Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Jahrhundert-Zeugen
Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler
von Tim Pröse
»So wie man behutsam schlafende Kinder streichelt, mit einer seltsamen
Beharrlichkeit. Als wolle sie diesen Moment letzter Zärtlichkeit ins Ewige
bannen.« So erinnert sich Inge Aicher-Scholl an ihre Mutter, die die Särge
ihrer Kinder Hans und Sophie Scholl bei der Beerdigung streichelte.
Nachdem ich Tim Pröse interviewen durfte, war ich beeindruckt von der
großen Empathie des Journalisten. Das Buch machte mich neugierig. Dazu
möchte ich etwas ausholen. Tim Pröse war Redakteur beim »Focus« und
Chefredakteur bei der »Münchner Abendzeitung«. Sein Thema waren
Reportagen mit interessanten Menschen. Besonders faszinierte ihn der
Widerstand während der Hitlerzeit. In seinen Porträts in »Jahrhundert-
Zeugen« fasste er die Interviews von 15 Jahren zusammen, einige der
Interviewpartner besuchte er mehrmals.
Beeindruckend schildert Tim Pröse in Begegnungen mit 18 Personen die
Helden jener Tage. Bertold Beitz, der während der Hitlerzeit bereits für die
Firma Krupp im heutigen Polen arbeitete, stieg nach dem Krieg zum
Generalbevollmächtigten der Firma Krupp auf. Mir war nicht bekannt, dass
er als Manager der Karpaten-Öl AG Hunderte von Juden aus dem Zug zog,
behauptete, es seien seine Arbeiter, sie damit vor der Deportation rettete,
sie einstellte, den ein oder anderen zu Hause versteckte, wie auch den
Jungen Jurek Rothenberg. Beitz und Rothenberg treffen sich nach Jahren,
Pröse ist dabei. Inge Aicher-Scholl berichtet über ihre Schwester Sophie
Scholl. Hans Rosenthal klopfte an der Tür einer wildfremden Frau, die in
einer Gartenlaube lebte, bat im Hilfe, ihn, den Juden, zu verstecken. Sie
versteckt ihn zwei Jahre lang!
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»Franz Müller kämpfte in der Weißen Rose.«
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»Kurt Keller kehrt noch einmal an den Omaha Beach zurück«
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»Wie Hans-Erdmann Schönbeck Stalingrad und den 20.Juli überlebte«
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»Zeitzeugen erinnern sich an Claus Graf von Stauffenberg«
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»Zu Besuch bei Ewald-Heinrich von Kleist, der Hitler töten sollte«
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»Klaus von Dohnanyi über seinen Vater Hans und seinen Onkel
Dietrich Bonhoeffer«
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»Der Letzte von Schindlers Liste«
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»Edgar Feutwanger im Haus seines alten Nachbarn Hitler«
So lauten einige der Untertitel zu den Kapitelüberschriften. Reportagen
über großartige Menschen, die man nicht vergessen darf.
»Michael Emge verdankt Schindler sein Leben. ›Er war ein guter Mensch‹,
sagt Emge. Dann schweigt er für Sekunden. ‹Privat aber war er auch ein
Schuft. Alkohol, Frauen, Geld. Diese drei Dinge waren ihm wichtig.‹
Schindler war ein Geschäftsmann, der Hennessy-Cognac, englische
Zigaretten und alle hübschen Frauen liebte, die ihm begegneten. Er sei
auch deswegen gut zu ›seinen‹ Juden gewesen, weil er reich mit ihnen
geworden sei, sagt Emge: ›Er war durchaus zunächst auf seinen Vorteil
bedacht.‹«
Dies Buch ist wichtig! Gerade weil wir in einer Zeit leben, in der mancher
nach einer starken Hand schreit, faschistische Tendenzen sich
breitmachen, an der Demokratie gezweifelt wird. Tim Pröse führt uns
zurück in düstere Jahre, zeigt Menschen, die aufrecht andere
verteidigten, die den Mut besaßen, NEIN zu sagen und er zeigt Opfer des
Natianalsozialismus. In empathischer Weise begegnet er den Zeitzeugen
und lässt sie berichten. Tim Pröse klagt nicht an. Sein persönlicher Bericht
über die Begegnung mit Menschen, die sich nicht anpassen wollten, die sich
nicht duckten, berührte mich als Leser. Ein wunderbares Buch gegen das
Vergessen und ein Aufruf für den zivilen Widerstand!
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