Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Cold Britannia
von Ira Ebner
„Es
geht
mir
um
die
Umbrage“,
sagte
James.
„Beinahe
jede
Familie
im
Ort
lebt
von
ihr.
Mein
Vater
war
Bergmann,
ich
bin
selbst
unter
Tage
gefahren.
Du
arbeitest
dort, du auch. Also. Wir beliefern die Kraftwerke, wir heizen ihre Wohnungen.“
Ein
historischer
Roman,
der
eine
fiktive
Geschichte
so
erzählt,
dass
man
glaubt,
mitten
im
Geschehen
zu
sein.
Keine
Schnörkel,
spannend
erzählt,
Geschichte
korrekt wiedergegeben.
Während
der
Thatcher-Ära
lag
Groß
Britannien
kurz
vor
der
Staatspleite
und
dies
hatte
weitreichende
Reformen
zur
Folge.
Thatcher
funktionierte
das
Land
vom
Industriestaat
zum
Dienstleistungsbetrieb
um.
In
dieser
Folge
wurden
viele
Staatsbetriebe
zu
eigenständigen
Gewerben
umfunktioniert
und
mit
einem
Gesetz
wurde
die
Zwangsmitgliedschaft
zu
Gewerkschaften
abgeschafft.
Nach
der
Zerschlagung
der
Stahlindustrie
war
die
Kohleindustrie
als
nächstes
an
der
Reihe.
Viele
Minen
wurden
geschlossen.
Der
Streik
der
Bergarbeiter
dauerte
ein
Jahr.
Die
NUM
(Gewerkschaft
National
Union
of
Mineworkers
)
stemmte
sich
mit
aller
Gewalt
dagegen.
1985
stimmte
die
NUM
für
das
Ende
des
Arbeitskampfes,
die
Kassen
waren leer, viele Bergarbeiter hoch verschuldet.
„Cold
Britannia“
behandelt
dieses
eine
Jahr.
Durch
die
Vielschichtigkeit
der
Personen
zeigt
Ira
Ebner
alle
Seiten
des
Kampfes
auf,
das
Verschließen
vor
Realitäten,
Existenzkrisen,
Machthunger
von
Einzelnen,
Rachegelüste,
Erpressungen,
Pflichtbewusstsein,
der
Glaube
an
die
Gemeinschaft,
die
ganze
Palette
des
Menschlichen
in
einer
Situation,
in
der
niemand
weiss,
auf
welcher
Seite
er
letztendlich
stehen
soll.
Hauptperson
ist
James
Thornten,
der
Gewerkschaftsführer
auf
der
einen
Seite,
seine
junge
Sekretärin
Hester,
die
sich
bissig
und
angstlos
hinter
die
Kumpel
stellt,
sich
in
der
Frauenbewegung
engagiert.
Auf
der
anderen
Seite
steht
Phyllis
Bundle,
die
Chefredakteurin
einer
Zeitschrift,
die
sich
für
die
Regierungsseite
einsetzt,
zusammen
mit
Daddy
Delany.
Polizisten,
die
härter
durchgreifen
als
sie
müssten,
verschlagene
Typen,
die
sich
kaufen
lassen,
um
zu
spionieren,
Gewerkschafter,
die
offen
Auges
ins
Messer
laufen,
weil
sie
nicht
sehen
wollen,
was
die
Zeit
schreibt,
nicht
begreifen
wollen,
dass
die
Zeit
ihrer
Macht
abgelaufen
ist,
nicht
aus
der
Stahlindustrie
gelernt
haben,
Schlägertrupps,
die
zur
Einschüchterung
der
Gewerkschaften
gekauft
werden,
Situationen,
die
eskalieren,
die
Bandbreite
der
Geschichte
ist
von
allen
Seiten
beleuchtet.
Auch
der
kleine
einzelne
Arbeiter,
der
zwischen
den
Stühlen
sitzt,
wird
glänzend
von
Ira
Ebner
beschrieben.
Die
NUM
zahlt
Streikgeld,
ja,
aber
das
reicht
in
vielen
Familien
hinten
und
vorn
nicht,
auf
dem
Sparkonto
ist
kein
Geld
vorhanden.
Wenn
man
zum
Streikbrecher
wird,
ist
man
bei
den
Kameraden
durch.
So
entscheiden
sich
manche
Leute,
heimlich
in
einer
fremden
Zeche
zu
arbeiten.
Andere
brechen
offen
den
Streik.
Vor
den
Eingängen
der
Zechen
stehen
die
Streikenden,
im
Bus
bitten
die
Streikbrecher
um
Einlass.
Die
Polizei
muss
eingreifen.
Freunde
zerstreiten
sich,
Familien
steuern
auf
die
Armut
zu,
haben
nicht
einmal
genug
Geld,
Essen
zu
kaufen.
Die
Zeche
von
Umbridge
ist
der
Hauptort
der
Geschichte.
Familien
die
seit
Generationen
in
den
Zechen
arbeiten,
von
ihr
abhängig
sind,
können
sich
nicht
vorstellen,
dass
dieser
Arbeitsort
geschlossen
wird.
Denn
die
Zeche
ist
mehr
als
Arbeit, sie ist Familie, Tradition, Heimat, Zukunft.
Aber
es
geht
um
mehr
in
diesem
Roman.
James
ist
verheiratet.
Seine
Frau
stellt
ihn
zu
Hause
unter
Druck,
ausgeblendet
der
Realität.
Was
ist
mit
dem
Urlaub,
was
mit
dem
Wintergarten,
James
hat
sich
zu
kümmern,
zu
zahlen
…
Die
Ehe
ist
schon
länger
kaputt,
denn
verschiedener
könnten
Menschen
nicht
sein
als
die
beiden.
Doch
da
ist
die
junge
Hester,
wild,
idealistisch,
mutig.
Mit
ihr
hat
James
ein
Verhältnis.
Wie
wird
sich
James
entscheiden?
Hat
eine
dieser
Beziehungen
die
Chance,
in
diesen
Zeiten
zu
überleben?
Ist
James
überhaupt
in
der
Lage,
den
Druck von allen Seiten auszuhalten? Wird er Gewerkschaftsführer bleiben?
In
schnörkelloser,
prägnanter
Sprache
führt
uns
Ira
Ebner
durch
diesen
Streik.
Keiner
der
Protagonisten
ist
gut,
keiner
böse,
jeder
verfolgt
sein
Ziel
und
ist
damit
menschlich.
Genau
das
macht
diesen
Roman
aus.
Historisches
gut
aufgearbeitet
in
eine
komplexe
Geschichte
von
allen
Seiten
ausgeleuchtet,
in
einer
leicht
spröden
Sprache,
die
dem
Geschehen
eine
Sachlichkeit
verleiht.
Gleichzeitig
verliert
die
Autorin nie die literarische Melodie:
„
Der
Morgen
kroch
nasskalt
über
London
herauf.
Die
Kuppel
von
St.
Paul’s
und
die
Türme
des
Big
Ben
und
Westminster
Abbey
verschwammen
im
Sprühregen.
So,
als
weigerte
sich
der
Tag,
überhaupt
zu
beginnen
und
mit
dem
Tempo
der
Stadt
mitzuhalten.“
Für
mich
hebt
sich
dieses
Buch
von
vielen
anderen
historischen
Romanen
ab.
Die
Autorin
schafft
es,
eine
spannende
Geschichte
zu
erzählen,
entfernt
von
jedem
Kitsch,
dicht
an
den
historischen
Ereignissen.
Ein
Buch
das
berührt
und
nachdenklich
macht,
das
man
erst
beiseitelegt,
wenn
man
an
der
letzten
Seite
angelangt ist.
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