Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Krimis / Thriller
Rezension
Blackout: Morgen ist es zu spät
von Marc Elsberg
Zum Interview mit Marc Elsberg
Hörbuch, 22 Stunden, 04 Minuten gesprochen
von Steffen Groth
Klappentext:
„An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze
zusammen. Der totale Blackout. Der italienische Informatiker Piero
Manzano vermutet einen Hackerangriff und versucht, die Behörden
zu warnen - erfolglos. Als Europol-Kommissar Bollard ihm endlich
zuhört, tauchen in Manzanos Computer dubiose Emails auf, die den
Verdacht auf ihn selbst lenken. Er ist ins Visier eines Gegners
geraten, der ebenso raffiniert wie gnadenlos ist. Unterdessen liegt
ganz Europa im Dunkeln, und der Kampf ums Überleben beginnt ...“
Ein Buch das umhaut, weil es real ist. Hier wird moderner Terrorismus
aufgedeckt, auch als Kriegszenarium denkbar. Länder gehen zu
Grunde ohne Strom. Kein Wasser, keine Lebensmittel, keine Heizung,
keine Industrie, keine Telekommunikation, keine Nachrichten, alle
sind inmobil. Der Wahnsinn bricht aus. Ein spannendes Buch, das
gleichzeitig nachdenklich macht, wie abhängig der Mensch seiner
Technik ausgeliefert ist, wie verwundbar Staaten sind, ganz ohne
Schwert und Kanone. Ein Buch, das nicht unbedingt beruhigt, aber
zum Nachdenken anregt und informiert.
Der Roman zeigt, wie durch einfachste Manipulation Europa mit
einem fast flächendeckenden Stromausfall lahmgelegt werden kann.
Elsbergs Szenario gibt einen Eindruck, was passieren könnte,
Szenarien, die man sich nicht vorstellen möchte. Abtauende
Kühlschränke und Gefriertruhen sind nichts gegen den Abschnitt von
Frischwasser, nicht funktionierende Toiletten, da alles vom Strom
abhängt. Wahnsinn für den Einzelnen, nicht vorstellbar sind
kollabierende Netze und versagende Atommeiler, die das Chaos
perfekt machen. Vernetzung durch gesamt Europa, worüber sich
niemand heute Gedanken macht. Elsberg hat die Handlung spannend
mit nachvollziehbaren Figuren arrangiert, dabei auf Menschen wie
du und ich gesetzt. Schauer durchzieht den Leser und er wünscht,
dass dies nie geschehen mag. Denken wir positiv. Ein Buch, das man
gelesen haben sollte.
Nebenbei, es ist wirklich so, dass unsere Stromzähler heute
europaweit vernetzt sind und Updates an bestimmten Stellen
eingegeben werden, die sich von Zähler zu Zähler weiterverteilen.
Zero – Sie wissen was du tust
von Marc Elsberg
Hörbuch, 13 Stunden, 22 Minuten, gelesen
von Steffen Groth
Klappentext:
“London. Bei einer Verfolgungsjagd wird ein Junge erschossen. Sein
Tod führt die Journalistin Cynthia Bonsant zu der gefeierten
Internetplattform Freemee. Diese sammelt und analysiert Daten –
und verspricht dadurch ihren Millionen Nutzern ein besseres Leben
und mehr Erfolg. Nur einer warnt vor Freemee und vor der Macht,
die der Online-Newcomer einigen wenigen verleihen könnte: ZERO,
der meistgesuchte Online-Aktivist der Welt. Als Cynthia anfängt,
genauer zu recherchieren, wird sie selbst zur Gejagten. Doch in
einer Welt voller Kameras, Datenbrillen und Smartphones gibt es
kein Entkommen...“
Gleich vorweg, ich halte diesen Thriller für grossartig. Für mich ist
Marc Elsberg der neue Michael Crichton. Das hat er mit seinen
beiden Bücher „Blackout“ und „Zero“ bewiesen. „Zero“ sollte meiner
Meinung nach Schullektüre werden.
Zitat: „Datenkraken müssen zerschlagen werden.”
ActApps gibt es bei Freeme, einem sozialen Netzwerk. Fast alle
Jugendlichen sind dort angemeldet und immer mehr Erwachsene.
Die Apps helfen dir, dich besser zu präsentieren und achten auf
deine Gesundheit. Mit Schrittzähler und Pulsmesser sagt dir die App,
ob du noch ein wenig Sport treiben solltest, hilft dir dich perfekt zu
kleiden, hilft dir bei den Hausaufgaben, unterstützt dich beim
Lernen. Die Apps helfen dir ein Kochrezept für den Tag zu finden,
schreiben deinen Einkaufszettel. Dabei achten sie auf die richtige
Ernährung für dich und deine Bedürfnisse. Die Apps sagen dir in
welche Bahn du steigen musst, erinnern dich auszusteigen und
umzusteigen, erinnern dich an Termine und helfen dir die richtigen
Worte beim Date zu finden. Wie konnte ich bloss ohne Freeme in
meinem vorigen Leben existieren? So fragt sich eine jugendliche
Protagonistin.
Und noch etwas, ich kann mit meinen Daten Geld verdienen! Freeme
gibt mir Kohle, wenn ich meine Daten von den Apps freischalte und
ein paar Hundert Fragen beantworte. Damit bin ich im sozialen
Ranking und kann mich mit anderen vergleichen. Durch Freeme kann
ich auch auf alle meine Daten in Firmen zugreifen, sehen, wie mein
Score bei der Bank steht. Was wäre ich ohne Freeme! So fragt sich
eine jugendliche Protagonistin.
Der Roman ist im Präsens gehalten. Der Leser steht mitten im
Geschehen. Cynthia, die ältere Journalistin, nicht sehr technikaffin,
muss sich für eine Recherche mit modernen Kommunikationsmitteln
befassen. Damit hat Elsberg den Charakter erschaffen, dem alles
neu ist und der sich viel erklären lassen muss. Hierdurch erfährt der
Leser, was passiert, wenn … Mancher Leser wird an diesen Stellen
den Roman zu trocken und technisch empfinden, aber das
Grundlagenwissen ist nötig.
Die Handlung ist utopisch. Doch halt! Ist sie das? Datenbrillen gibt es
heute schon, soziale Netzwerke, Apps. Wir werden überall auf der
Strasse von Kameras überwacht. Wir schreiben Mails und Messages,
versenden und veröffentlichen Fotos, wir kaufen online, mit Karte
und mit Payback, sichern unsere Daten in Wolken, lassen uns im
Verkehr leiten. Wir benutzen Suchmaschinen, Apps für Wetter, Reise,
Parken, Gesundheit, die neuen Kreditkarten wissen wo wir einkaufen
und machen uns im Einkaufszentrum auf Angebote aufmerksam, da
sie erkennen, ob wir Kunde sind. Im Supermarkt kann ich mir per
Smartphone Angebote anzeigen lassen, wenn ich daran vorbeigehe
oder Preise vergleichen. Ich kann Schrittzähler,
Medikamentenerinnerung per Apps laden, mein Bookreader sendet
dem Verkäufer Daten über meine Notizen, weiss, ob ich das Buch zu
Ende gelesen habe. Das Elektrizitätswerk sammelt unsere Daten und
die Vertreiber von TV, Musik und Filmen kennen unsere Vorlieben.
Nun gut. Freeme gibt es nicht. Noch nicht.
„Daten sind das Gold der Zukunft“
Elsberg zeigt deutlich, wohin die Datensammelei führt, wie gläsern
wir sind und wie verführbar. Welche Macht haben Datensammler
über uns und wie versuchen sie uns zu beeinflussen? Freeme gibt es
nicht in diesem Ausmass als Einzelfirma, aber ein Stück weit steht
fast jeder von uns mit einem Bein mitten drin. Zero ist ein
spannender Thriller, der uns die Kehrseite der modernen
Vernetzung zeigt.
„Die Menschen lebten ganz gut ohne Privatsphäre, bis sie ein
raffinierter Anwalt vor 100 Jahren erfand. – Er erfand si e nicht, sie
wurde bloss damals in die Gesetze aufgenommen. Gesetze kommen
und gehen, die Privatsphäre wohl auch.“
Zum Interview mit Marc Elsberg
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Foto: © Clemens Lechner