Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Sachbücher
Rezension
Der mit dem Scheich tanzt
von Stefan Bauer
Eine emotionale Berichterstattung eines Rettungssanitäters, der in Saudi-Arabien
arbeitet, gibt die Erlebnisse seiner Arbeit in Riad wieder. So kann man das Buch
schnell zusammenfassen.Stefan Bauer entschließt sich, ein Jahr in Saudi-Arabien in
seinem gelernten Beruf zu arbeiten, und schildert den Weg von der Bewerbung
bis zum Ende seines Aufenthalts. Trotz Vorbereitungskurs zur Landeskultur ist der
Schock in der Realität so groß, dass er zum Ende seines Aufenthalts froh ist, das
Land verlassen zu können. An eine Verlängerung ist für ihn nicht zu denken,
verständlich. Angefangen von der Hygiene über die Unfähigkeit von Ärzten und
Pflegepersonal, den Umgang mit gefährdetem Leben bis zum Umgang mit Frauen
und Kindern, beschreibt Stefan sein Leben in der Erstversorgung im
Krankenwagen. Die Religion steht vor Leben. Frauen dürfen nicht angefasst
werden, auch wenn dies ihren Tod bedeuten kann. Auf der einen Seite gehen
einem als Leser die Schilderungen von Stefan nahe, auf der anderen Seite
verwundern sie nicht. Der einfache und emotionale Schreibstil zeigt, was in dem
Sanitäter vorgeht und ich finde, das ist auch richtig so gewählt. Zum Ende spürt
man die unendliche Frustration von Stefan, der sich immer wieder den Gesetzen
des Landes beugen muss und völlig aggressiv wird. Immer wieder wird er von
seinen Kollegen zum Ende des Jahrs zurückgehalten, weil er so weit ist, seinen
Frust in Prügel auszulassen, die zu verprügeln, die ihn an seiner Arbeit hindern
wollen. Er berichtet aber nicht nur von kulturellen Unterschieden, sondern auch
von Unfällen, bei denen man eher Tote zusammenkratzt, als helfen zu können. Die
Autos fahren in rasender Geschwindigkeit, die Insassen sind nicht angeschnallt,
bei einem Unfall sind die Insassen über 200 Meter am Unfallort verteilt, aus den
Wagen herausgeschleudert.Ich frage mich allerdings, weshalb Stefan Bauer nach
Saudi-Arabien gegangen ist. Dieser Staat lebt die Scharia. Die Sitten sind nicht
anders als beim IS, nur dieser Staat ist eben kein Terrorsystem. Eigentlich sollte
man vorher wissen, was einen erwarten könnte, in einem Land, in dem Frauen
vollverschleiert dem Mann unterstehen, der alles bestimmt, mit ihnen machen
kann, was er will, Kamelen mehr Respekt gegenübergebracht wird als Frauen. Man
sollte auch wissen, dass kein Fremder die Frau unverhüllt sehen darf, schon gar
nicht anfassen. Bei genauem Nachdenken kommt man schnell darauf, was das für
einen Sanitäter bedeuten könnte ... Von daher fand ich die Herangehensweise von
Stefan Bauer im Vorfeld ziemlich naiv und ich habe mich gewundert, warum er so
verwundert war. In einem Land, indem täglich Hände abgehackt werden,
Menschen wegen geringer Vergehen ausgepeitscht oder enthauptet werden,
herrscht eine andere Moral und unter der Scharia ein anderes
Glaubensverständnis, überhaupt ein anderes soziales Verständnis. Selbst bei uns
in Europa gibt es in der Fastenzeit bei Muslimen oft genug gesundheitliche
Probleme, weil Fasten z.B. für Diabetiker überhaupt nicht geeignet ist. Auch hier
frage ich mich, wieso Stefan Bauer so schockiert darüber ist. Uns Europäern ist die
arabische Kultur fremd und nicht verständlich. Wir verachten Frauenfeindlichkeit
und dieses Rechtssystem. Dürfen wir aber darüber richten, wie der Autor es tut?
Stefan Bauer ist auch schockiert darüber, dass er als Deutscher hoch respektiert
mit Hitlergruß empfangen wurde, man mag Hitler dort. Auch das sollte allgemein
bekannt sein, denn Hitler hat sozusagen die Feinde der Wahhabiten gekillt. So sieht
es im arabischen Verständnis aus. Insgesamt wundere ich mich über die Naivität
von Stefan Bauer, mit welchen Vorkenntnissen er dieses Land überhaupt betreten
hat.Die Schilderung der Hygiene und das Desinteresse des Krankenhauspersonals
an Patienten, bei denen es um Minuten geht, ist schockierend, ebenso die
schlechte Ausbildung der Ärzte. Auch hier treffen schlechte Ausbildung und
Religion zusammen: Gott nimmt und Gott gibt, wir können daran nichts ändern,
alles ist Gottes Wille. Alles in allem hat man das Buch schnell durchgelesen und es
gibt einen guten Eindruck über die Krankenversorgung in Saudi-Arabien wieder.
Die Scheichs und ihre Familie fliegen sowieso ins Ausland, um sich einen Pickel
ausdrücken zu lassen, das ist nicht verwunderlich. Die Emotionalität des Autors
war mir am Ende zu heftig. In einem sozialen Beruf sollte man persönliche Distanz
zu seinem Job halten können. Sicher ist es nicht einfach, Menschen beim Sterben
zuzusehen, wenn man es theoretisch verhindern könnte, allerdings von Gesetzen,
Unfähigkeit und Religion gehindert wird. Man sollte sich genau informieren, bevor
man im Ausland arbeitet, sehen, ob man mit der fremden Kultur klarkommen
könnte. Eins stimmt mich merkwürdig. Stefan Bauer gibt am Anfang von seinem
Buch an, er schreibt unter Pseudonym, um sich und seine Kollegen zu schützen, hat
daher die Ereignisse in der Reihenfolge geändert und Namen und Orte verändert.
Keine Person solle erkannt werden. Am Ende vom Buch gibt es allerdings eine Reihe
von Fotos vom Autor und seinen Arbeitsstätten, Kollegenfotos. Er tritt auch
öffentlich auf. Ja was denn nun?
Ein lesenswertes Buch trotz alledem. Wer sich bewusst werden will, wie es in
anderen Kulturen aussieht, liegt hier richtig. Wer über unser Gesundheitssystem
meckert, sollte dies Buch lesen, um zu sehen, wie gut wir es haben.
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