Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Krimis / Thriller
Rezension
Söhne und siechende Seelen
von Alper Canigüz
Klappentext:
„Alper Kamu mag die Erwachsenen nicht besonders, niemals möchte
er so werden wie sie. Außerdem glaubt er fest daran, dass mit Eintritt
in die Schule sein Leben zu Ende gehen wird. Viel lieber möchte der
verblüffend kluge und schlagfertige Fünfjährige seine Zeit weiter mit
Fußballspielen, Lesen und Streifzügen durch sein Istanbuler Viertel
verbringen. Eines Tages entdeckt er die Leiche des pensionierten
Polizeidirektors Hicabi Bey und übernimmt kurzerhand die
Ermittlungen. Humorvoll und ironisch erzählt Alper Kamu dabei von
seiner Familie und seinem Freundeskreis, vom Leben in seinem
Viertel auf der asiatischen Seite Istanbuls. Mit tiefgründigem Witz und
schwarzem Humor analysiert der Neunmalklug die Welt der
Erwachsenen, das Universum der Philosophie und löst nebenbei auch
noch einen Mordfall.“
Der Fünfjährige frühreife Alper (er liest Nietzsche gern zum
Frühstück) versucht einen Mord aufzuklären, den man der
Einfachheit einem geistig Behinderten anhängen will:
„Die Verantwortung für ein Verbrechen einem Verrückten
aufzubürden machte es der Staatsgewalt nicht nur leicht, sondern
passte ihr zugleich auch ins Konzept.” - „Der Mörder war sowieso ein
Irrer“ – den Fall mit diesem Satz abzuschließen kam ihnen sehr
gelegen. Damit wollten sie andeuten, dass das System so perfekt war,
dass man an dem Verstand eines jeden, der gegen die Gesetze
dieses Systems verstieß, zweifeln musste. Und genau dieser
Denkansatz brachte mich auf die Palme. Wer den Mord begangen
hatte war mir eigentlich egal.“
Vom Reifegrad steht er in Augenhöhe einem intelligenten und
erfahrenen Erwachsenen. De Erwachsenen nehmen das Kind aber
nicht so ernst, ein Vorteil, wenn man herumschnüffeln möchte.
Nebenbei versucht Alper auch die Versetzung seiner Eltern in eine
unliebsame Region am Ende der Welt zu verhindern.
Alper schreit: "Erdogan, du Doppel-Arsch!" Genial, dass der
Vorgesetzte des Vaters ein Namensvetter des türkischen
Ministerpräsidenten ist. Es wird die vorherrschende Meinung der
Städter Istanbuls beschrieben, dass eine Versetzung ins tiefste
Anatolien das Ende des Lebens bedeute. Man werde lebendig
begraben, denn dort lebten ja nur rückständige Kurden. Die Welt
betrachtet Alper auf seine kindlich ehrliche Weise und stößt mit
messerscharfem Verstand auf die Zustände in der Türkei, reflektiert
die Erwachsenen.
Auf einen Krimi darf man den Roman nicht reduzieren, denn
arabischer Humor und Weisheit durchziehen die Geschichte, die nicht
als üblicher Krimi zu deuten ist. Durch die literarischen, wie
philosophischen Anspielungen, gesättigt mit schwarzem Humor, ist
das Buch trotz einiger Längen zwischendurch ein Leseerlebnis. Das
Kind plappert, schimpft, beleidigt wie ihm der Schnabel gewachsen,
ein Erwachsener würde sich damit in gefährliche Gewässer begeben,
ein gelungener Hinweis des Autors auf die Gefährlichkeit des Wortes
in der Türkei.
Das Buch ist ein paar Tage alt. Somit ist die Brisanz heute noch
deutlicher zu sehen. Den Verlag möchte ich gleich mit empfehlen:
Binooki OHG
Zwei türkische Frauen haben es sich zur Aufgabe gemacht, gute
türkische Literatur, die man in Deutschland leider nicht kennt, zu
übersetzen und zu verlegen.
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