Autorin
Sabine Ibing
Im Stuttgarter Polizeipräsidium geht der Telefonanruf eines
Kindes ein, das behauptet, es wisse, wer der Mörder des Mannes
in der Gartenkolonie sei. Doch der Fall liegt lange zurück. Macht
sich hier jemand einen Scherz? Über diese Spur findet Verena
Sander, Kommissarin, heraus, wer der Tote ist, der nie identifiziert
werden konnte. Der ehemalige, lokalbekannte Rockstar wurde nie
vermisst gemeldet. Das wurde letztendlich nicht ganz
überzeugend herübergebracht. Der Anfang dieses Buchs war für
mich ziemlich holprig, sprachlich (»Lohmann warf in einer
ungeduldigen Geste die Hände in die Luft.«), wie inhaltlich. Weiter
an der Stange zu bleiben, lohnt sich allerdings.
Ein bekannter Rockstar wird nicht identifiziert? Das glaubt kein
Mensch. Der Anruf wird zu einem Festnetzanschluss
zurückverfolgt, in eine Villa. Zu diesem Dreipersonenhaushalt
gehört allerdings kein Kind, lediglich eine junge Erwachsene. Nach
Beschreibung der jungen Frau und dem Kinderzimmer ist dem
Leser, der sich mit multiplen Persönlichkeiten auskennt klar,
worauf es in diesem Roman hinlaufen wird. Es ist auch klar, dass
die Eltern das Verhalten der Tochter wissentlich ignorieren, der
Grund für diese Persönlichkeitsstörung soll keinesfalls ans Licht
kommen. Der Leser, der sich nicht auskennt, wird sich wundern
und das Desinteresse der Eltern für abstrus halten,
wahrscheinlich auch das Benehmen der jungen Frau namens Sina.
Ermittlerin Verena Sander steht vor einem Rätsel, kann diese
Familie nicht einordnen, merkt, irgendetwas stimmt nicht, zieht
eine Psychologin zum Fall hinzu. Stück für Stück blättert sich Sina,
bzw. der ganze Haufen von Persönlichkeiten in Sinas multiplen
Inneren auf.
»Ein wichtiger Unterschied ist, dass bei Schizophrenen die Stimmen
von außen kommen, wogegen Multiple sie in ihrem Inneren
wahrnehmen. Das bedeutet, dass das Stimmenhören bei
Schizophrenen auf Halluzinationen beruht, bei Multiplen hingegen
gehören diese Stimmen zu real existierenden Personen.«
Verena Sander lernt mit dem Leser dazu. Mein anfänglicher
Verdacht bezüglich der Lösung zu Sinas Problem war falsch. Es ist
viel schlimmer, mehr sei nicht verraten. Die Handlung verläuft
spannend, verschiedene Fäden werden zu einem Ganzen
verwoben. Britt Reißman stellt die Charaktere klar auf, der Leser
begreift Stück für Stück, was ihm am Anfang den Kopf schütteln
ließ. Allerdings waren mir bei manchen Typen die Klischees ein
bisschen dick aufgetragen. Weniger ist manchmal mehr.
Mir hat gefallen, wie die Autorin das Krankheitsbild der multiplen
Persönlichkeit aufmacht und sehr verständnisvoll erklärt.
Korrekte medizinische Beschreibung verzahnt sich in der
Darstellung von Sina, Selina, Maria, Rambo und dem gesamten
Haufen im Körper des Mädchens. Das hat mir ziemlich gut
gefallen. Wer etwas über multiple Persönlichkeiten erfahren
möchte, ist mit diesem Roman gut bedient. Polizeiarbeit, die der
Realität entspricht, das tut gut. Auch hier hat mir die Darstellung
gefallen, keine durchgeknallten Bullen mit eigener
Persönlichkeitsstörung zu zeigen, die sich durch die Unterwelt
boxen, sondern wir treffen auf reale Typen mir realen
Problemen. Und reicht ein Fall in eine andere Zuständigkeit, wie in
ein anderes Dezernat bzw. eine örtlich andere Zuständigkeit, wird
sich keineswegs ins Auto gesetzt und weiterermittelt, Vorschriften
verletzt. Nein, der Fall wird über den Dienstweg ordentlich
weitergereicht. Zum Inhalt möchte ich nicht mehr viel verraten.
Heavy Metal, einige Tote, einsame Herzen, die die
zusammenfinden oder auch nicht, kitschfrei.
Ich hatte den Krimi anfänglich mehrfach beiseitegelegt, wir
wurden nicht warm. Doch ich bin froh, letztendlich weitergelesen
zu haben, es lohnt sich. Nach einem Achtel des Unbehagens war
ich freudig dran bis zum Ende. Sprachlich könnten Autorin und
Lektorat noch eine Schippe auflegen.
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Rezension
Scherbenkind
von Britt Reißmann