Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Benedikta zu Stolberg
von Sabine Ibing
Du stammst aus Lübeck und lebst in Husum, an der Nordsee, in
Schleswig- Holstein. Was bedeutet dir die See und ihre Landschaft:
Moore, Deich, Wind? Kannst du dir vorstellen in einer warmen Zone, wie
das Mittelmeer zu leben?
Benedikta: Ich bin dankbar, am Rand des zum Weltnaturerbe
gehörenden Nationalparks Wattenmeer leben zu dürfen, in direkter
Nachbarschaft zu den zweimal im Jahr durchziehenden Zugvögeln. Ich
liebe das raue Wetter an der Schleswig-Holsteinischen Westküste, die
Nordsee zu jeder Jahreszeit, Regen, Sturm und Schnee, den weiten
Himmel, das wechselnde Licht über dem Wasser, die
abwechslungsreiche, von Menschen und Tieren geprägte Landschaft.
Es leben sehr viele Tiere in Schleswig-Holstein, wenn auch leider viel zu
viele unter nicht artgerechten Bedingungen. Als Grenzland hat
Schleswig-Holstein eine wechselvolle und interessante Geschichte,
geprägt von Höhen und Niederlagen, Gewinnen und Verlusten. Eine
unerschöpfliche Quelle für neue Geschichten.
Magst du Labskaus? Wenn ja, modern oder lieber traditionell? Wie ist
dein Verhältnis zu Fleisch?
Benedikta: Da ich fast vegan lebe, würde ich vom Labskaus bis auf
Kartoffeln, Zwiebeln und Rote Bete nichts essen. Ich esse kein Fleisch
und fast keine tierischen Produkte mehr. Wenn mir jemand einen Tipp
für Milchersatz im Kaffee geben kann, der nicht flockt, wäre ich sehr
dankbar und würde auch keine Milch mehr konsumieren. :--)
Norddeutschland nennt man auch das »Schweineland«, da dort mehr
Schweine als Menschen wohnen. Du schreibst einen Roman, bei dem es
um Massentierhaltung geht. Warst du einmal auf so einem Hof? Erzähle
von deinen Eindrücken.
Benedikta: Selbstverständlich habe ich für die Recherche zu meinem
Roman Höfe mit Massentierhaltung besucht. Die bedrückenden
Eindrücke von den Tieren, die in Megaställen ohne Luft, ohne die
Möglichkeit, sich in ihren eigenen sozialen Strukturen zu ordnen oder in
natürlicher Umgebung nach Futter zu suchen, in qualvoller Enge und
Langeweile vegetieren, sind in meinen Roman „Nach der Schafskälte“
eingeflossen.
Es sind ja nicht nur die Schweine. Auch die dadurch entstandene Gülle
macht enorme Probleme. In einigen Gebieten ist das Trinkwasser
gefährdet. Warum verbietet man nicht, die Gülle auf das Land zu
kippen? In Niedersachsen z.B. gibt es einen grünen
Landwirtschaftsminister.
Benedikta: Ich wäre sehr dafür, das Ausbringen der Gülle ganz massiv
zu begrenzen. Aber noch besser wäre es, ganz und gar von der
Massentierhaltung abzurücken, zugunsten eines artgerechten Lebens
der Tiere. Die Würde der Tiere wird in der industriellen Tierhaltung mit
Füßen getreten.
Deshalb hoffe ich auf ein Umdenken der Politik, damit sie in Zukunft mit
den in großem Rahmen eingesetzten Subventionen nicht länger die
Massentierhaltung, sondern die artgerechte Tierhaltung unterstützt.
Aber die Politik wird sich nur ändern, wenn wir unsere Ablehnung des
gegenwärtigen Zustands gemeinsam kundtun.
Du hast ein enges Verhältnis zu Natur. Auf deiner Webpage hast du
eine Menge schöner Fotos von Landschaft und Tieren veröffentlicht.
Was bedeutet dir Natur?
Benedikta: Wir sollten uns klarmachen, dass Natur nicht nur „Umwelt“
ist. Beim Denken mit dem Begriff „Umwelt“ stellen wir Menschen uns in
den Mittelpunkt, als sei alles andere um uns herum nicht so wichtig wie
wir. Das ist meiner Meinung nach der entscheidende Denkfehler, ein
Relikt der Denkweise innerhalb der monotheistischen Religionen, der
einer aufgeklärten Sicht auf die Welt nicht entspricht. Wir sollten
Frieden mit der Natur schließen, Tieren und Pflanzen den Raum lassen,
den sie zum Leben brauchen und versuchen, unser Leben ohne
Raubbau zu gestalten. Alles ist mit allem verbunden. Es kann uns nicht
egal sein, wenn auf der anderen Seite der Erde eine Schmetterlingsart
ausstirbt, weil wir für unsere industrielle Produktion große Mengen
Palmöl benötigen. Wir alle leben in einer einzigen Welt, Menschen,
Tiere, Pflanzen. Die Natur ist unsere gemeinsame Grundlage. Leider
sind wir Menschen bisher nicht achtsam mit ihr umgegangen. Ich hoffe
sehr, dass sich das mit zunehmendem Bewusstsein für die Bedeutung
und Schönheit der Natur ändert.
Du bist Jahrgang 55. Wie sah Benedikta damals aus? Hippy oder
alternativ, von jedem ein bisschen oder eine »brave« Jugendliche?
Warst du damals schon in der Natur engagiert, z.B.
Antiatomkraftbewegung?
Benedikta: Als Anhängerin der Friedensbewegung war ich auch auf
Antiatomdemonstrationen dabei, ebenso wie auf Demos gegen
Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Aufrüstung.
Da man sich in meiner Jugend in puncto Musikgeschmack positionieren
musste, erklärte ich mich zur Stones-Anhängerin, das fand ich
angesagter. Meiner Liebe zur Musik der Beatles habe ich damals nur
hinter verschlossenen Türen gefrönt. :--) Heute höre ich alles, was mir
gefällt, Reggae und Hiphop ebenso wie Fado, Youssou N’Dour, Wolfgang
Amadeus Mozart, Antonio Vivaldi oder Johann Sebastian Bach.
Du bist gelernte Möbelrestauratorin. Liebst du antike Möbel? Wenn ja,
schaust du dich auf Flohmärkten nach solchen Stücken um und möbelst
sie auf?
Benedikta: Wenn ich Zeit dazu habe, sehr gern.
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber
verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden wir die
Termine?
Benedikta: Ich arbeite an einem weiteren Roman, ein Zeitpunkt für das
Erscheinen steht aber noch nicht fest. Eine Lesetour plane ich zurzeit
nicht, ich stehe nicht gern in der Öffentlichkeit. Darüber hinaus habe
ich keine Zeit für Lesungen, da ich mich um junge Menschen kümmere,
die aus ihrem von Krieg erschütterten Heimatland nach Deutschland
fliehen mussten. Die übrige Zeit des Tages (oder der Nacht) brauche
ich fürs Schreiben. Und last, not least habe ich den Sinn von Lesetouren
noch nie so ganz begriffen, jeder, der sich ein Buch kauft, kann doch
selbst lesen, oder?
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu
beantworten.
Benedikta: Auch dir vielen Dank für dieses Interview, liebe Sabine.
www. http://benediktazustolberg.de/
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