Autorin
Sabine Ibing
Interview Blog Magische Momente
M.M.: Wie und Wann hast du das Schreiben für dich entdeckt?
S.I.: Jetzt kommt eine Standartantwort: Ich habe gute Aufsätze geschrieben, mit Fantasie. Und
ich lese seit Bilderbuchzeiten immer gern. In allen Einrichtungen in denen ich arbeitete hat man
mir das Verfassen von Pressetexten, Flyern usw. überlassen. In meinem Beruf musste ich viel
schreiben, allerdings Berichte. Das waren Sachtexte. Auf Teneriffa besaßen wir nebenbei eine
Gratiszeitschrift für Kleinanzeigen. Im Inneren befanden sich kleine Artikel: Kulturelle
Ereignisse, Buchtipps, Restauranttipps und Inselgeschichten. Neben meiner Kolumne schrieb ich
die kulturellen Artikel. Damals besaßen die ersten Leute einen Internetanschluss und fern ab der
Welt chattete man recht häufig. Ein Chatfreund fragte mich, ob ich Lust hätte für eine
österreichische Zeitung eine Kurzgeschichte über das Chatten zu verfassen. Die wurde sogar in
zwei Blättern veröffentlicht und die Leser wollten wissen, wo man den Roman dazu kaufen
könne. So entstand mein erstes Buch, Ch@tlove.
M.M.: Kann man einfach so losschreiben, oder sollte man etwas dabei beachten?
S.I.: Man kann losschreiben oder strukturiert arbeiten. Jeder Schriftsteller hat seinen eigenen
Weg. Ich persönlich bin ein Planer im Groben. Vorab mache ich mir Gedanken wie die
Geschichte verlaufen soll. Ich zeichne den roten Faden mit Verästelungen, kritzele drin herum.
Ich male mir ev. Geländezeichnungen. Dann entwickele ich zu den Protagonisten Namen. Hin
und wieder wird mitten in der Story auch mal ein Name geändert, jedoch nur bei Randfiguren.
Mit dem Namen entsteht der Protagonist, den ich ankleide: Haarfarbe, Augen, Gesicht, Größe,
Alter, Beruf, Charakter, Eigenarten usw. Nun erwacht die Figur in meinem Geist, ich habe sie
vor mir stehen. Schauplätze und Personen stehen nun vor meinem Auge. Nebenbei mache ich
mir Notizen, sobald mir eine Idee einfällt, die aber erst später zum Tragen kommt. Unter der
morgendlichen Dusche komen mir die besten Einfälle.
M.M.: Die Thematik: Stalking finde ich persönlich schon als Herausforderung. Warum hast du
dich gerade für dieses Thema entschieden?
S.I.: Durch meinen Beruf als Sozialpädagogin habe ich immer Menschen beraten. Solernte ich
viele Varianten des Stalkings kennen und erfasste, wie Betroffene darunterleiden. Männer wie
Frauen, hier kann man nicht sagen eine Gruppe wäre stärker vertreten. Sie isolieren sich Stück
für Stück in ihrer Angst, andere suchen rege Gesellschaft, trauen sich nicht mehr allein zu sein.
Interessant war für mich, wie verschieden Personen damit umgehen. Einige bekommen bereits
Panik, wenn sie nach Beendigung einer Beziehung mit SMS- Mail-und Telefonterror belästigt
werden, lassen das Licht aus, damit niemand sieht, wenn sie zu Hause sind. Andere nervt es
schlicht, aber sie denken, das hört auf irgendwann. Fast alle reagieren ängstlich (auch Männer),
sobald sie mit dem Tod bedroht werden. Habe welche erlebt, die in eine andere Stadt
umgezogen, ständig in der Angst, der Stalker findet sie. Manche Leute sind äusserst robust,
zumindest nach aussen, sind trotzdem psychisch von der Rolle, wollen das nicht eingestehen.
Mich hat es regelmäßig geärgert, dass die Justiz wenig eingreift. Andererseits ist es eben nicht
verboten, Menschen anzurufen, ihnen zu schreiben, Geschenke zu schicken … Was soll die
Polizei machen? Solange keine Gewalt oder Sachbeschädigung vorliegt, wird es schwierig.
Beispiel: Ich gehe zur Polizei und sage, ich werde bedroht, einer will mich umzubringen. Ja und?
Hat er es gemacht? Reden ist nicht verboten. Ok. Es könnte eine Nötigung sein. Wer ist es?
Können Sie das beweisen? – Nun hat das Opfer schlauerweise das Telefongespräch
aufgenommen. Kein Beweismittel, da der Gesprächsteilnehmer nicht vorher informiert wurde,
dass das Gespräch aufgezeichnet wurde …
M.M.: Auch über Teneriffa zu lesen, fand ich sehr interessant. Wir waren deine Erfahrungen in
Teneriffa? Haben sie dein Leben beeinflusst und wenn ja, wie?
S.I.: Alles was ich tue beeinflusst mein Leben. Täglich mache ich neue Erfahrungen und lerne
etwas dazu. Wir alle leben in verschiedenen Rollen: Kind, Partner (Expartner), Eltern, Nachbarn,
Arbeitskollege, Chef, Staatsbürger … Wechselt die Rolle bzw. die Örtlichkeit, prasseln neuartige
Erlebnisse auf uns ein. Man macht gute und schlechte Erfahrungen. Ich würde über die bösen
Episoden in meinem Leben nicht jammern. Sie haben mich bereichert, mich schlauer und stärker
gemacht.
Wir sind damals nicht blauäugig nach Teneriffa gezogen. Neben dem Urlaub haben wir im
Vorfeld drei Monate dort gelebt und Spanisch gelernt, alles vorbereitet. Davor hatten wir
beruflich schon alles abgecheckt und in die Wege geleitet und zu Hause Spanischkurse belegt.
Von der IHK bekamen wir zwei Bücher, die rechtliche Aspekte beschrieben wie z. B. Erb- und
Immobilienrecht, die unterschiedlich zu Deutschland sind. Das andere Buch beschäftigte sich mit
Behördenkram, was man machen / bedenken muss, wenn wann umsiedelt. Genug Geld hatten
wir auch dabei. Für meinen Ex-Mann war es schliesslich doch so, dass sein geplanter Berufsweg
nicht realisierbar war. Er war beruflich völlig unterfordert. Mir fehlten die Jahreszeiten und mein
Geschäft wurde gebremst, da mein Zehnjahresvertrag (Mietvertrag für Geschäftsräume) im Hotel
nach 3 Jahren zu Ende war, ziemlich pöltzlich. Ich hatte mich gerade gut etabliert. Der Vertrag
war über Nacht aus meinem Büro verschwunden, man behauptete, es hätte nie einen gegeben.
Ich erfuhr, dass meine Räumlichkeiten seit Jahren anderweitig verplant waren. Aber ich erinnerte
mich an den Namen des Gestors, der den Vertrag erstellt hatte und siehe da, er hatte eine Kopie.
Nun musste ich von der Hotelkette erfahren, dass man dort darüber nichts wisse und der Direktor
gar nicht befugt war den Vertrag abzuschliessen. Dieser Mann wurde gekündigt wegen diverser
anderer Delikte und ich musste mich neu aufstellen, konzentrierte mich auf die Zeitung, diese
auszubauen. Mein Job war nun unter anderem die Akquise von Anzeigen und das Kassieren.
Man zahlte bar, Rechnungen wurden bar kassiert. Wer nicht energisch forderte und sich an der
Sekretären vorbeitrickste, der wartete damals ewig. In dem Bereich habe ich einiges dazugelernt,
denn ich hatte keine Lust wegen 60 bis 100 Mark zig mal irgendwo hin zu fahren. Oder es lief so
wie bei einem großen Supermarkt in Privatbesitz: Um Neun reihte ich mich in die Schlange der
Bittsteller mit meiner Rechnung in der Hand. Warten wie beim Arzt. Stunden später war ich
dran, durfte zum Buchhalter, der sehr genau die Rechnung prüfte, abstempelte. Im nächsten
Zimmer warteten wir erneut, bis man vom Don persönlich aufgerufen wurde. Der schaute die
Rechnung nochmals durch und reichte mich zum Zahlmeister weiter. 300 Mark reicher war der
ganze Tag versaut. Wir entschieden uns irgendwann zurückzugehen. Mein Ex-Mann erhielt
sofort einen tollen Job in Deutschland und ich hatte nach dem Umzug auch gleich wieder eine
Führungsposition.
M.M.: Wo bekommst du deine Ideen zum Schreiben her? Gibt es etwas oder ein Ort, der dich
dabei besonders inspiriert?
S.I.: Mich inspiriert die Realität. Mich fasziniert ein Thema oder ein Ereignis, über das ich gern
eine Geschichte ranken würde. Zuerst ist ein Motiv präsent, dann folgt die Recherche,
Erforschung der Nebenstränge und am Ende wird die Story aufgebaut.
M.M.: Wie lange hast Du an "Zenissimos Jagd" geschrieben?
S.I.: Das kann ich nicht genau sagen. Ich habe es zu einer Zeit geschrieben, in der ich einen
harten Job hatte, eine Familie, konnte nur nebenbei schreiben, dann blieb das Skript zwei Jahre
liegen bis ich wieder daran gewerkelt habe. Den fertigen Roman habe ich in der Schweiz
überarbeitet und Verlagen angeboten. Herr Portmann fand es interessant und wir haben es
umgesetzt.
M.M.: Wie gehst du mit Feedback um? Sei es positiv oder negativ.
S.I.: Ich denke, du beziehst die Frage auf das Schreiben. Grundsätzlich habe ich mein ganzes
Leben mit Menschen gearbeitet und dort eine Feedbackkultur erlernt. Ich musste in der
Sozialarbeit damit umgehen, nicht immer erfolgreich zu sein. Wer hiermit nicht leben kann, wird
in seinem Beruf scheitern. Was ich für richtig halte, mag ein anderer nicht verstehen oder
verstehen wollen. Sobald wir in den Kulturbereich kommen, geht es um Geschmack. Magst du
jedes Musikstück, jedes Bild, jedes Buch? Ich nicht. Und das ist gut so. Über Kunst kann man
nicht streiten. Nur über Handwerk. Ist ein Kunstwerk handwerklich schlecht gemacht, dann ist
das Fakt. Das muss man zu Kenntnis nehmen und sich freuen, wenn es jemand merkt, dir sagt.
Auch Schriftsteller arbeiten an sich. Wem mein Buch zu langweilig ist, dem gestehe ich das zu,
natürlich. Kritik muss sachlich formuliert sein. Sobald ein Künstler in seiner Person beschimpft
wird, geht mir das zu weit. Das habe ich in letzter Zeit ein paar Mal bei anderen gesehen. Das ist
nicht fair.
M.M.: Arbeitest Du bereits an einem neuen Buch?
S.I.: Im Prinzip ist es gerade fertig. Ich sitze nun an der Überarbeitung. Das Thema Narzissmus
war bei mir noch nicht abgeschlossen. Jeremias ist ein Narzisst. Mein neuer Hauptprotagonist ist
eine Frau. Soviel kann ich schon verraten: Es wird ein humorvolles Buch. Das wäre allerdings zu
einfach beschrieben. Selbstverständlich steckt eine ernstzunehmende Story dahinter, eine
mittenmang aus dem Leben.
M.M.: Legst du dich auf ein Genre fest oder bist du da relativ offen?
S.I.: Ich bin offen, für alles was das Leben schreibt. Fantasy, Horror usw. wäre bei mir nicht zu
finden. Sicher kann Liebe in meinen Romanen eine Rolle spielen. Gleichwohl einen klassischen
Liebesroman würde ich nicht schreiben wollen. Ein Krimi oder ein Thriller mag aus einer
Geschichte entstehen, indes garantiert kein Abstechen am Fliessband.
M.M.: Ich mag an deinem Buch:
Jeremias, Ruben und Laura besonders gern. Gerade bei Laura empfand ich, dass sie eine große
Entwicklung durchgemacht hat. Welche Person in deinem Buch magst du besonders gern und
warum?
S.I.: Ein Autor sollte doch alle seine Figuren lieben, wie eine Mutter die Kinder, oder? In diesem
Fall ist Jeremias mein Lieblingskind. Die Gefühle von Gestalkten waren mir klar, ich wusste
worüber ich schreibe. Bei Jeremias musste ich versuchen, mich in einen Narzissten
hineinzuversetzen, das brauchte ein wenig Zeit. Solche Typen kenne ich auch. Aber wie denken
sie? Wie ticken sie? Warum verletzen sie andere? Narzissten können nur sich selbst lieben, ihnen
fehlt jegliches Mitgefühl und Schuldbewusstsein. Sie sind eigentlich beziehungsunfähig. Das
heißt, sie berücksichtigen nicht die Gefühle anderer. Sobald man an ihrem Ego kratzt, sie
verlässt, ihnen deutlich erklärt, nichts mit ihnen zu tun haben zu wollen, werden sie bösartig. Da
sie sich als genial und vollkommen wahrnehmen, müssen sie sich an denen rächen, die sie
ignorieren oder verstoßen. Sie sind eifersüchtig, nachtragend und von Rache besessen, können
nicht loslassen, wenn sie jemand ablehnt, vor die Tür setzt. Ich wurde kürzlich gefragt, ob ich
Jeremias Handlungen aus seiner Sicht nicht besser hätte beschreiben können, man versteht nicht,
weshalb er das alles tut. Nein. Er denkt darüber nicht nach. Er will alle bestrafen, die nicht nach
seiner Pfeife tanzen und er probiert alles, damit er wieder Macht über diese Menschen bekommt.
Macht über andere zu haben, eine wichtige Sache für Narzissten. Mehr steckt nicht dahinter. Er
hat keine Gefühle gegenüber Menschen.
M.M.: Abschließend möchte ich mich bei dir bedanken. Dafür das ich dein neues Buch
vorablesen durfte. Es hat mir wirklich sehr viel Freude bereitet.
Danke auch, für dieses schöne Interview
Lg Susi von magische Momente