Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Horst Eckert
(von Sabine Ibing)
Deine Bücher sind speziell, spannend, politisch, brisant. Man
könnte sie sogar als regionale Thriller bezeichnen. Wie würdest
du dich selbst einordnen?
Horst: Vielen Dank für dein Lob! Ich sehe meine Bücher als
Thriller oder als Krimis mit Thrillerelementen. Und mit Kripo-
Ermittlern als Hauptfiguren, also kann man auch Polizeiroman
dazu sagen, wenn man will. Als regional würde ich die Romane
nicht einordnen, denn ich habe zwar mit Düsseldorf einen
erkennbaren Handlungsort, aber das Lokalkolorit ist höchstens
zweitrangig.
Ich würde deine Bücher als durchweg politisch bezeichnen. Du
hast dies Fach studiert und als Journalist gearbeitet. Dein
Interesse vermittelst du auch in deinen Büchern. Ist von Horst
Eckert irgendwann einmal etwas anderes zu erwarten?
Horst: Am wichtigsten waren mir immer meine Figuren und ihre
ganz persönlichen Geschichten. Im Lauf der zwanzig Jahre seit
meinem Debüt „Annas Erbe“ hat sich immer öfter ein politischer
Hintergrund dazu gesellt, das stimmt. Was sich politisch tut,
geht uns alle an, ob wir wollen oder nicht. Deshalb verleiht ein
politischer Aspekt meiner Geschichte eine zusätzliche
Dimension. Was ich in den nächsten Jahren schreiben werde,
kann ich nicht sagen. Ich muss brennen für eine Geschichte,
denn ich will kein belangloses Zeug schreiben. Davon gibt es
schon genug.
In deinen Büchern geht es oft sehr korrupt zu. Bist du ein
Mensch, der gern Dinge hinterfragt? Wie misstrauisch bist du
selbst Menschen gegenüber?
Horst: Darum geht es doch im Krimi: um unsere Verfehlungen.
Wir lesen in der Zeitung ständig von Korruption, verdrängen
aber gern, dass es das in unserem Land gibt. Ein zusätzlicher
Grund, darüber zu schreiben! Als besonders misstrauisch
würde ich mich nicht bezeichnen. Aber eine Antenne für
menschliche Schwächen habe ich schon, denke ich.
Ich habe dich als sehr bodenständig und bescheiden erlebt.
Wie viel Tom Wolfe steckt in dir?
Horst: Ich versuche, meine Eitelkeit möglichst zu verbergen.
Tom Wolfe verehre ich für „Fegefeuer der Eitelkeit“, nicht für
sein Auftreten.
Bierschlepper in einer Diskothek, Fahrstuhlführer bei Hertie,
Redaktionshospitant beim ZDF, Jobs aus deiner Studentenzeit?
Hat dich das ein Stück geprägt? Sind diese Erfahrungen auch in
deine Bücher eingeflossen?
Horst: Na klar, mein ganzes Leben fließt in meine Romane, auch
wenn ich nicht über mich schreibe.
Du hast als Journalist beim Fernsehen gearbeitet und warst im
Ausland im Einsatz. Fehlt dir dieses Leben nicht ein wenig?
Horst: Was mir gar nicht fehlt, sind der Stress und das
Eingebundensein in einen Sender mit Bürokratie und internen
Querelen, Quotendruck und politischer Rücksichtnahme. Ich
habe einen wunderschönen Beruf gegen den besten von allen
eingetauscht. Größere Freiheit ist nicht möglich. Trotzdem bin
ich sehr froh über meine fünfzehn Jahre als Reporter. Ich
zehre davon und recherchiere nach wie vor sehr viel. Das ist
mir wichtig, denn einerseits sind meine Geschichten reine
Fantasie, andererseits will ich darin von der Welt erzählen.
Nun zu deinen Büchern. Nach meiner Lektüre von Sprengkraft
und den politischen Ereignissen musste ich überlegen, ob du
nicht etwas Hellseherisches an dir hast. Du benennst eine
Partei, die neu gegründet wird und sich liberal nennt. Als
Aushängeschild lässt man eine attraktive Frau agieren, die
nichts zu melden hat, denn hinten ziehen rechtskonservative
alte Herren die Strippe. Letztendlich hat die Wirklichkeit dein
Buch überholt. Wie kamst du auf diese Idee?
Horst: Ich wollte zwei Extreme beschreiben, den Islamismus
sowie eine rechte Partei, die mit Angstmache vor dem Islam auf
Stimmenfang geht. Für beides gab es bereits Vorbilder, aber
während der achtzehn Monate, die ich an dem Roman
arbeitete, hat mich die Wirklichkeit ständig eingeholt, da hast
du recht. Ich empfand das auch als gespenstisch, aber ich
glaube, wenn ich als Krimiautor eine Sache übertreibe,
bewahrheitet sie sich früher oder später.
In Schattenboxer wird erklärt, woher dein Protagonist Vincent
Che Veih seinen zweiten Vornamen hat und wir erfahren etwas
über seine Mutter, die in jungen Jahren der RAF nahe stand.
Warum dieses Thema?
Horst: So fremd uns heute die RAF ist, so hat sie doch eine ganze
Generation beschäftigt und geprägt. Ich bin mit den
Fahndungsplakaten aufgewachsen und den Fernsehbildern
von Anschlägen, Festnahmen und Hungerstreiks. Als junger
Mensch, der sich politisch links stehend begreift, warst du
damals ständig unter Rechtfertigungs- und
Distanzierungsdruck. Und so viele Fragen sind immer noch
offen. Wer hat die Attentate der sogenannten dritten
Generation der RAF begangen? Welche Rolle spielten die
Geheimdienste? Bei meinen Lesungen stelle ich fest, wie sehr
sich auch Leute dafür interessieren, die damals noch gar nicht
geboren waren. Aber ich muss zugeben: Ursprünglich ging es
mir nur darum, Vincent als Menschen zu konstruieren, den
seine Mutter weggegeben hat, als er noch ein Kind war. Dass
sie es tat, um sich der RAF anzuschließen, war dann die daraus
folgende Idee.
Weshalb bekam Vincent von dir den zweiten Namen Che?
Warst du in deiner Jugend ein Fan von Che Guevara? Ich hatte
übrigens ein Poster von ihm an der Wand. Er ermittelt seit
Schwarzlicht.
Horst: Mein Poster war von Jimi Hendrix (lacht). Aber Che
Guevara ist zweifellos eine faszinierende Person – bei allen
politischen Irrungen, denen er letztlich auch zum Opfer fiel –
und natürlich verehrt ihn Vincents Mutter, daher die
Namensgebung.
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns
darüber verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo
finden wir die Termine?
Horst: Vincents dritter Fall erscheint im September 2016. Dann
werde ich wieder zu zahlreichen Lesungen unterwegs sein,
worauf ich mich schon sehr freue. Es geht dieses Mal um
rechten Terrorismus, konkret um den sogenannten
Nationalsozialistischen Untergrund, auf dessen Konto u.a. eine
Serie von Morden an türkischen Gewerbetreibenden geht.
Haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am Ende wirklich
Selbstmord begangen? Waren sie mit Beate Zschäpe, gegen die
in München der Prozess geführt wird, wirklich die einzigen
Täter? Und welche Rolle spielten auch hier die Geheimdiente, die
massenhaft Akten über V-Leute schredderten, statt sie der
Polizei auszuhändigen? Noch nie hat mich ein Thema so
aufgewühlt, und ich habe drei Jahre gebraucht, bis ich mich in
der Lage fühlte, darüber zu schreiben. Und wieder holt mich
beim Schreiben die Wirklichkeit ein. Das zeigt mir, dass ich auf
dem richtigen Weg bin. Mehr noch als in den Neunzigern
während des Kriegs auf dem Balkan kommen heute Flüchtlinge
zu uns, aus Syrien, Afghanistan und Eritrea. Und schon wieder
formieren sich Neonazis, brennen Unterkünfte nieder und
verprügeln Ausländer. In Köln gab es einen Mordanschlag auf
eine OB-Kandidatin, die den Nazis zu flüchtlingsfreundlich war.
Da zeichnet sich bereits ein NSU 2.0 ab. Und auch darum geht es
im neuen Roman. Mehr dazu, und natürlich auch die
Lesungstermine, sobald sie feststehen, gibt es auf meiner
Homepage:
www.horsteckert.de
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen
zu beantworten.
Horst: Gern, ich bedanke mich ganz herzlich für dein Interesse!
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