© Sabine Ibing, Lorib GmbH
Autorin Sabine Ibing
Der Anfang: »Ich wache auf, ich habe Durst. Nicht nur ein bisschen, sondern Durst à la: Noch zehn Minuten und ich bin tot.« Thomas von Steinäcker legt einen postapokalyptischen Roman vor, der in alpinen Gefilden von Bayern beginnt, auf einer künstlich abgeschirmten Alm bei Berchtesgaden, der Shield dieser Welt ist auf Dauersommer gestellt. Wir befinden uns in einer Zeit, nicht weit voraus der jetzigen. Der 15-jährige Heinz, Icherzähler, der jüngste der Almbewohner, lebt seit elf Jahren mit wenigen anderen hier oben: ein Liebespaar, bestehend aus Chang (Journalist, ein sogenannter »Informations-Architekt«) und Özlem (die im Verlauf ein Baby bekommt), die an Demenz leidende, alte Anne, die hin und wieder klar denken kann, medizinisches Wissen beisteuert und Cornelius, ein Ex-Söldner. Die Welt unten ist zerstört, ein Sonnensturm vernichtete das Land, in welchem Ausmaß, ist den Bewohnern nicht klar. Es gibt sicher weitere Überlebende und es ging das Gerücht um, Frankreich wäre nicht betroffen, Rettung sei unterwegs. Am Himmel kreisen außer Kontrolle geratene Drohnen. Oder sind auch Suchdrohnen dabei? Die Gruppe hat Angst, ihr Reservoir zu verlassen, eine versteckte, geschützte Welt, von einem Schutzschirm umgeben. Sie haben Kühe, Hühner und Schafe, bauen sich Gemüse und Obst an. Heinz hatte zum 15. Geburtstag Hefte bekommen und schreibt seine Erlebnisse auf. Schreiben haben ihm die Alten beigebracht, die dies noch konnten. Und Heinz sammelt »foxy Altwörter«, Wörter aus der alten Welt, die nicht vergessen werden dürfen. Die Klimakatastrophe ist vorangeschritten, hat die Welt im Griff, die Erderwärmung hat normale Lebensräume zerstört, Städte sind in Fluten untergegangen, der Rhein ist ein Binnenmeer, das Land ist versteppt, die Menschen leben unter riesigen Schutzschirmen, stellen mit Solarpanelen ideales Wetter her. Der Gau hat die meisten Schutzräume zerstört. Horden von Outlaws und Mutanten ziehen umher. »Wenn die rausfinden, was es hier zu holen gibt, wollen die was abhaben – ob mit Gewalt oder ohne.« Die Menschen draußen haben bisher den Eingang zu dieser ehemaligen »Erlebniswelt Alm« nicht entdeckt. Das Paradies muss verteidigt werden. Die oder wir … Doch irgendwann macht sich die Gruppe auf den Weg, das Baby braucht eine Zukunft, der Schutzschirm kann nicht ewig halten, bekommt Risse. Die Dystopie gleitet in ein Roadmovie. Heinz macht unterwegs kurz einen Ausflug in ein Mutantendorf, wird gefangen, kann entkommen. Für meine Begriffe war das zu einfach, das rein und das raus. Ein Einblick für den Leser, was es alles so gibt auf der Welt? Das wäre zu billig, denn dieser Einblick ist in allen Dystopien zu finden. Die Gruppe trifft auf Umherwandernde, die vor Kannibalismus nicht haltmachen, sie treffen auf Homies, computergesteuerte Arbeiter, Hausangestellte, Arbeitslager stehen unter chinesischer Aufsicht, Menschen werden wie Sklaven gehalten. Manches klingt nach ferner Zukunft, z.B. durch Shields geschützten Zonen. Anderes klingt dicht an unserer Zeit, Autos, die Alten der Gruppe sind des Schreibens mächtig, kennen sich mit der Zubereitung von Kräutern aus, erzählen von einer Welt des Jetzt. Der Sprung ist nicht ganz nachzuvollziehen. Wer die Welt unter Glaskuppeln setzt, unter riesige Schilde, für den sollte es kein Auto mehr geben (denn zu Beginn der Katastrophe flüchten alle im PKW, manche Autos fahren immer noch.). Zukunft oder Jetzt? Die Zukunft trägt mir zu viel aus der heutigen Welt, zumindest für das, was an Neuem heute schon vorhanden / real geplant ist. Der Vater des Protagonisten befindet sich im Weltall auf Mission, schreibt Nachrichten, sucht den Sohn. Woher weiß er, dass Heinz lebt, aber die Mutter und der Bruder tot sind? Heinz bekommt Hefte und Bleistift geschenkt. Woher hat man diese Dinge auf der Freizeitpark-Alm hergezaubert? Es gibt doch nur noch elektronische Aufzeichnungen. Zu viele Dinge haben mich vor ein Rätsel gestellt, sind mir nicht ganz logisch, nicht schlüssig. Zu viel war mir in der Geschichte nicht stimmig, bzw. nicht konsequent genug. Die Gruppe marschiert, durch eine Welt von Herrschern und Sklaven, Flüchtlingszüge, Schlepper, Schleuser und Menschenhändlern, es zeigt sich eine düstere Welt. Xiwang heißt das Baby und dieser Name bedeutet Hoffnung. Der Roman ist nicht schlecht, auf jeden Fall lesenswert. Aber wirklich Neues konnte ich nicht entdecken, stimmig schien mir auch nicht alles. Eine nette Geschichte, die genauso oder so ähnlich oft genug in der Literatur erzählt wurde. Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Zurück zu Liste Rezension zeitgenössische Literatur Zurück zu Liste alle Rezensionen
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben zeitgenössische Romane Rezension
Die Verteidigung des Paradieses von Thomas von Steinäcker