Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Martin Walser
(von Sabine Ibing)
Heute ein Interview aus der Schweiz mit einem Selfbublisher der besonderen
Güte. Martin Andreas Walser wurde 1952 in Zürich geboren. Er wuchs in
Winterthur auf. Seit über 30 Jahren lebt er mit seiner Familie bei Kreuzlingen
am Bodensee und seit 2012 zeitweise in Broglio TI.
Martin Walser vom Bodensee, aber der auf der anderen Seite der Grenze, in
der Schweiz, nicht Konstanz, sondern Kreuzlingen. Wie hilfreich war dir der
berühmte Namensvetter und hat man euch schon mal verwechselt?
http://www.martinwalser.ch/
Martin: Verwechslungen kommen immer wieder einmal vor, zumal der
Schweizer (Journalist) Martin Walser auch in Konstanz kein gänzlich
Unbekannter war, unter anderem, weil ich für den «Südkurier» schrieb und
als Theaterkritiker für Schweizer Zeitungen während Jahren das Stadttheater
Konstanz begleitete. Nach der Aufführung von Martin Walsers
«Zimmerschlacht» hat mich eine Leserin angerufen: «Dass Sie für meine
Zeitung schreiben, freut mich. Dass Sie auch Bücher schreiben, habe ich zur
Kenntnis genommen. Aber dass Sie die eigenen Theaterstücke auch gleich
noch selber besprechen, das geht zu weit.» Es gäbe eine ganze Reihe solcher
Anekdoten. Hilfreich? Vielleicht in den Anfangszeiten von Facebook. Da kam
ich mit zahlreichen nachmaligen Freunden vermutlich des Namens wegen in
Kontakt, obwohl ich nichts unterlasse, um Verwechslungen möglichst
auszuschließen.
Du hast schon für die Schülerzeitung geschrieben. Kramst du manchmal in
alten Texten und musst du dabei schmunzeln? Hast du deine Art zu Schreiben
in den langen Jahren verändert? Ist sie reduzierter, härter oder weicher
geworden?
Martin: Für mich stand schon sehr früh fest, dass ich im späteren Leben
«etwas mit Sprache» tun wollte. Schriftsteller oder Schauspieler wollte ich
werden. Beides hat zu Hause keine große Begeisterung ausgelöst... Also bin
ich Journalist geworden. Schon in der Sekundarschule habe ich eine eigene
Schülerzeitung herausgegeben, wenig später die ersten Artikel für die
Lokalzeitung geschrieben. Natürlich hat sich die Art des Schreibens mit den
Jahren und Jahrzehnten verändert. Weiter entwickelt, hoffe ich. Geblieben
ist: Ich spiele gerne mit der Sprache, experimentiere, probiere Neues aus. Es
gibt durchaus kleine Texte aus der Schulzeit, die genau dies belegen.
Martin: Du sagst, du möchtest dich nicht mit deinen Büchern an einen Verlag
binden. Du hast doch selbst einen Verlag geleitet. Zitat: »Nicht im Dienste
fremder Herren und mit vielerlei Scheren im Kopf will ich unabhängig und
selbstbestimmt sein.« Warum? Und warum BoD und nicht ganz selbstständig.
Ja, zum Schluss meiner beruflichen Tätigkeit war ich Leiter eines Verlags.
Allerdings eines Verlags, der im Wesentlichen zwei Fachzeitschriften
herausbrachte. Hier habe ich meine journalistischen, fotografischen und die
früher in einer ähnlichen Position erworbenen ökonomischen Kenntnisse
einbringen können. Mit meinem Hobby hatte das nichts zu tun. Aber richtig ist
natürlich: Ich wollte meine eigenen Geschichten dann und in jener Form
herausbringen, die mir zusagt und mir nicht von allen möglichen Menschen
«dreinreden» lassen. Bei allen Risiken, die diese Form des Publizierens birgt.
BoD ist selbständig: Ich bestimme, was ich wann veröffentliche – der Verlag
sorgt dafür, dass meine Bücher und E-Books überall (auf Bestellung) erhältlich
sind. Dies hat viele Vorteile. Es werden keine Bücher gedruckt, die irgendwann
eingestampft werden müssen, wenn sie nicht verkauft werden, ich bin für
den Text, die Gestaltung (aber auch alle Fehler) selber verantwortlich. Und
müsste, dessen bin ich mir bewusst, für die Vermarktung eigentlich mehr tun.
Aber mich selber loben und anpreisen – das liegt mir weniger.
Musik ist Teil deines Lebens, was bedeutet sie dir?
Martin: Lesen und Musik hören gehört seit meiner Jugend zusammen. Damals
habe ich in diversen Bands gespielt (als sehr mäßiger Keyboarder).
Schallplatten/CDs, jetzt legale Downloads und Bücher halten sich zahlenmäßig
wohl ungefähr in der Schwebe, je in einem hohen Tausenderbereich … Ein
Leben ohne Musik ist für mich ebenso wenig vorstellbar wie ein Leben ohne
Bücher.
Du hast deine zweite Heimat im Tessin. Erkläre uns den Unterschied. Der
Bodensee ist doch eine wunderschöne Gegend zum Leben. Nebenbei, ich liebe
deine Zugerlebnisse, die du von unterwegs beim Pendeln schreibst.
Martin: Zum Tessin bin ich eher zufällig gekommen. Eigentlich hatte ich für
diesen Lebensabschnitt von einer Wohnung oder einem Haus in Portugal,
vorzugsweise in Lissabon, geträumt. Ich suchte eine Schreibstube, wo ich
ungestört arbeiten kann. Zufällig habe ich dieses alte, über 400 Jahre alte
Haus im Maggiatal entdeckt, das alles bietet, wonach ich suchte. Beschrieben
habe ich diese Liebe auf den ersten Blick in «Vallemaggia». Ich liebe den
Bodensee und überhaupt den Thurgau. Hier bin ich seit über 40 Jahren zu
Hause. Aber ich liebe auch dieses wilde, ruhige Tal im und das Tessin
überhaupt. Und benötige zwischendurch «Stadtluft». Lissabon, London, Paris
und Barcelona sind meine Lieblingsstädte – und Winterthur, wo ich
aufgewachsen bin.
In «Wiederkehr» sinniert Thomas Wiederkehr, was er nach der Pensionierung
tun wird und will. Er ist ein ruhiger Bursche, in sich gekehrt, ein wenig kauzig.
Wie viel Autobio-grafisches hat Thomas von Martin erhalten?
Martin: Thomas Wiederkehr hat wenig gemeinsam mit mir. Natürlich steckt
gleichwohl in jeder Geschichte etwas von mir drin. Diese Geschichte geht auf
eine Erzählung zurück, die ich vor über 40 Jahren zu schreiben begann. Sie
war mir zu schwülstig, zu sentimental. Immer wieder habe ich versucht, etwas
aus jener Idee zu machen. Entstanden sind auf diesem Weg «SehnSucht», «Am
See» und «Jakob, der Hausdiener», bevor ich mit «Wiederkehr» jene
Geschichte aus meinen jungen Jahren gewissermaßen mit einem Helden
erzählen konnte, der mit mir älter geworden ist.
«deinSein» ist dein jüngstes Buch. Auch hier finden wir wieder einen älteren
verschlossenen Protagonisten, eigenbrötlerisch. Er blickt zurück auf sein
Leben. Was erlebt er hier? Was möchtest du uns dazu erzählen?
Ursprünglich wollte ich eine Geschichte schreiben über die wenigen Sekunden
beim Aufwachen nach einer Liebesnacht: Man hat jemanden kennengelernt,
hat miteinander geschlafen und erwacht nun einigermaßen erschöpft, aber
doch erfrischt, da glücklich. In diesen wenigen Sekunden, bis man die Augen
öffnet, denkt man an so vieles. Aus dieser Idee hat sich über Monate der
Roman «deinSein» entwickelt. Es war auch für mich eine Annäherung an
diesen Felix Amboden, der mir zu Beginn völlig fremd war; Schicht um Schicht
habe ich mich in sein Sein vorgetastet. «DeinSein» hat somit eine doppelte
Bedeutung. Ich habe das Sein von Felix Amboden zu ergründen versucht, und
gleichzeitig denkt der Protagonist darüber nach, was auf diese Nacht folgen
wird – ob er zu Monika sagen soll also: «Ich möchte dein sein.»
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns darüber verraten?
Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo finden wir die Termine?
Martin: Mein nächstes Buch dürfte irgendwann 2016 erscheinen. Derzeit
verfolge ich verschiedene Ideen. Am weitesten fortgeschritten scheint mir
eine Geschichte zu sein, der die griechische Geschichte von Kassandra, der
Seherin, zugrunde liegt. Allerdings verwende ich das Motiv in sehr freier
Form. Ob und wann daraus etwas wird oder ob ich doch zuerst einen
anderen Text vollende und publiziere, steht in den Sternen. Vielleicht
bringen die bevorstehenden Tage in Lissabon mich weiter. Dort habe ich,
über 40 Jahre, nachdem ich mir vorgenommen hatte, ein Buch zu
schreiben, meinen ersten Roman verfasst und vollendet («Vom Leben»).
Lesetouren sind derzeit nicht geplant; ich las bisher sehr selten. Irgendwie
denke ich immer, die Brosamen, die ich auftischen kann, würden den
Geschichten nicht gerecht. Wenn sich aber etwas ergäbe, würde man die
Termine zu gegebener Zeit auf meiner Homepage finden
(www.martinwalser.ch), sie würden aber auch in den sozialen Netz-werken
publiziert…
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen zu
beantworten.
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