Autorin
Sabine Ibing
Bookosa
Froh gelaunt kehrte ich von der Buchmesse zurück. Mit
Entsetzen musste ich feststellen, die Tür zu meinem
Arbeitszimmer war aufgesperrt. Ich hatte sie ganz sicher
abgeschlossen! Auf meinem Schreibtisch herrschte ein
wildes Chaos. Oho, würde da einer sagen! Nein, wild war
es vorher nicht! Und was soll ich sagen, sämtliche
Unterlagen und Dateien zu meinem Roman »Zenissimos
Jagd« waren verschwunden! Ich war echt wütend, das
könnt ihr mir glauben.
Die Vermutung liegt nahe, dass die ABA hinter der Aktion
steckt. Aber auch die CSI Bookosa scheint ihre Finger mit
im Spiel zu haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass diese
Schnüffler noch vor dem Eintreffen der Polizei hier waren
und ungefragt alles fotografierten – leider auch mich.
Bevor die gestohlenen Dokumente nun über dubiose
Quellen an euch herangetragen werden, veröffentliche ich sie lieber selber.
Meine Fotos aus Hannover sind verschwunden.
Hier bin ich aufgewachsen. Nun ja, eher in Schwimmbädern
und Hallenbädern, mein zweites Zuhause war das Hainhölzer
Bad. Mein Papa engagierte sich im Verein der »Freien
Schwimmer«, spielte Wasserball, agierte als Trainer und
Schiedsrichter und sogar im Schwimmverband hatte er seine
Aufgaben. In den Ferien zelteten wir im ehemaligen
Jugoslawien, die gesamte Küste rauf und runter, nur Steine,
steile Küsten. Damit ich nicht ersoff in Meer oder
Schwimmbad, blieb nichts anderes übrig, als mit zwei Jahren
das Schwimmen zu beherrschen. Logischerweise schließt
sich eine Schwimmerkarriere an? Ich war ganz gut, aber zu
faul zum Trainieren, denn die Welt hatte noch so viel
Interessantes zu bieten. Das ewige Fliesenzählen war mir zu
langweilig. Lieber vertiefte ich mich in meine Bücher. Ohne
ein Buch in der Tasche fühle ich mich nackt. Ich gehörte
immer zu den Menschen mit eigenem Kopf und Ideen und
sofort konnte ich mich für den Einfall erwärmen, einer
Wassrtball- Damenmannschaft beizutreten. Ein paar Jugendliche aus dem
Schwimmsport unseres Vereins packten die Idee an und wir gründeten eine
Mannschaft. Plötzlich hatten alle Schwimmvereine in Hannovers eine Wasserball-
Damenmannschaft. Das Modell zündete auch anderorts und seit ein paar Jahren ist
dieser Sport sogar olympiatauglich. Ich glaube rückblickend, unser erstes Spiel damals
war das meistbesuchteste Match, mit viel Presse und Tamtam, wir spielten gegen
Männer. Am folgenden Tag las man in der Tagespresse: »Bitte nur einen Ball in der
Hand, meine Herren, sagte der Schiri«.
In Hannover bin ich zur Schule gegangen, hatte die Wahl ein Regelabi zu absolvieren
oder die Fachschule. Pädagogik interessierte mich mehr als Physik und Chemie und so
entschloss ich mich zu einer Erzieherausbildung, bei der ich mein Abitur abschloss.
Nahtlos ging es weiter, ich studierte und schloss mein Doppelstudium mit dem
Abschluss als Dipl. Sozialpädagogin und Dipl. Sozialarbeiterin ab. Ich landete in der
Erwachsenenbildung. Die Richtung habe ich nie gewechselt, weil sie mir
entgegenkommt. Man muss ständig etwas dazulernen und vielseitig mit Menschen
arbeiten.
In Hannover kam meine Tochter zur Welt. Und dann hatte mein Lebenspartner die
verrückte Idee nach Teneriffa zu ziehen. Wir schmiedeten einen Plan, wie wir das
realistisch umsetzen konnten. Hannover Adieu.
Sie haben meine Teneriffafotos
geklaut!
Urlaub auf der Insel Teneriffa, eine Menge
Fotos von Land und Leuten steckte in
meinen Dateien! Damit nicht genug, vier
Jahre meines Lebens sind auf weiteren
Bildern entstanden. Einige davon
resultierten aus beruflicher Natur. Im Hotel
Maritim gründeten wir die »Academia
Canaria«, Erwachsenenbildung, das war
mein Metier. Wir boten Touristen und
Einheimischen Kurse und Vorträge an,
sportlich und kulturell. Sprachkurse für
Deutsch, Spanisch, Englisch und Malkurse
standen auf der Agenda, Yoga, Gymnastik,
Wassergymnastik, Wandertouren, verschiedene Vorträge, Ernährungsberatung, das
Programm war vielfältig. Hinzu kam eine Zeitung, der »Leonardo«. Anfangs war es
schlicht ein Anzeigeblatt: Verkaufe, suche ... Der Veranstaltungskalender war der
Einzige auf der Insel, der vollständig alle kulturellen Ereignisse um Vorfeld erfasste.
Üblich war es eher, im Nachhinein zu berichten. Später kam ein kleiner redaktioneller
Teil dazu. Auch hatten wir Spass, am »Kanarischen Kurier« beteiligt zu sein, einer
neuen Tageszeitung. Wir waren für den Teneriffateil zuständig. Das Blatt verkaufte
sich besser als die BILD, denn wir erschienen morgens, BILD erst am Abend: Weltteil,
Deutschlandseiten und Inselrubrik. Der Herausgeber hatte leider nach einem Jahr kein
Geld mehr, da sein Angestellter, der die Anzeigen hereinholen sollte, sich eher für die
Rubrik Brathähnchen zuständig fühlte und faul am Strand lag. Im Laufe dieser Jahre
habe ich viele Fotos gesammelt.
Oh Schreck! Selbst meine sortierten Teneriffa-Artikel sind verschwunden!
In diesen Jahren habe ich die Insel von einer
anderen Seite kennengelernt. Die touristische
Erkundung ist eins, das Leben dort etwas
anderes. Ich erinnere mich an einen der
ersten Tage zurück: Ich holte meine Tochter
aus der Vorschule der Deutschen Schule ab.
Eine Mutter hatte draußen vor der Tür eine
Runde Sekt geschmissen, im wahrsten Sinne
des Wortes. Nachdem die Flaschen leer
waren, landeten sie an einer Steinmauer, die
Kristallgläser hinterher. Dabei schrie sie:
»Adieu du Scheißinsel! Ich fahre nach Hause.
Hier kotzt mich alles an! Endlich komme ich
hier weg von den Betrügern, von den
Gangstern, ihr könnt mir alle den Buckel
herunterrutschen!« - Vier Jahre später stand ich mit meinem Auto vor der Fähre
zurück nach Deutschland und dachte an die Frau. Die Szene hatte mich damals irritiert.
Und nun fühlte ich ähnlich, nur ohne die gleiche Hysterie. Ja, ich liebe Teneriffa. Es ist
eine wunderschöne Insel. Ja, ich hasse Teneriffa. Nein, nicht die Insel, den Umgang der
Menschen dort miteinander. Mit meinem Job kam ich nicht herum um die deutsche
Gemeinde, so sehr ich mich auch bemühte. Abgesehen vom Getratsch, das man überall
findet und der extrem miesen Zahlungsmoral, ja extrem hoch, hatte ich manchmal das
Gefühl, Bescheißensei der Volkssport. Wie habe ich ich es unbeschadet überlebt? Nach
dem Händeschütteln Finger zählen, genau auf Körpersprache achten, grundsätzlich
nichts glauben und jedem, der einem ein nettes Angebot unterbreitet, in den den
Allerwertesten treten. Man tritt immer den Richtigen. Es gibt zwei Sprüche, den man
mehrmals am Tag auf der Insel zu hören bekommt:
1. Jeden Tag steht ein Dummer mehr auf.
2. Wie wird man auf Teneriffa Millionär? Indem man zehn Millionen mitbringt.
Wie findet man Freunde? Temporal. Die Guten gehen meist wieder, einige davon behält
man, auch wenn man tausende Kilometer getrennt ist. Es war nicht alles schlecht. Wir
haben viel gelacht und fantastische Feste gefeiert. Nebenbei, so gefroren wie auf
Teneriffa habe ich nie wieder im Leben. Doch, im Igluwochenende. Eine Insel in der
Sonne hat gleichwohl kühle Jahreszeiten, Januar, Februar. Wenn du keine Heizung
hast, können Nächte bei neun Grad verdammt kalt sein, denn die Mittagssonne wärmt
die Wohnung nur geringfügig auf.
Ha, hier habe ich noch eine Datei gefunden. Die haben sie vergessen:
Der Sparkassenmann
Gestern klingelte es an meiner Tür. Ein Herr
im schnittigen Anzug lächelte mich an. »Du
bist Sabine? Der Erich meinte, ich soll dich
besuchen.« Die ersten Alarmglocken
schrillten in meinem Kopf. Der will etwas
verkaufen. Ich witterte eine Story und bat ihn
herein. Der Mann stellte sich vor: »Deutsche
Sparkasse SL, Müller mein Name.« Und schon
zückte er ein Hochglanzpapier mit Logo der
Deutschen Sparkasse hervor. Man muss
wissen, SL ist in Spanien das GmbH Kürzel.
Was viele nicht verstehen, deutsche Namen
sind in Spanien nicht geschützt. Ich könnte
morgen die Bauknecht SL gründen, soweit
der Name in Spanien nicht vergeben ist. Der
Kerl unterbreitete mir eine unglaubliche Anlage mit mordsmäßiger Rendite. »Und sie
sind von DER Deutschen Sparkasse?«, fragte ich aufmerksam. »Selbstverständlich. Wir
sind der hiesige Ableger. Rufen Sie unter dieser Nummer an und erkundigen Sie sich!«
Ich tat sehr interessiert und versprach, ich würde mich melden, ließ mir den Prospekt
geben. Sofort rief ich bei der angegebenen Nummer an. »Deutsche
Sparkasssenzentrale«, meldete sich eine Stimme. Der Mann an der anderen Leitung
bestätigte alle Angaben zu der Anlage. Wohl dem, der misstrauisch ist. Das einige
korrekte an der Telefonnummer war die deutsche Vorwahl. Ich rief Erich an. »Du hast
dem Typen doch kein Geld gegeben?«, wollte ich wissen. »Super Anlage! Hast auch
investiert, was?« Erich war begeistert. »Nö«, sagte ich, »probier ihn zu erreichen!«
Jetzt war Erich böse. »Was du immer hast!« Er berichtete von drei Leuten, die ihre
ersten Ausschüttungen erhalten hatten, nach drei Monaten. Und das Ende der
Geschichte? Zwei Wochen später war der Mann wie vom Boden verschluckt,
einschließlich seiner SL und dem angelegten Geld.
Mit Entsetzen stelle ich fest, meine Stalking-Dateien sind weg!
In meinem Berufsleben als Sozialpädagogin habe ich
Menschen psychologisch beraten müssen. In unseren
Kursen saßen Jugendliche, die einen Schulabschluss
machten, eine Ausbildung absolvierten, Erwachsene in
der Fortbildung, in der Umschulung. In Frankfurt
leitete ich eine Niederlassung, die sich um die
berufliche Integration von Schwerbehinderten
kümmerte. All diese Personen hatten einiges in ihrem
Leben durchlitten. Es gab Frauen, von denen kannte
ich nicht mal die echte Adresse, nur ein Postfach. Sie
mussten sich verstecken, das Ordnungsamt hielt ihre
Adresse unter Verschluss, manche wohnten im
Frauenhaus. Stalking war hin und wieder ein Thema,
meist für Frauen, es war auch hin und wieder ein Mann
betroffen. Ich hörte Geschichten, bei denen Frauen
über Jahre von einem imaginären Wesen belästigt
wurden. Trotz Umzug war ihnen der Typ auf den
Fersen. Normalerweise soll man sich über Geschenke
und Briefe freuen. Aber garantiert nicht, wenn man ständig welche von einem
Unbekannten bekommt, Fotos von sich selbst, sich fortwährend unter Beobachtung
fühlt. Wen soll man anzeigen und weswegen? Anderen Opfern ist der Stalker bekannt,
ein Expartner, der nicht loslassen kann, ein abgewiesener Lover. Die Motivation ist
unterschiedlich genauso wie die Form des Stalkings und die Intension, sowie die Dauer.
Jeder Fall ist ein einzelner. Auf meiner Recherchentour habe ich überraschend
ehrliche Antworten erhalten. Ja, ich wurde schon mal gestalkt, ja ich habe schon mal
gestalkt, so die Umfrage im Bekanntenkreis. Mutig, sich mir als Täter zu offenbaren:
Ich schäme mich so dafür ... Damals habe ich es nicht verkraften können, als meine
Freundin mich verließ. Ich telefonierte ihr monatelang hinterher, bombardierte sie mit
SMS und lauerte ihr an der Straßenbahnstation auf, beobachtete ihr Haus, besuchte
ihre Lieblingslokale ... Das sind ganz normale Menschen, die mir das berichteten. Hier
handelte es sich um kurze Belagerungen von Expartnern, die relativ schnell im Nichts
endeten. Irgendwann hatten sie verstanden, dass die Beziehung nicht mehr zu retten
war und sie gaben auf. Hierbei handelt es sich um harmloses Hinterherschleichen, mag
man mitleidig meinen. Auf der Seite stehen die Betroffenen, die sehen das anders. Sie
sind genervt, fühlen sich belästigt und es kommt zuweilen zu psychischen
Beeinträchtigungen.
Wann ist Stalking als krank zu bezeichnen? Immer dann, wenn der Stalker eigentlich
gar nichts mit der Person zu tun hat, die er belagert. Immer dann, wenn das
angebetete Individuum nie etwas mit dem Stalker zu tun haben wollte und ihm dies
unmissverständlich mitgeteilt hat. Und immer dann, wenn man sich nach beendeter
Beziehung nach kurzer Zeit nicht mehr im Griff hat, nicht aufhört, den ehemaligen
Partner zu belästigen.
Die Karibikdateien sind weg, inklusive aller Fotos!
Für mein Buch »Zenissimos Jagd« habe ich über
Santo Domingo, die Insel Sanoa in der
Dominikanischen Republik recherchiert und einiges
über den Tauchsport. Auch diese Dateien sind vom
Rechner geklaut, mitsamt den schönen Fotos!
Liebe Leute von der ABA , solltet ihr hinter der
Aktion stecken oder die CSI Bookosa, macht euch auf was
gefasst! Her mit meinen Dateien, sonst gibt es Saures!
Ich habe mir überlegt, wie ich mich rächen werde! Ein schöner
vergifteter Kuchen wird euch schmecken, ihr Süßen! Rein
biologische Zutaten, glutenfreies Mehl, Zuckerersatz, falls ein
Diabetiker unter euch ist, ohne Eier und Butter, für die Veganer,
keine Nüsse, soll allergiefrei sein. Doch was mache ich, wenn ein
Fruktaner bei der Bande hockt? Kuchen ist keine gute Idee. Ich
braue einen vergifteten Kräuterschnaps! Auch das verwerfe ich
lieber. Abstinenzler könnten dabei sein, Menschen, die Alkohol
aus religiösen Gründen verweigern.
Ja! Jetzt habe ich es! Ich schicke ihnen ein paar Bücher von mir, getränkt in Gift! Diese
Lesejunkies werden darin versinken, Seite für Seite das Gift einatmen, es wird ihnen an
den Fingern kleben, sie werden damit ihre Lippen berühren ...
Beklaut nie einen Krime-Autor, das könnte nach hinten losgehen!