Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Krimis / Thriller
Rezension
Bitter Wash Road
von Garry Disher
»Einmal geblinzelt, schon war man durch.«
Constable Paul Hirschhausen, genannt Hirsch, wird von Adelaide auf
einen Ein-Man-Posten im Outback nach Tiverton an der Bitter Wash
Road versetzt, seine alte Dienststelle wurde personell aufgelöst. Er
wird, wie alle Polizisten dort, der Korruption im Dienst verdächtigt.
Steckt er in der Sache drin oder versuchen ihn andere
hineinzuziehen? Wird er gegen ehemalige Kollegen aussagen? Was
weiß er überhaupt, wenn er nicht mittendrin steckte?
»Er hatte um einen Anwalt gebeten, der ihm verweigert worden war:
Es ginge nur um ein paar Formalitäten, okay? Daneben saßen entlang
der Seitenwände eine Handvoll Beamter aus den verschiedenen
Abteilungen, die von Quines Machenschaften in Mitleidenschaft
gezogen worden waren: Drogen, Kapitalverbrechen, Betrug ...«
Hirsch ist nun Sergeant Kropp und dessen Team in der nahegelegenen
Kleinstadt Redruth unterstellt. Auf der neuen Dienststelle wird er nicht
gerade freundlich empfangen. Ein Cop, von dem es heißt, dass er
einen anderen Cop verraten will, ist ein Kameradenschwein. Eine
Patrone liegt in seinem Briefkasten. Schweige! Schnell erkennt Hirsch,
auch in dieser Dienststelle läuft nicht alles rund. Die Cops spielen sich
bei der Bevölkerung auf, nötigen ethnische Gruppen und Frauen mit
besonderer Härte und unnötigen Kontrollen. Im Straßengraben am
Barrier Highway wird eine tote Jugendliche gefunden. War es ein
Unfall mit Fahrerflucht oder wurde sie ermordet? Kurz darauf
verschwindet ihre beste Freundin. Ist sie abgehauen oder wurde sie
entführt? Hirsch hat den Eindruck, er sei der Einzige, der an der
Wahrheit interessiert ist, außer der Mutter.
»Nichts außer Weizen und Wolle.«
Ödnis, verschlossene Menschen. Hirsch ist einer der Truppe von
widerlichen Typen, die sich Cops nennen, niemand fasst Vertrauen zu
ihm. Neben den Cops gibt es den sogenannten Landadel, Männer die
lange dazugehören, Freunde der Cops sind, die die Stadt im Griff
haben, unter sich alles regeln.
»... gibt allen die Schuld, nur nicht selbst, weigert sich,
Interventionsmaßnahmen zu erlassen, und erlaubt es der Frau nicht,
ihre Opferaussage zu machen. Eine Woche später hat ihr Mann sie
krankenhausreif geprügelt.«
Es gibt eine weitere Tote, eine Ehefrau, die sich von ihrem
gewalttätigen Mann scheiden lassen wollte, ein finanzieller Schaden,
den weder ihr Mann noch ihr Schwiegervater hinnehme wollten. Alle
Verdächtigen haben ein Alibi. War es doch Selbstmord? Alles weist
darauf hin. Hirsch geht die Untersuchung wieder zu schnell. Tatorte
werden zertrampelt, es gibt keine ordentliche Spurensicherung, die
Obduktion verläuft in Windeseile, wie die Freigabe der Leiche.
Sergeant, Landpolizisten, Doktor, Richter, sind es alles unbedarfte
Dorftrottel, oder steckt dahinter Kalkül?, fragt sich Hirsch.
»Ich dulde keine Faulenzer und keine Klugscheißer«, teilt Kropp Hirsch
mit. Doch Hirsch ermittelt weiter.
Perspektivlosigkeit, Armut, Alkohol der Landbevölkerung und vor
allem Rassismus und Frauenfeindlichkeit stehen im Fokus dieses
Krimis, Frauen und Mädchen, sexuell missbraucht, verprügelt.
Betörende Landschaft, ausgestorben, Langeweile, schlechte
Versorgung: Weder Arzt, Apotheke, noch Bank sind vorhanden, aber
unter der Decke brodelt ein Vulkan. Klare Sprache, fein gezeichnete
Charaktere machen den Schreibstil aus, Nüchternheit, die betört.
Hirsch beobachtet, mischt sich selten ein, will begreifen. Er ist kein
Verräter, will keine Kollegen verraten. Doch wo hört Kameradschaft
auf? Können sich Kollegen alles herausnehmen, muss man
schweigend darüber hinwegsehen, weil es ein Kollege ist? Was ist
Moral?
Ein Mikrokosmus der ländlichen Gesellschaft Australiens: Frauen, die
nichts wert sind, Perspektivlosigkeit der Jugendlichen, Armut und eine
verrohende Gesellschaft, die auch vor den »besseren Kreisen« nicht
halt macht, Korruption. Das Ganze eingewickelt in einen Krimi, der den
Leser mit der ersten Seite hineinzieht. Ein Buch, das man erst weglegt,
wenn man am Ende angekommen ist. Nüchternheit und Poesie im
Gleichklang, Figuren, die bildhaft vor dem Leser stehen. Ein rundum
gelungener Krimi der Spitzeklasse! Einer der 3 Besten Krimis, die ich
dieses Jahr gelesen habe.
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