Autorin
Sabine Ibing
Manolis Lefteris, der Besitzer eines Porsche-Autohauses, führt ein
Parallelleben. Er ist ein Auftragsmörder. Und er versteht sich als der
Rächer der Gerechten. Sein neuer Auftrag ist einfach: Er soll eine
betagte Dame, Kathrin Mändler, lediglich um Unterlagen erleichtern.
Nur, wo hat sie sie versteckt? Die Frau bekommt einen Schlaganfall,
landet im Krankenhaus. In einem Nebenstrang erfahren wir durch
die Gedanken von Kathrin Mändler was damals geschah, sie liegt im
Wachkoma. Sie ist Krankenschwester, hat während des Zweiten
Weltkriegs in einem Krankenhaus gearbeitet, in dem auch
Behinderte und psychisch Kranke untergebracht waren. Dort
verliebte sie sich in Dr. Landmann, ein junger empathieloser Arzt mit
hohen Zielen.
Manolis Lefteris kennt seinen Auftraggeber nicht, nur den
Kontaktmann. Diese Mission ist anders, normalerweise tötet er die
Typen, die man per Gerichtsverfahren nicht bestrafen kann. Er
erfährt nun, was in den Dokumenten vermerkt ist, fängt er an,
seinen Auftraggeber auszutricksen. Dafür hat er seine persönlichen
Gründe.
»Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein
sauberes hat.« (Ein Protagonist zitiert Altkanzler Adenauer)
In einem dritten Strang folgt der Leser Vera Mändler, einer
Journalistin, die bei einer Frauenzeitschrift arbeitet, jedoch lieber in
ihr altes Metier zurückkehren möchte, Politik und Soziales. Sie findet
heraus, dass jemand bei der Tante, Kathrin Mändler, eingebrochen
ist und etwas gesucht hat, aber nicht fündig wurde. Es kann sich nur
um alte Geschichten aus der Zeit im Krankenhaus handeln. Vera
recherchiert. War das Krankenhaus, das nach dem Krieg einen
neuen Namen erhielt, am Euthanasieprogramm beteiligt? Etwa auch
ihre Tante? Sie recherchiert und wittert eine einträgliche Story, mit
der sie vielleicht wieder bei einer interessanten Zeitung landen
könnte.
Das Thema Euthanasie im Dritten Reich ist fein recherchiert und
wiedergegeben, einschließlich der Gefährlichkeit, sich gegen das
Regime zu stellen. Bis zu Zwei Drittel hat mir der Roman recht gut
gefallen, mit dem letzten Drittel habe ich gehadert. Die Charaktere
sind mir auseinandergebrochen. Manolis, der hübsche,
sympathische Typ, ein Auftragsmörder. Ein netter Kerl, anscheinend
ermordet er auch nur die, welche es verdient haben. Todesstrafe
nein, aber Auftragsmörder ja? Was geht denn hier ab, dachte ich,
Verherrlichung von Selbstjustiz? Ein Leser kann einen Verbrecher
sympathisch finden, man kann ihn so schreiben, na klar. Aber das
wäre ein Noir-Krimi, und da ist der Böse der Gute unter den
Schurken. Doch in diesem Roman gibt es eindeutig stark moralische
Instanzen, die fest für die gesellschaftliche Ethik stehen. Beide
wenden sich davon ab? Vera, anfangs taff und klug, alles wagend,
agiert zum Ende nur noch naiv und simpel. Das passte so gar nicht
zu der Figur und noch weniger ihre plötzliche Sympathie für einen
Auftragsmörder. Der wiederum spielt für Vera ständig den
Schutzengel, überwacht sie durchgehend, da sie nicht die
einfachsten technischen, journalistischen Regeln beherrscht, z.B.
Handytechnik. Supermann rettet die weiße Frau oder so ähnlich. Es
ist sicher auch Geschmacksache, eine Weibchenfigur zu schaffen,
aber hier passte psychologisch das Ganze nicht zusammen. Das
Gleiche gilt für die Tante. Sie ist eine taffe Persönlichkeit, die
Krankenschwester lässt sich nicht einschüchtern, macht heimlich
Fotografien im Krankenhaus, will das Unglaubliche dokumentieren,
entwendet Unterlagen, um anzuklagen. Wäre sie erwischt worden,
hätte das ihren Tod bedeutet. Nach dem Krieg hält sie die
Unterlagen weiter versteckt. Der Grund dafür ist wieder das
Handeln kontra zu der Persönlichkeit der Figur, ein starker
Charakter wendet sich gegen die eigene Ethik. Das passt aus
psychologischer Sicht rein gar nicht, eine so starke Persönlichkeit
macht keine halben Sachen: Entweder steht sie zu dem einen oder
zu dem anderen, da gibt es kein Mittendurchwurschteln. Mein
Geschmack: Ich mag halt keine Frauenfiguren, die ständig im
Hintergrund den Strippenzieher und Beschützer benötigen, der sie
aus jedem naiven selbstverursachten Schlamassel herauszieht.
Insgesamt hat mir das Buch gefallen, auch wenn mich das letzte
Drittel fast zum Abbruch getrieben hat. Das Thema Euthanasie ist
gut recherchiert und es ist wichtig, es nicht zu vergessen. Die Krimis
von Inge Löhnig lese ich gern. Sollte mit Manolis und Vera eine neue
Serie entstanden sein, bin ich hier allerdings raus, Dühnfort gerne
wieder.
Ein Gag zwischendurch, köstlich: Kommissar Konstantin Dühnfort
kommt in einer Szene die Treppe herauf und klingelt. Schnell weg,
sagt sich Manolis. Ich habe herzlich gelacht.
Warum eigentlich Ellen Sandberg, frage ich mich? Schon im Vorfeld
wurde der Namenswechsel lautstark verkündet, die Spatzen pfiffen
es von den Dächern. Überall steht geschrieben: Ellen Sandberg ist
Inge Löhnig. Muss man das verstehen? Entweder Pseudonym,
geheim, oder man bleibt bei seinem Namen. Muss man heute für
jedes neue Buch / neue Serie einen neuen Namen verwenden? Denn
Inge Löhnig ist ja dem Genre Spannungsliteratur treu geblieben.
Weiters zur Autorin Inge Lönig:
Der Sünde Sold von Inge Löhnig
Interview mit Inge Lönig
Nun ruhet sanft von Inge Löhnig
Sieh nichts Böses von Inge Löhnig
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Krimis / Thriller
Rezension
Die Vergessenen
von Ellen Sandberg, alias Inge
Löhnig
Gesprochen von: Thomas M. Meinhardt
gekürztes Hörbuch, Spieldauer: 10 Std. 04 Min.