Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Augustus
von John Williams
»Das Testament wurde öffentlich gemacht, und es ernennt Dich zu Cäsars
Sohn und Erben. Ich weiß, Dein erster Impuls wird sein, beides
anzunehmen, den Namen und das Vermögen, aber deine Mutter fleht
dich an zu warten, zu überlegen und abzuschätzen, in welche Welt Dich
das Testament Deines Onkels einlädt. Es ist nicht die schlichte Welt von
Velletri, diesem Ort auf dem Land, in dem Du Deine Kindheit verbracht
hast, (…). Dies ist die Welt Roms, in der niemand Feind noch Freund kennt,
in der Freizügigkeit stärker als Tugend bewundert wird und Prinzipien nur
den Eigennutz dienen.«
Der dritte Roman von John Williams und der leider der letzte. Denn der
Schriftsteller ist längst verstorben, und der Erfolg gebührt ihm post
mortem. Drei Romane, drei Genre, drei hervorragende Bücher.
Mit Augustus ist Williams ein besonderer Roman geglückt, so etwas wie
eine Quellensammlung, zusammengefügt zu einer Biografie. Briefe und
Befehle vom Kaiser selbst, Briefe von wichtigen Persönlichkeiten und das
Tagebuch der Julia, des Kaisers Tochter. Alle Unterlagen sind fiktiv. Aber
beim Leser entsteht das Gefühl, einer Zusammenstellung echter Quellen
zu folgen.
Der junge Gaius Octavius, Oktavian genannt, neunzehn Jahre alt, von
seinem Onkel Julius Cäsar adoptiert, wird in die Schlacht geschickt. Er ist
intelligent, wurde von den besten Lehrern ausgebildet, fern ab vom
intrigenreichen Rom. Sein Ziel ist die Wissenschaft und die Dichtkunst.
Nach der Ermordung Cäsars steht er vor der Wahl, das Erbe des Onkels
anzunehmen oder zu verzichten. Freunde und Familie raten ihm
abzulehnen, nicht in das Schangennest Rom zu reisen, fürchteten, er
würde es nicht überleben. Doch es kommt anders. Mit Mut und
Geschicklichkeit übernimmt Octavius die Regierungsgeschäfte, trotzt aller
Intigen. Er muss sich durch eine Schlacht die Stellung erkämpfen, besiegt
Marcus Antonius und zieht in Rom ein, dass sich ihm verweigert. Skrupellos
reißt er die Macht an sich, lässt seine Gegner töten, rächt sich an allen, die
an dem Komplott gegen Cäsar beteiligt waren. Zunächst verbündet sich
Octavius mit Mark Anton und Marcus Aemilius Lepidus, entledigt sich
danach der Konkurrenten. Einen schickt er ins Exil, Mark Anton und
Cleopatra wählen den Freitod.
Augustus, der Erhabene, nennt man Octavius später. 8 v. Ch. wird der
Monat Sextilis ihm zu Ehren in Augustus umbenannt (der siebte Monat war
Julius Cäsar gewidmet, Julius), 2 v. Ch. verleiht ihm der Senat den Titel
pater patriae, Vater des Vaterlands.
Augustus selbst bezeichnet sich als den einsamsten Menschen im Reich,
denn er kann niemandem trauen. Mit Geschick und Diplomatie führte
Kaiser Augustus das Römische Reich zu Frieden und Wohlstand, änderte
die Staatsverfassung, stellte Recht und Ordnung in Rom wieder her, eine
Epoche von Dichtern und Denkern an seiner Seite, Cicero, Ovid, Marcus
Agrippa, Horaz, Vergil, Homer, um nur einige Namen zu nennen. Octavius
Liebe galt in erster Linie Rom. Seine Tochter Julia verheiratete er,
mehrfach zum Zweck von Rom, stets gegen ihren Willen. Sie funktionierte,
denn sie war die Tochter des Kaisers und es bedeutete Macht, die sie
großzügig ausnutzte.
»Ich war des Kaisers Tochter. Ich war auch die Frau von Marcus Agrippa,
meines Vaters Freund, zuallererst aber war ich die Tochter des Kaisers.
Man ging gemeinhin davon aus, dass meine Pflicht vor allem Rom galt. ...
Im Jahr des Konsulats von Tiberius Claudius Nero, Livia Sohn und
Ehemann von Vipsania, der Tochter meines Mannes, fuhr ich wieder nach
Rom. Ich war fünfundzwanzig Jahre alt. Ich, die eine Göttin gewesen war,
kehrte zurück als einfach Frau und verbittert.«
Julias Tagebuchaufzeichnungen, Erinnerungen, Senatsprotokolle, Briefe
von Freund und Feind, von Augustus selbst, zeigen den Aufstieg eines
naiven Jünglings zu einem großen Kaiser. Kriege, Machtspiele, Intrigen,
Aufstände, Rückschläge, Entscheidungen, Beschlüsse auf Basis von Logik,
die das Herz quälen. Augustus entschied immer für Rom, egal, was er
dafür opfern musste. Macht bedeutet Disziplin, Verzicht und Härte, etwas,
das der junge Oktavian schnell lernt.
»Ich habe die Gesetze des Reiches so kodifiziert, dass selbst
Provinzbewohner einigermaßen sicher vor gieriger Korruption und
tyrannischer Macht leben können; und ich habe den Staat gegen die
brutalen Übergriffe ehrgeizigen Machtstrebens geschützt.«
Nach Agrippa Tod wurde Julia von ihrem Vater mit Tiberius Claudius Nero
verheiratet, dem Ehemann, den sie abgrundtief hasste. Wieder ein
Schachzug, der Augustus half, an der Macht zu bleiben. Nero wird ihm als
Kaiser folgen.
Wenn jemand glaubt, hier handelt es sich ausschließlich um historische
Fakten, langweilig zusammengestellt, dann kennt er John Williams nicht.
Eingestreute Klatschbriefe, heimliche intrigante Depeschen, diverse
Mordkomplotte eingeschlossen, machen aus dem Roman eine spannende
Lektüre. Brutus schreibt dem Cicero, Ovid dichtet, Marcs Antonius
berichtet dem Octavian, Cleopatra rebelliert, Philipp von Athen tauscht
sich mit Seneca Episteln aus.
Die Texte klingen wie zusammengestellte Quellen, da Williams es schafft,
stilistisch die Sprache der Antike einzufangen und eben auch die damals
gängige Briefform wählte. Dichter und Epen fließen ein, auch eine gängige
Art, Zeitgeschichte zu formulieren. Ob treue Freunde oder erbitterte
Feinde, Taktierer, offene, hinterhältige und schlicht lästernde
Zeitgenossen, Williams lässt sie zu Wort kommen. Die Mischung von
Historie und Intrigen, die Mischung aus Quellen und Fiktion machen aus
diesem Buch eine spannende Lektüre. Als Leser fühlt man sich erhaben,
denn man weiss mehr, als der Kaiser selbst. Ein feiner Schachzug von
Williams, den Leser mitdenken zu lassen.
Augusts steht in der Geschichtsschreibung unklar da. Er brachte Rom und
den Provinzen Frieden und Reichtum. Wie er von sich selbst sagt, erschuf
er aus dem Rom unter Ziegeln ein Rom aus Marmor. Er löste jedoch die
Republik auf, die in völlige Korruption verfallen war, riss die Macht an
sich, krönte sich zum Despoten, regierte machtbesessen und teilweise
grausam. Auf der anderen Seite regierte er klug und besonnen. Viermal
verheiratet und dreimal geschieden zum politischen Zweck, die einzige
Tochter Rom geopfert. Tacitus war sein größter Kritiker. Der Leser mag
am Ende des Romans Augustus verehren. War er trotz aller Härte, ein
guter Mann? Bitte lieber Leser, am Ende aufwachen, der Roman fängt uns
ein, aber es ist Fiction. Die Wahrheit bleibt uns verborgen, auch wenn
Williams den historischen Quellen gefolgt ist. Mir Sicherheit steht eins fest:
Augustus war ein facettenreicher, interessanter Mann, Geschichtsfans
sollten sich diesen Roman nicht entgehen lassen.
John Williams Buch ”Stoner“
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