Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Warum er den Hörer abgenommen hatte, konnte er sich
später nicht mehr erklären.«
Ernst Stricker, Bibliothekar in der Züricher Zentralbibliothek, steht vor
einem öffentlichen Telefonapparat in Bern, will seine Frau anrufen, als
das Telefon klingelt. Intuitiv nimmt er ab. Er heißt ernst und sie will ihren
Neffen Ernst sprechen. Die alte Frau ist nicht seine Tante. Sie bittet um
Hilfe. Er lässt sich die Adresse geben und geht hin, Neugier geweckt. Die
Witwe gibt ihm ein Päckchen, es gehöre ihrem Mann. Witwe, nun ja, der
Mann ist verschollen in den Bergen bei schwerem Unwetter, war allein
unterwegs. Nach fünf Jahren hat sie ihn für tot erklären lassen. Und sie
sie erzählt von denen, die schon ein paarmal bei ihr waren, das Buch
haben wollen. Es sei in der Schublade ihres Küchentisches nicht mehr
sicher. Die alte Frau ist fast blind. Er lässt sich das Päckchen aufdrängen,
packte es zu Hause aus. Darin befindet sich eine uralte Schrift, sehr alt,
namens »Abrogans« .
»Ernst«, sagte eine weibliche Stimme, »bist Du es?«Er zögerte einen
Moment und sagte dann: »Ja. Wer spricht?«»Ich«, sagte die Frau am
anderen Ende.»Und ...«»Ich brauche Deine Hilfe.«»Aber -«»Bitte.« Die
Stimme klang verängstigt.»Wie kann ich Ihnen helfen?«
Parallelhandlung: 772, Kloster Weltenburg, Haimo muss für den Abt ein
Buch erstellen, ein Wörterbuch, Latein-Deutsch, das Buch soll »Abrogans«
heißen. Nachdem das Buch fertig geschrieben ist, bekommt Heimo den
Auftrag, das Buch in verschiedene Klöster zu tragen, Abschriften zu
erstellen und zurückzukommen, eine Aufgabe, die sich über lange Jahre
dahinziehen wird. Haimo wollte nie Geistlicher werden, sondern Maria
heiraten und sie ihn. Aber er will auch gehorchen. Haimo macht sich auf
die Reise zum ersten Kloster, bei sich einen Esel und einen Knecht. Von
beidem weiß der Abt nichts.
Es gibt diese Bücher, die sind reine Geschmackssache. Der Roman war
gut geschrieben, nette Geschichte, ein wenig grotesk und
unglaubwürdig, aber es ist ein Roman und ein Roman darf alles. Anfangs
dachte ich oh, eine geheime Geschichte um das alte Buch, wird doch ein
Thriller daraus, die alte Frau die Treppe hinuntergeschubst, ein
Geheimnis? Die Jagd nach dem Buch, Gefahr? Daraus wird aber nichts.
Eine nette Geschichte, die mir aber nichts sagte, ein wenig langweilig. Die
Parallelgeschichte um Haimo und Maria hat mich gerührt, die hatte Kraft,
hier konnte man mitfiebern, aber das ist circa ein Drittel des Buchs.
Genauso unaufgeregt wie der Spannungsbogen ist die Sprache. Gut
geschrieben, aber nichts, was bei mir Begeisterung ausrufen würde. Wer
einfach eine nette Geschichte lesen mag, Beschreibungen bekannter
Städte in der Schweiz, ein wenig Bergluft schnuppern mag, der liegt hier
richtig. Das Buch macht Lust auf die Schweiz. Ich hatte mehr erwartet,
aber das ist eben Geschmack. Humorvoll fand ich das Buch übrigens
auch nicht. Auch das Verständnis fehlte mir hier. Nicht immer passen
Buch und Leser zusammen. Bei uns war das so, es ist aber bestimmt für
andere Leser perfekt.
Franz Hohler gilt in der Schweiz als bedeutender Erzähler, ist 1943
geboren. 2002 erhielt er den »Kasseler Literaturpreis für grotesken
Humor«, 2005 den »Kunstpreis« der Stadt Zürich, 2013 den »Solothurner
Literaturpreis«, 2014 den »Alice-Solomon-Preis«, sowie den »Johann-Peter-
Hebel-Preis«
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Rezension
Das Päckchen
von Franz Hohler