Autorin
Sabine Ibing
Sizilianische Rache
von Ann Baiano
»Unsicher schlug der kleine, dickliche Commissario auf den nicht
sonderlich sauberen Schreibtisch: Da klebten Zigarettenasche und
braune Tabakkrümel, obwohl auf dem Kommissariat natürlich nicht
geraucht werden durfte, und auf dem hellen Holz waren überall
bräunliche Ringe zu erkennen, wo der Commissario zahllose
Espressotassen abgestellt hatte.«
Giulia und Diego, ein junges Studentenpaar, eine romantische
Nacht auf einer Insel in lauer Sommernacht, so war es angedacht.
Die Archäologiestudentin Giulia arbeitet auf einer
Ausgrabungstelle auf der Privatinsel Mozia, weiß, dass niemand
sich nachts dort aufhält. Mit dem Boot angekommen, prescht Giulia
los, Richtung Museum und Diego verirrt sich in Dunkelheit und
Nebel, stößt auf eine merkwürdige alte Frau, danach auf den
leblosen Giacomo, den er versucht, mit einer Erste-Hilfe-Maßnahme
zu retten, er ist verletzt. Doch Giacomo, ein heißer Verehrer von
Giulia, ist tot. Giulia sieht schemenhaft drei Männer im Dunkeln,
sucht nach Diego, findet ihn über den Toten gebeugt und
beschuldigt im Verlauf ihren Freund, den Konkurrenten aus
Eifersucht getötet zu haben. Im Museum der Insel wurde
eingebrochen und eine wertvolle Statue, der »Jüngling von Mozia«,
wurde geraubt. Eine Katastrophe, denn die Figur sollte am
nächsten Tag einer Ausstellung in Rom zugeführt werden.
Luca, ein Journalist, der Vater von Diego, nimmt zusammen mit
seiner Freundin Ada und dem befreundeten Fotografen Silvio die
Ermittlungen auf, will seinen Sohn entlasten. Bald haben sie das
Gefühl, dass Diego tief in der Patsche sitzt, denn die
Anschuldigungen gegen ihn verdichten sich, sollen womöglich vom
Diebstahl der Figur ablenken. Ist diese Figur überhaupt echt?
Versucht man, mit der Mordanschuldigung, eine Kunstfälschung zu
vertuschen, von dem Diebstahl abzulenken?
Gleichzeitig wird in Rückblenden die Geschichte der englisch-
sizilianischen Familie der Philipsons erzählt, die einen Palazzo und
eine Thunfischfabrik in Marsala besitzen. Hier geht es um die
traditionelle Thunfischfischerei, die legendäre Mattanza, bei der
jährlich große Schwärme in die Enge getrieben wurden, bestialisch
abgeschlachtet. Der jeweilige Rais führte in alten Zeiten die Fischer
an.
Für mich waren diese geschichtlichen Rückblenden der stärkste Teil
des Buches. Und ganz ehrlich, ich könnte mir einen historischen
Roman um diesen Stoff wesentlich spannender vorstellen. Beide
Plots laufen nebeneinander her, haben nichts miteinander zu tun,
werden erst am Ende verwoben, ein Umstand, der den Leser
ständig aus der einen oder anderen Story herauskippt. Insgesamt
bekommt man einen guten Eindruck des sizilianischen Flairs, was
mir gut gefallen hat, eine Stärke der Autorin. Aber, am Anfang war
ich geneigt, das Buch nicht zu Ende zu lesen. Die Sätze holperten
wie auf einem Waschbrett dahin, Ausdruck, Stilistik, Grammatik.
Einigen Verben fehlte ein e als letzter Buchstabe, alle Frauen
werden vorgestellt mit: »Ihre Haare waren tiefschwarz glänzend«,
und man wird mit unzähligen Adjektiven behämmert. Der Leser
weiß z.B., dass Kaffee und Tabak braun sind, fühlt sich dauernd
belehrt.
»Luca sah ihm nach, wie er mit langen, entschiedenen Schritten
über die menschenleere Piazza zu Delia Leoni ging, die an einer
Hauswand lehnte. Ein paar Katzen balgten sich in der Sonne und
stießen hohe, spitze Schreie aus. Vor der Bar saßen uralte Männer
mit runzligen Gesichtern auf klapprigen Plastikstühlen ...«
Beschreibungen und Regieanweisungen ersetzen anfänglich das
Profil der Protagonisten. Letztendlich hat mich die Geschichte der
Thunfischjagd an der Stange gehalten. Die sprachliche
Ausdruckskraft verbessert sich im Verlauf, die Protagonisten
gewinnen an Profil. Zusammenfassend schleicht die Geschichte
ohne Spannungsbogen auf einer Nulllinie dahin. Wer sizilianisches
Flair mag, sich für die Mattanza interessiert, der ist gut
aufgehoben. Wer einen spannenden Krimi sucht, wird enttäuscht
sein.
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