraus, die ja auch nicht bis zum letzten
Blutspritzer beschrieben ist.
Z.B.: Die Enthauptung habe ich beschrieben, um zu zeigen, wie
absurd sie in der Durchführung ist. Man kennt es ja aus Filmen: ein
Hieb – Kopf fällt runter. Und das stimmt so nicht, es gibt nicht den
einen „sauberen“ Schnitt, nicht den einen „heroischen“ Schlag.
Aber das wollen wir jetzt sicherlich nicht im Detail ausführen. Mir
war außerdem wichtig zu zeigen, wie lange Menschen
danebenstehen und einfach weiterfilmen, obwohl so etwas
passiert. Im Internet finden sich ja genügend Videos von
Schaulustigen, bei denen man sich fragt: Warum halten die so
lange mit der Kamera auf etwas so Grausames? Oder: Warum
rufen sie keine Hilfe oder helfen selbst? Ganz egal, ob es um
Tierquälerei, Schlägereien, Unfälle oder sonst etwas geht. Ich habe
auch mit Psychologen darüber gesprochen. Was Niall in meinem
Buch tut, nämlich mit der Kamera draufzuhalten, ist keine
Seltenheit. Das als Phänomen zu zeigen, zusammen mit anderen
medialen Reaktionen auf Katastrophen, war mir wichtig. Ich denke,
dass die Darstellung von Gewalt eine dramaturgische Funktion
haben muss. Und ich sehe oft keinen Grund, warum man so ins
Detail gehen muss. Die Lust am Ekel oder am Schaudern zu
befriedigen ist nicht mein Ziel.
S.I.: Man nennt dich Queen of Crime, deine Romane werden als
Thriller gelistet. Du selbst distanzierst dich davon, sagst, du
schreibst Romane, Ende. In den Verlagen, noch mehr im Handel
herrscht Schubladendenken. Ein Buch muss exakt in eine Schublade
passen, ansonsten legt es der Lektor beiseite. Wenn es zusätzlich
sozialkritisch wird oder der Protagonist nicht den Normen
entspricht, hast du kaum eine Chance als Autorin. Der Handel
macht dort weiter. Ich zitiere dich mal: „Ein Krimi muss sich rasch
verkaufen. ‚Haben Sie was mit knödelfressenden Katzen, die
Frauen häuten? Das fand ich letztens so toll. Davon will ich mehr.“‘
Werden in der Zukunft die Autoren den Lesern hinterherschreiben
müssen?
Z.B.: In Zukunft? Dann sind wir seit vielen Jahren schon in dieser
Zukunft. Das ging schon vor Jahren los, dass der Handel bei
Verlagen Nachschub von dem, was gerade gut lief, bestellt hat. Die
Lektor*innen gaben es an die Agenturen weiter, und die dann an
uns Autor*innen. Ich distanziere mich von dem, was unter den
Etiketten verstanden wird, diese Definitionen sind mir zu eng. Ich
distanziere mich grundsätzlich nicht von der Kriminalliteratur.
S.I.: Haben außergewöhnliche Bücher noch eine Chance, oder wird
nur noch Mainstream produziert?
Z.B.: Außergewöhnliches hat immer eine Chance, aber ich weiß
nicht, wie die Chancen für die Bestsellerliste stehen. Von 1000
außergewöhnlichen Büchern schafft es 1? Keine Ahnung. Es gibt
furchtbar viele Titel, jedes Jahr aufs Neue. Mainstream wird
natürlich produziert, Verlage wollen und müssen ja auch von etwas
leben. Dass die Midlisttitel so dramatisch wegbrechen, verändert
den Markt ja nun auch. Aber die außergewöhnlichen Titel finden
weiter bei den kleineren Verlagen statt und denen, die weniger auf
Genre und mehr auf literarische Texte setzen.
S.I.: Du bist Mitbegründerin von „CulturBooks“, einem E-
Bookverlag. Ich liebe eure Cover! Sie sehen alle gleich aus,
schmucklos. Ich persönlich achte nie auf Cover, sondern auf den
Text innendrin, habe aber das Gefühl, ich bin damit allein auf der
Welt. Was war die Idee für diesen Verlag und weshalb habt ihr euch
für schlichte Cover entschieden?
Z.B.: Danke! Wobei „schmucklos“ ein wenig trist klingt. Wir haben
uns wirklich genau aus dem Grund für diese Covergestaltung
entschieden: Es soll um den Text gehen. Außerdem wollten wir
etwas, das als eBook-Cover ins Auge sticht. Da war dieses Design
für uns die logische Wahl.
S.I.: Auch ich gehöre zu den E-Lesern. Habe ich die Wahl,
entscheide ich mich für E, anstatt Papier. Man kann hunderte
Bücher mit sich herumtragen, die Holzregale sind bereits überfüllt.
Auch damit stehe ich eher in der Minderheit. Wie siehst du die
Entwicklung des Leseverhaltens?
S.I.: Ich denke, es werden auch weiterhin immer mehr eBook-
Leser*innen dazukommen. eBooks zu lesen bedeutet ja nicht, dass
man sich nie wieder ein Buch mit Papierseiten kaufen wird. Es ist
keine Entweder-Oder-Entscheidung auf Lebenszeit, auch wenn
manche so tun, als sei es das. Man kauft sich eben den einen Titel
als haptisches Erlebnis, und den anderen digital. Wie es sich
gerade anbietet. Dadurch, dass das Buch als Gegenstand einen
hohen emotionalen Wert hat, wie früher die Schallplatte, sträuben
sich viele gegen die Digitalisierung und halten digitale Inhalte für
weniger wertvoll als alles, was gedruckt wird. Das ist natürlich
Unsinn. Anders als die Schallplatte ist so ein Buch allerdings ein
Gegenstand, den man über einen längeren Zeitraum mit sich
herumträgt, stundenlang in den Händen hält usw., weshalb für
viele der „Abschied“ davon so schwer zu fallen scheint. Warum
diesen emotional aufgeladenen Gegenstand eintauschen gegen
das doofe Handy, das ja für ganz andere Dinge steht? Das scheint
mir bei vielen im Moment wirklich noch der Stand zu sein. Ich kaufe
beides. Meine Bücherwand ist ständig überfüllt, egal wie oft ich
Bücher aussortiere. Ich muss aber sagen, dass ich doch sehr viel
lieber digital lese, eben aufgrund der vielen praktischen Vorzüge.
S.I.: Wie sieht die Welt der Zukunft für Autoren aus? Werden
Buchhandlungen und Verlage stark schrumpfen? Das Netz
verändert die Welt. Auf der einen Seite wünschen wir uns ein freies
Netz, Vernetzung untereinander, zu den Lesern. Die Welt des
Selfpublishing hat sich geöffnet. Auf der anderen Seite sind genau
die Künstler Verlierer der digitalen Welt, betrachtet man die neue
Gesetzgebung zum Urheberrecht, Netzpiraten, Ramschangebote
bei E-Books. Gibt es eine Lösung?
Z.B.: Den Buchhandel hat es in den letzten Jahren aus mehreren
Gründen kräftig durchgeschüttelt. Die großen Buchkaufhäuser
haben den kleinen Unabhängigen schwer zu schaffen gemacht.
Und dann hat Amazon allen schwer zu schaffen gemacht. Jetzt
werden seit einigen Jahren nicht nur mehr und mehr kleine
Geschäfte, sondern auch große Filialen der Ketten geschlossen.
Wie es weitergeht? Ich weiß es nicht. Aber ich glaube fest daran,
dass der unabhängige Buchhandel weiter bestehen kann. Was die
Verlage betrifft: Die großen Verlage versuchen, durch eigene
Selfpublishing-Plattformen etwas vom Kuchen abzubekommen,
bzw. im nächsten Schritt dann durch eigene eBook-Editionen, bei
denen die Autor*innen Verlagsbetreuung, wenn auch nicht so
umfassend wie im Print, erhalten, das sind dann häufig
Versuchsballons, um zu schauen, welche Titel sich für Print eignen.
Was aber auch passiert: Das eBook als Chance für ungewöhnliche
Titel zu sehen - die eine nonkonforme Länge haben, die so aktuell
sind, dass sie sofort raus müssen, die in keines der
Mainstreamregale passen, oder oder. Das machen wir literarischen
eBook-Verlage wie CulturBooks, Frohmann, Mikrotext usw. ja schon
seit Jahren, und die Hanser-Box folgt diesem Beispiel.Bei der
Preispolitik muss ich sagen: Ich bin auch misstrauisch bei den 99
Cent-Romanen, aber zeitlich begrenzte Sonderaktionen mit
Preisrabatten, um einem Titel mehr Aufmerksamkeit zu
verschaffen, finde ich völlig in Ordnung. Die wegbrechende Midlist
macht gerade allen Verlagen zu schaffen, und wie es da
weitergeht, weiß ich nun wirklich nicht. Wir hatten in Deutschland
einige gute Jahre mit einer starken Midlist, so dass wirklich eine
gewisse Zahl an Autor*innen vom Schreiben leben konnte, und
zwar nicht nur die Megabestsellerautor*innen. Die Konkurrenz, die
wir Schreibenden haben, sind nicht nur die Titel im Selfpublishing,
sondern vielmehr die anderen Freizeitangebote: hervorragende
Fernsehserien, Social Media, Computerspiele, und so weiter. Ich
halte trotzdem daran fest, dass die Digitalisierung, dass das
Internet viele großartige Möglichkeiten eröffnet hat. Natürlich auch
viel Negatives, das gehört dazu, aber es hat ja auch niemand
gesagt, dass es einfach wird. Wir können alle nur einfach
weitermachen mit dem, woran wir glauben.
S.I.: Auf der Buchmesse habe ich durchgezählt. Auf dem blauen
Sofa gab es pro Tag exakt nur eine Frau. Beim MDR kann ich mich
nicht daran erinnern, eine gesehen zu haben. Es ist so traurig. Die
Mehrheit der Schriftsteller ist weiblich und sie machen den
höchsten Umsatz. Die Preise erhalten meist die Männer und die sind
auch von den Medien bevorzugt. Was muss geschehen, damit sich
das ändert?
Z.B.: Da muss schon sehr viel früher angesetzt werden als erst bei
der Preisvergabe. Zum Beispiel bei der Verwendung des Begriffs
„Frauenliteratur“, der von Anfang an negativ war und nur für
kurze Zeit durch Feministinnen als etwas Kämpferisches,
Ernsthaftes umgedeutet wurde. Jetzt sind wir wieder bei der
Weichspülerversion, bei der eher herablassenden Bedeutung:
Literatur für Frauen, das ist Eskapismus, da werden keine
Probleme angesprochen, keine Politik, keine gesellschaftlichen
Missstände, und wenn dann nur in einer Dosierung, die nicht
wehtut, weil sich ja – so die Behauptung – Frauen nicht für so etwas
interessieren. Bloß nicht raus aus der comfort zone. Und sprachlich
oder stilistisch muss das auch alles nicht so wahnsinnig
anspruchsvoll sein. Wenn „Frauenliteratur“ so definiert ist (und
das ist sie!) und Texte von Frauen eher so eingeordnet werden,
selbst wenn sie anspruchsvoller sind oder sich mit gewissen
Problemen auseinandersetzen, wie soll dann in der breiten
Wahrnehmung von Frauen geschriebene Literatur als etwas
Ernsthaftes, und nicht etwa anspruchslose, vernachlässigbare
Unterhaltung betrachtet werden? Und auf einer anderen Stufe:
Wenn Verlage von Autorinnen tatsächlich einfordern, im Bereich
der „Frauenunterhaltung“ zu schreiben, adjektivlastig und
politikfrei? Selbst gut geschriebene Romane mit anspruchsvollen
Inhalten werden dann so gelabelt, dass sie nach
Eskapismusliteratur aussehen. Da schreibt dann, sagen wir mal,
eine Frau über ihre Kindheit in Palästina, und das Ganze wird als
schnulziger Familien- und Liebesroman verpackt. Würde ein
Männername draufstehen, wäre es ein hochpolitischer und
gleichzeitig total einfühlsamer Roman - für die Kritik. Und da wäre
das Cover auch kein romantisches Bild in Pastellfarben. Es wäre
sicherlich nicht mal ein Taschenbuch.
Man müsste also an mehreren Stellen ansetzen: Wie gehen Verlage
mit den Texten um, wie die Medien, aber eben auch: was lassen sich
Autorinnen gefallen. Wie früh wird Frauen eigentlich schon
eingeredet, sie hätten keine Ahnung von Politik oder Wirtschaft
oder überhaupt dem, was auf der Welt und um sie herum vor sich
geht? Viele glauben das leider selbst und verkaufen sich und ihr
Schreiben unter Wert.
S.I.: Du bist Mitglied bei HERLAND: „Wir sind ein neu gegründetes
Netzwerk: politisch, feministisch, antikapitalistisch, gegen rechts,
gottlos, aufbrechend, erfolgreich, antipatriarchal. Wir sind eine
Gruppe von Frauen, die an unterschiedlichen Orten der
kriminalliterarischen Buchproduktion wirken.“ – Es gibt immer mehr
Frauennetzwerke der Literatur, so auch die „Mörderischen
Schwestern“. Warum sind gerade die Ladys of Crime so aktiv? Und
warum braucht es diese Netzwerke? Erzähle uns davon.
Z.B.: Es sind nicht nur die Krimiautorinnen, die sich vernetzen. Ich
finde den Zusammenschluss DeLiA beispielsweise wichtig, das sind
nicht nur Frauen, sondern auch Männer, und sie schreiben
Liebesromane, ein belächeltes Genre, und sie kämpfen darum,
ernst genommen zu werden. Siehe oben. Da sind lauter hart
arbeitende Frauen (und Männer), die dafür sorgen, dass die
Verlage und die Buchhandlungen mit ihren Geschichten Umsatz
machen, aber gleichzeitig wird die Nase gerümpft. Also tun sie
etwas dagegen. Finde ich super. Die Mörderischen Schwestern
kenne ich nur dem Namen nach, dazu kann ich gar nichts sagen. Es
gibt dann noch die Bücherfrauen, das sind Frauen aus der
Buchbranche, nicht unbedingt Autorinnen, aber da geht es auch
ums Vernetzen. Oder die Digital Media Women. Natürlich müssen
Frauen sehen, dass sie Netzwerke schaffen. Netzwerke von
Männern bestehen schon so lange und gelten als so normal und
quasi „natürlich“, ein Frauennetzwerk wird dann gern mal
augenzwinkernd als Kaffeekränzchen bezeichnet. Furchtbar.
Herland ist kein Verein, sondern erstmal ein Zusammenschluss von
Autorinnen. Wir wollen über Themen sprechen, über Positionen.
S.I.: Die Genderprofessoren würden ja gern den ganzen
männlichen Teil der Sprache austreiben. Nieder mit dem
Patriarchat! Wenn ich dann lese: Liebe* Mitglied* (dabei habe ich
gar keins) oder liebe Mitglied *innen hilft mir das auch nicht weiter.
Liebe*r Kolleg*, scheint mir völlig fremd und grammatisch falsch.
Du bist Synchronregisseurin. Wie liest sich so was im Fließtext? Du
bist Feministin. Wie stehst du dazu? Müssen wir unsere Leser*innen
demnächst so ansprechen? Und müssen wir in der Art unsere
Romane verfassen? Im Krankenhaus huschten *Arzt*innen über
den Gang …
Z.B.: Ich benutze *, wie man schon sehen konnte. Was mich betrifft,
geht es nicht darum, den männlichen Teil der Sprache
auszutreiben, aber da wir jeden Tag mit Sprache zu tun haben,
schadet es nicht, dafür sensibilisiert zu sein, wie dominant die
Ansprache für den sich als männlich identifizierenden Teil der
Bevölkerung ist, bei dem sich Frauen* mitgemeint fühlen sollen,
was umgekehrt aber so gut wie nie funktioniert. (Und es geht nicht
darum, aus „der Tisch“ „die Tischin“ zu machen. Darum geht es
nicht. Es gibt viele gute Artikel zum Thema.
http://kleinerdrei.org/2016/04/von-sternen-und-unterstrichen/ ) Für
die literarische Sprache verwende ich es nicht. Um bei der
Krankenhausflurszene zu bleiben: Das ist doch ein sehr konkretes
Bild, das lässt sich über die Wahrnehmung der Figur, die diese
Szene erlebt, entsprechend schildern: Ärztinnen und Ärzte
huschten über den Gang. Oder: Männer und Frauen in weißen
Kitteln huschten über den Gang. Das ist oberflächlich die
Beobachtung: Menschen, die biologisch männlich oder weiblich zu
sein scheinen und Kleidung tragen, die darauf schließen lässt, dass
sie einem bestimmten Beruf nachgehen. Das * steht für mehr als
Männer und Frauen, für den Gendergap, für die Menschen, die sich
nicht eindeutig nur einem Geschlecht zuordnen können oder
wollen, die sich im binären Geschlechterkonzept nicht
wiederfinden. Ich schildere im literarischen Text allerdings die
Beobachtung einer Figur. Ist sich diese Figur dessen bewusst, dass
es mehr als zwei Geschlechter gibt? Dann fällt die Beschreibung
anders aus. Mir als Romanautorin ist doch außerdem klar, mit
welchen Figuren ich es in der Geschichte zu tun habe, ich erschaffe
die Welt, also beschreibe ich sie so, wie ich sie haben will, wie meine
Figuren sie sehen. Das heißt, ich kann so konkret oder so vage sein,
wie es die Geschichte, die Szene erfordert. Das * benutzt man ja
beispielsweise, wenn große Gruppen angesprochen werden und
man nicht alle einzeln kennen kann: Menschen, die das
Bäckerhandwerk erlernt haben und in diesem Beruf arbeiten – also
Bäckerinnen und Bäcker und diejenigen, die sich nicht eindeutig
weiblich oder männlich identifizieren, kurz: Bäcker*innen. Alle
Menschen sollen sich angesprochen, niemand soll ich ausgegrenzt
fühlen. In der Figurenrede oder im Filmdialog kommt diese Situation
seltener vor. Außerdem richtet man sich beim Schreiben danach:
Wie würde diese Figur konkret sprechen, ist es ihr wichtig, die
Genderproblematik zu berücksichtigen oder geht sie darüber
hinweg, usw. Darüber, wie wir unsere Weltbilder literarisch
bearbeiten, hatte ich hier kurz etwas geschrieben.
https://zoebeck.wordpress.com/2016/03/23/die-welt-spiegeln-die-
welt-veraendern-lar16/
S.I.: Peter Handke schreibt mit Bleistiften, deren Stummel er nach
Büchern sortiert, aufbewahrt. Hast Du eine ähnliche Marotte?
Z.B.: Nein.
S.I.: Dir geht Schwarz-weiß-Denken auf die Nerven. Ist das richtig?
Z.B.: Ja.
S.I.: Ich habe mal gehört, Kochen wäre nicht deine Leidenschaft,
du bestellst gern Essen. Fastfood oder Restaurantlieferservice?
Z.B.: Wer sagt denn sowas! Fastfood ist nichts für mich, Essen
sollte eine gute Qualität haben. Ich vertrage außerdem das
allermeiste davon schlicht nicht. Die meisten Lieferdienste machen
mich furchtbar unglücklich, weil die Qualität schlecht ist. Ich gehe
gern gut essen, und wenn ich mir etwas bestelle, dann sollte es
schon auch gut sein. Ich koche nicht unbedingt jeden Tag großen
Menüs, aber ich koche immer, wenn ich zu Hause bin. Ich kaufe
sehr bewusst ein, ich achte auf die Herkunft der Produkte, und ich
muss darüber hinaus auch sehr darauf achten, was ich esse, weil
ich viele Unverträglichkeiten und Allergien habe. Deshalb ist
processed food schon mal häufig nichts für mich, was, wie schon
gesagt, Fastfood nicht nur aus diesem Grund schwierig macht.
S.I.: Ist Essen für dich eher Nahrungsaufnahme oder genießt du
auch gern ein gutes Essen?
Z.B.: Gutes Essen ist mir sehr wichtig.
S.I.: Gibt es demnächst ein neues Buch von dir zu lesen oder ein
anderes interessantes Projekt von dem du uns erzählen möchtest?
Gibt es Lesetermine und wo finden wir diese?
Z.B.: Jetzt bald kommt eine Anthologie beim Arche-Verlag heraus,
in der es um Inseln geht. Ich habe mir eine Geschichte dazu
ausgedacht, die auf der Pfaueninsel spielt, und ich bin sehr
gespannt darauf, was die Kolleginnen und Kollegen gemacht
haben. Außerdem erscheint jetzt eine Übersetzung von mir, James
Grady, „Die letzten Tage des Condor“, bei Suhrkamp. Gerade
übersetze ich ein weiteres Buch, und dann schreibe ich meinen
nächsten Roman. J
S.I.: Vielen Dank, dass mir die Fragen beantwortet hast.
Z.B.: Ich danke Dir!
Rezension Schwarzblende
Rezension Brixton Hill
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Foto: Anette Göttlicher
Foto: Anette Göttlicher