Autorin
Sabine Ibing
Darknet, TOR und Bitcoin, Schlagworte mit denen viele Menschen
nichts anfangen können oder nur eine vage Vorstellung davon
haben. Darknet, Verschwörer, Gangster? Schalten wir das Ding
doch ab, sagte mir kürzlich jemand. Ist das sinnvoll? Auch mit
dieser Frage beschäftigt sich das Buch. Otto Hostettler befasst
sich in seinem Report mit dem Darknet, beschreibt das Netzwerk
durch eigene Recherchen, in das man ohne TOR nicht hineinkommt
und ohne Bitcoins nicht zahlen kann.
Das Darknet ist ein Teil des Internets. Der Journalist Otto Hostettler
hat zwei Jahre im Darknet recherchiert. Die meisten Menschen
surfen auf den Wellen mit ihre Browsern Chrome, Explorer, Safari
usw. im www. Auch wenn wir den Browserverlauf löschen, kann die
Justiz vom Provider verlangen, die Daten offenlegen zu lassen.
Letztendlich ist unser Surfverhalten gläsern. Das Darknet liegt
sozusagen in den Tiefen des Ozeans, versteckt und wir benötigen
eine Tauchausrüstung, um hinunterzugelangen. Dazu benutzt man
den Browser TOR. Es ist nicht illegal im Darknet zu surfen, man
bewegt sich völlig anonym, hinterlässt keine Datenspuren.
Kriminelle, so mag man gleich denken. Und damit liegt man nicht
falsch. Doch der Torbrowser wird ebenso von Aktivisten genutzt,
die unerkannt vor ihren Regierungen und anderen Verfolgern
bleiben möchten, Journalisten treten mit Informanten unerkannt
in Kontakt.
«So können beispielsweise Systemkritiker,
Menschenrechtsaktivisten und Whistleblower vollständig anonym
Informationen verbreiten, mit TOR können sie ihren Standort
gänzlich verschleiern»
Bei den Kriminellen mag man gleich an Auftragsmord und schwere
Waffen denken. Auch das ist dort zu finden, eher im kleinen
Rahmen, berichtet Hostettler. Am meisten werden Drogen und
rezeptpflichtige Medikamente angeboten: Cannabis, Kokain,
Crystal Meth, Psychopharmaka, Anabolika, aber auch Kreditkarten,
Krankenkassenkarten, Pässe usw. werden dort gehandelt.
«Zugänge zu gehackten Konten, Falschgeld, gehackte Software,
fertig programmierte Phishing-Seiten, Hacking-Tools oder auf
Kundenbedürfnisse zugeschnittene Schad-Software und
Spionagesoftware».
Man muss sich die Shops vorstellen, wie einen normalen
Internethandel mit Warenkorb und anschließender
Kundenbewertung. Hostettler hat es ausprobiert. Der Umgang mit
den Shops ist einfach. Die meisten Lieferungen kamen schnell bei
ihm an, wo es nicht klappte, erhielt man seine Bitcoins zurück. Die
eigene Adresse am Briefkaste wird kurzzeitig mit einem Nick Name
überklebt oder ein c/o XX wird angefügt oder man mietet ein
Postfach. Die georderten Medikamente erhielt Hostettler meist in
DVD-Hüllen versteckt, in der originalen Primärverpackung, in
luftgepolsterte Kuverts verpackt, Marihuana wurde wegen der
Geruchsentwicklung mehrfach verschweißt.
»Das Potential hinter der Blockchain-Technologie haben inzwischen
auch Banken und Versicherungen erkannt. Vor allem die
Erkenntnis, dass Finanztransaktionen ohne Mittelperson
ausgeführt werden können, macht der Branche Sorgen.«
Die Währung im Darknet heißt Bitcoin. Die zahlt man auf ein
Sperrkonto ein. Abgeschlossen ist die Transaktion, wenn die Ware
geliefert wurde und der Kunde bestätigt. So ist man vor Betrug
recht sicher. Dieses Blockchain-Verfahren m Internet benötigt
keinen Dritten, also eine Bank. Von meinem Internetkonto zu
deinem, ohne ein Zahlungsinstitut zu nützen, eine Technologie, die
sicher die Zukunft sein wird.
»Es ist allerdings ein Irrglaube, zu denken, Kryptowährungen seien
vollkommen anonym.«
Woher bekommt man Bitcoins? Man kann sie in diversen Banken
kaufen, auf das Handy laden. Allerdings ist jede einzelne
Transaktion im Netz zu 100 Prozent offen, gläsern. Bis zu 2000
Franken pro Tag kann man sich von seinem Konto am Bankomaten
in Bargeld täglich auszahlen lassen. Doch wer das tut, wird
garantiert auffällig bei den Banken und bei der Polizei gemeldet.
Wir haben es hier mit einer Pseudoanonymität zu tun, was den
meisten Handelnden nicht klar ist.
Hostettler fand heraus, dass die illegalen Seiten des Darknets sich
gern als Kuckucksseiten andocken. Die Kriminellen hacken in wenig
betreute Websites von Behörden, Feuerwehr, Kindergarten,
Vereine usw. und richten sich dort eine Unterseite ein, völlig
unbemerkt.
In dem Buch finden sich auch interessante Interviews mit Händlern
aus dem Darknet. Wir lernen die Sorgen und Nöte von »Marihuana-
Landwirten« kennen, denen schon mal eine ganze Ernte zerplatzt.
Und immer geht es um die Frage nach der Angst, erwischt zu
werden. Damit hat niemand ein Problem. Alles ist anonym, ein
Kunde kann keinen Dealer verraten, so wie es auf der Straße läuft.
Die Chance erwischt zu werden tendiert gleich Null.
»In diesem Netzwerk konnte tatsächlich kein physischer
Serverzugriff mehr definiert werden, Bruchstücke der Daten
waren ›cloud-mässig‹ auf verschiedene Rechner verteilt.«
Und wie geht die Polizei mit dem Darknet um? Auf der einen Seite
gibt es zu wenig Manpower, auf der anderen zu wenig Kenntnis.
Ermittlungsbehörden und Justiz sind weder ausgebildet, noch
haben sie die Gefahr ernsthaft wahrgenommen. Hinzu kommt,
unser Rechtssystem ist nicht auf das www aufgebaut, sondern
steckt in lokalen Grenzen. Die Schweizer Behörden hinken diesem
Thema arg hinterher. Klar, es gibt Experten, die sich mit
Cybercrime beschäftigen. Vorranging wird allerdings die
Ermittlung auf Phishing- und Hackerattacken, so wie
Kinderpornografie gelegt.
»Konkrete Ermittlungen im Darknet gibt es in der Schweiz ohnehin
praktisch keine.«
In Deutschland, so las ich heute in der Zeitung, hat das BKA in
Wiesbaden seine Cybercrime-Abteilung groß ausgebaut und man
berichtete, ein Server mit über 35.000 Usern der Kinderpornografie
über das Darknet sei heute sichergestellt worden, viele User
identifiziert. Und vor zwei Wochen ging den Fahndern ein großer
Drogenring im Darknet ins Netz. Auch die internationale
Zusammenarbeit der Polizei hat zugenommen.
»Vielen Ermittlern fehlt schlicht das nötige Know-how. Es ist keine
Seltenheit. dass sogar Staatsanwälte, die auf
Wirtschaftskriminalität spezialisiert sind, ihre Erkenntnisse über
die riesigen Schwarzmärkte im Darknet aus der Zeitung haben.«
Unkenntnis und fehlende Technik sind eine Hürde. Um einen Dealer
zu erwischen, der 10.000 bis 30.000 Franken im Monat umsetzt,
braucht es Manpower. Ist das den Aufwand wert? Unsere
Rechtssysteme enden an Kantonsgrenzen, an Ländergrenzen. So
ist es möglich, dass verschiedene Kantonspolizisten, -
staatsanwälte am gleichen Täter recherchieren und voneinander
nichts wissen. Es wird von einem Fall von Kreditkartenbetrug 20016
berichtet, von dem viele Schweizer betroffen waren. Die Täter
wurden ermittelt, von der thailändischen Polizei der Schweiz
ausgeliefert. So funktioniert Zusammenarbeit, mag man denken!
Das Bundesstrafgericht der Schweiz lies die Täter frei, weil sie nicht
über Straftaten im Ausland zu urteilen hätten.
Rundum ein phantastisches Buch, für alle die, die sich für das
Thema Darknet und Bitcoins interessieren. Neue Technik, neue
Aufgaben, anschaulich und lesenswert erklärt. So schnell, wie sich
die Welt technisch verändert, kommen Exekutive und Judikative
nicht hinterher. Solange von oben, also von Seiten der Politik und
anderen Entscheidern das Thema Darknet nicht wahrgenommen
wird, kann sich nichts verändern. Die Entscheider sind in der Regel
ziemlich betagt, sind froh, wenn sie begriffen haben, wie man auf
den Wellen surft. Was unten in der Tiefe lauert, wird in der Regel
nicht wahrgenommen.
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