Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Liebesgrüße aus Minsk
von Nadine Lashuk
Von der Elite-UNI in Lille ausgebildet für Politik und Diplomatie, hat sich
Nadine für Osteuropa einen Schwerpunkt gewählt. Sie erhält 1994 die
Möglichkeit, bei der EU ein Praktikum zu absolvieren, kurze in Stippvisite
Kiew, für ein paar Monate nach Minsk. Die junge Deutsche erhält bei der
EU kein Praktikumsgehalt, muss sich ihre Reise selbst finanzieren,
ebenso die Unterkunft, die noch zu finden ist.
»... zeigte einen großen, kahlköpfigen Mann - man stelle sich Meister
Propper vor -, der in einer lächerlich knappen Badehose an einem
Krimstand eine Sandburg baute. ›Das ist mein Iwan!‹, sagte Wera, die
vor Mutterstolz schier zu platzen schien. ... ›Er wohnt direkt neben den
Klitschkos. Und er freut sich auf dich!‹«
Nach einem Monat in Kiew fährt sie weiter nach Weißrußland. Schnell
lernt sie, dass man diesen Begriff nicht verwenden sollte. Sie befindet
sich in der Republik Belarus. Eine Diktatur hatte sie sich anders
vorgestellt. Neugierig beginnt sie das Land zu erforschen, findet schnell
Anschluss bei anderen Praktikanten und Studenten. Eines Tages trifft sie
auf den Jurastudenten Aliaksei. Die beiden werden ein Paar.
»Denn in Belarus bringt man nur eine einzige Frau mit nach Hause (wenn
es gut läuft), und das ist die Frau, die man zu heiraten beabsichtigt.«
Zum Ende des Praktikums stellt sich die Frage, ob man
zusammenbleiben möchte. Nadine kann ohne Visum nicht bleiben,
würde auch keine Verlängerung bekommen. Aliaksei wird kein Visum für
Deutschland erhalten. Nur eine Heirat kann die Beziehung retten.
»Die nun folgende Wohnungssuche wird zu einer neuerlichen
Belastungsprobe für unser neues Eheglück.«
Das Leben in Belarus ist nicht immer einfach, Schwiegereltern können
auf die Nerven gehen, Behörden noch mehr. Nadine Lashuk berichtet in
saloppen Tonfall humorvoll über ihr Leben in Belarus. Neben einem
Bericht über Land und Leute kommt auch das Essen nicht zu kurz.
Mayonnaise, saure Gurken, rote Beete, saure Sahne im Überfluss, ein
Rezept findet man am Ende jedes Kapitels. Wie wäre es damit, die Pizza
demnächst einmal neu zu belegen, mit einer dicken Schicht Majo und
sauerer Gurken? Die Menschen scheinen zufrieden mit ihrem Leben zu
sein, sich mit den politischen Mächten arrangiert zu haben. Allerdings
wird ihnen viel vorgegaukelt, das nicht der Realität entspricht. Datschas
und Babuschkas am Wochenende, viel Freude an der Natur, aber nicht
nur das. In ihren Gärten ziehen die Menschen Obst und Gemüse, denn
die Versorgung ist nicht immer gut gewährleistet. Stadt- und Landleben
unterscheiden sich gewaltig. Auf dem Land gibt es keinen Strom, Wasser
schöpft man aus dem Brunnen, Traktoren sind in der Landwirtschaft
selten zu sehen.
Dies Buch gibt auf lockere Art einen guten Eindruck in ein Land, das für
uns Europäer recht unbekannt ist. Stilistisch nicht immer ganz sauber,
aber darüber kann man als Leser hinwegsehen. Die Autorin berichtet
von ihren Schwierigkeiten, sich anzupassen, zeigt aber auch ihre
persönlichen Grenzen auf. Nicht immer wirkt sie dabei sympathisch, sie
beschreibt sich selbst häufig als extrem launisch. In humorvoller Art
erzählt sie von ihren Erlebnissen. Und darum ist das Buch interessant.
Der Roman ist autobiographisch. Und genau das ist das Problem. Man
berichtet ja nur darüber, was man fremden Menschen berichten mag ...
Nadine Lashuk erzählt uns, wie verschiedene Mentalitäten
aufeinanderprallen, die familiäre Nähe in Belarus gestaltet sich anders
als die in Deutschland, besonders, wenn Kinder geboren werden. Man
wechselt die Länder, hin und her. Wir erfahren viel über die
Schwierigkeiten, die sich mit den Schwiegereltern ergeben. Aber welche
Konflikte entstehen im Alltag der Ehe? Welche
Anpassungsschwierigkeiten hat Aliaksei in Deutschland? Wie kommt er in
der deutschen Gesellschaft klar, wie mit dem Essen, gibt es Konflikte mit
seinen Schwiegereltern? Wie findet er eine Arbeitsstelle? Das alles bleibt
offen. Eine Ehe in zwei Kulturen mit Unmengen von Reisekilometern, ein
frisches Buch, das zur Verständigung unter den Kulturen beiträgt und
den Horizont des Lesers erweitert. In der Mitte des Buchs findet der
Leser einige Fotos, die visuell das Ganze abrunden.
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