© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Black Memory von Janet Clark »Meine Kehle ist trocken, der salzige Geschmack in meinem Mund unerträglich, die Lippen fühlen sich wie ausgedörrt und rissig an wie verbrannter Lehmboden. Instinktiv benetze ich sie mit der Zunge. Noch mehr Salz.« Selten halte ich ein Buch in den Händen, das mich alles um mich herum vergessen lässt, bis ich auf der letzten Seite angekommen bin. Dieser Thriller ist ein echter Pageturner! Clare erwacht auf einem Boot, kann sich nicht erinnern, was geschehen ist, weiss nicht einmal ihren Namen. Sie befindet sich in einem Land, das sie Asien zuordnet. Gab es ein Schiffsunglück? Ist sie von dem Mann aus dem Wasser gezogen worden, der das Boot steuert? Auf jeden Fall scheint er sie gerettet zu haben. Die Hilfe dauert nicht lange an, Claire landet in einer Gefängniszelle. Man wirft ihr vor, ein Kind entführt zu haben. Was ist geschehen? Es dauert nicht lange und ein Mann taucht auf, der ihre Sprache spricht, nimmt sie mit. Ein zweiter Mann kommt dazu, Paul, er behauptet, er sei ihr Ehemann. Sie fliegen nach London. Clare erfährt, sie sei mit der gemeinsamen Tochter Bonnie zu einem Ferienaufenthalt im Inland abgereist, dort aber nie angekommen, Bonnie bleibt verschwunden. Alles erscheint Claire fremd: die Kleidung im Schrank, das ganze luxuriöse Appartement, ihr Arbeitszimmer. Claire ist Ärztin und Osteopathin, die sich auf Kinder spezialisiert hat, ihr Mann arbeitet als Schönheitschirurg. Beunruhigend erscheint es Clair, dass ihr Mann sie von der Außenwelt abschirmt. Ihr Gedächtnis bezüglich ihrer Person bleibt schwarz. »Warum will Paul nicht, dass ich Besuch bekomme? Die Frage lässt mich nicht mehr los.« Angela, eine Frau, die sich als Freundin vorstellt, warnt Claire vor Paul, der eine Beziehung mit einer Moira haben soll, sie warnt vor dem Therapeuten, für den die Anwältin Moira einen Hypnosetermin besorgt hat. Angela will sie selbst behandeln. Und Paul wiederum warnt vor Angela, fragt, ob sie sich nicht an das Zerwürfnis erinnern kann, welches Angela aus Clairs Gedächtnis wohl löschen will. Claire kann sich an gar nichts erinnern, ist verunsichert, fragt sich, wem sie trauen kann. Glücklicherweise weiß der sympathische Portier Raphael Rat, ihm fällt eine gute Therapeutin in Florenz ein und er kann Clare durch Beziehungen einen Termin besorgen. Ohne Paul zu sagen, wohin sie verreist, begibt sie sich in Hände der renommierten Wissenschaftlerin aus Italien. Claire will ihr Gedächtnis zurückerhalten ... Janet Clark lässt uns aus der Ich-Perspektive hautnah miterleben, welche Gefühlswallungen Claire durchlebt, Stück für Stück erfährt sie mehr über sich, über ihre Tochter Bonnie, die eine Inselbegabung hat: Sie kann die Traumata anderer Menschen fühlen, zeichnet diese auf Papier. Neben dem spannenden Plot befasst sich der Thriller mit epigenetischen Mechanismen, der Weitervererbung von Umwelteinflüssen, Stress und Traumata, einer Forschung, mit der sich Claire beschäftigte. Sie glaubt, dass Erinnerungen in der Zelle gespeichert werden, nicht ausschließlich im Gehirn. Hat Bonnie Begabung oder die Ergebnisse der eigenen Arbeit etwas mit der Entführung des Kindes zu tun? Warum hielt sich Claire in Asien auf und wo ist Bonnie? Warum sind Claire so viele Menschen behilflich, interessieren sich für sie? Wem kann sie trauen? Ist Paul auf ihrer Seite und ist Angela ihre Freundin? Puzzleteil für Puzzleteil fügt sich alles zusammen. Oder auch nicht? Was ist wahr, was ist Lüge? Zum Inhalt möchte ich nicht mehr verraten, vielleicht noch, dass sich die Spannung Seite für Seite hochhält, bis zu einem Feuerwerk auf den letzten Metern. Sprachlich fein dosiert, Charaktere gut gezeichnet, versetzt sich der Leser in die Sicht von Claire, erfährt mit ihr zusammen, staunend und bisweilen verwirrt, misstrauisch, welche Informationen zu Tage kommen. Ein spannender, intelligenter Plot entsteht durch den Gedächtnisverlust der Hauptprotagonistin. Janet Clark jagt Claire durch einen Irrgarten und narrt somit nicht den Leser, sondern die eigene Hauptfigur. Deutsche Autorinnen können niveauvolle Thriller, Pageturner, schreiben. Interview mit Janet Clark zeitgenössische Romane Krims und Thriller Historische Romane Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien Sachbücher (für jedermann) Kinder- und Jugendliteratur
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Janet Clark (rechts) mit Fenna Williams