Autorin
Sabine Ibing
»Sie nahm den Stapel Bilder in die Hand und blätterte sie durch. Auf
allen waren junge Mädchen zu sehen, Teenager. Mädchen, die allein
an einer Mauer oder Wand standen, fast immer in der gleichen Pose.
Alle blickten direkt in die Kamera. Einige flirteten offenkundig mit
dem Fotografen und lächelten. Andere wirkten angesichts der
Situation eher verschüchtert und beklommen.«
Ein dänischer Krimi, der sich lesen lässt, aber nicht von den Socken
haut. Nora Sand, die in London für eine dänische Zeitung arbeitet,
mag gern Trödel. Sie kauft einen alten Lederkoffer, findet darin
versteckt alte Fotos von Mädchen und den Namen des
Frauenschlächters Bill Hix, der im berüchtigten Gefängnis Wolfhall
eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, bekannt dafür, dass er seinen
Opfern die Zungen herausschnitt und sammelte. Die Mädchen auf
dem Foto kommen Nora bekannt vor, sie recherchiert: 1985
verschwanden die dänischen Teenager Lulu und Lisbeth auf der
Überfahrt nach England spurlos. Hat Bill Hix sie umgebracht? Nora
gräbt an allen Ecken, sucht nach Informationen. Nebenbei trifft sie
auf einen alten Schulfreund, der einmal höllisch in sie verliebt war.
Nora war nicht interessiert. Nun ist aus ihm ein ansehnlicher Mann
geworden, groß, breite Schultern, blau blond, Polizist in einer
Spezialeinheit … nun schmachtet Nora. Aber, der Mann ist vergeben,
da will man nicht stören. Die beiden Schleichen den Roman durch
umeinander herum.
Die Protagonistin ist mir unsympathisch, womit ich gut leben kann,
muss mich nicht identifizieren. Auf der einen Seite scheint sie
intelligent, aber extrem betriebsblind mit sich selbst, völlig
unreflektiert. Macht jemand sie drauf aufmerksam, reagiert sie wie
eine Dreijährige in der Trotzphase. Sie erklärt dem Leser im Verlauf
regelmäßig die Kampfkunst, trainiert hart, benötigt aber einen Molli,
um eine untrainierte Frau kurz außer Gefecht zu setzen,
verwunderlich. Auch mit ihrer journalistischen Kompetenz ist es nicht
immer weit her. Jeder den sie trifft, quatscht drauf los, erzählt alte
Geheimnisse, die er über Jahre verschwieg. Das stimmt merkwürdig.
Nora, distanziert und emotionslos, eine coole Frau ohne Regung, die
keine Bindung mag, sehr selbstbezogen. Dann wieder jammert sie
und schmachtet, fühlt sich so wahnsinnig allein … ja was denn nun?
So ganz ausgegoren ist die Persönlichkeit nicht gelungen. Aber sie
geht ja in Serie und kann sich noch entwickeln.
Das Buch lässt sich gut lesen, ein gängiger Krimi ohne ein wirkliches
Thema. Nora sucht, findet in der Vergangenheit der Mädchen etwas,
hier ein bisschen, dort ein Puzzle, recherchiert über Hix und
irgendwann läuft alles zusammen auf den Countdown. Bis zu
dreiviertel hat mir das Buch gefallen. Und dann wurde es für mich
ein wenig kritisch im Plot. Abgeschrieben vom »Schweigen der
Lämmer«, aber schlecht kopiert und mit einem Ende, das für mich
unlogisch ist und deswegen nicht glaubwürdig. Für eine
volldurchtrainierte Kickboxerin reagiert obendrein selten dämlich
ohne Instinkt.
Bis zu dreiviertel hätte ich gesagt: Kein großer Wurf, aber kann man
lesen. Hier ein wenig gepaust und dort, von den großen
skandinavischen Autoren, schlecht abgekupfert. Doch irgendwann
nimmt man der Autorin die Protagonistin nicht mehr ab, die am Ende
kindisch wirkt, unprofessionell, der aber komischerweise alle Leute
nach zwei Minuten erzählen, was sie wissen, auch die ältesten
Geheimnisse. Mit dem letzten Viertel revidiert sich mein
Gesamteindruck: Kann man lesen, aber man hat nichts verpasst,
wenn man es nicht tut. Die letzten 3 Seiten nach der Auflösung des
Falls, waren so gar nichts für mich, Pilcher im Krimi … aber das ist
Geschmackssache.
zeitgenössische Romane
Krims und Thriller
Historische Romane
Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien
Sachbücher (für jedermann)
Kinder- und Jugendliteratur
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Krimis / Thriller
Rezension
Die Mädchen von der
Englandfähre
von Lone Theils