Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Fantasy
Rezension
Die 33. Hochzeit der Donia Nour
von Hazem Ilmi
»Alle Ägyptischen Bürger haben das Recht, in den Himmel zu kommen. Es
ist die Pflicht der Regierung, sich zu bemühen, dass dieses Recht ihnen
gewährt wird.«
Der Roman spielt in der nahen Zukunft in Ägypten, wir schreiben das
Jahr 2048. Das Land ist völlig abgeschottet vom Rest der Welt, es
herrscht die Diktatur der Neo-Scharia. Religion gilt als Erfüllung und
Konsum: Beten ist Pflicht, elektronisch werden die Minuten der Betzeit
registriert. Der Gläubige sammelt elektronisch Punkte, um in den Himmel
zu kommen. Neben einem religiösen Leben gibt es Extrapunkte für das
Tragen von religiösen Kleidungsstücken, Schmuckstücken, die Vergabe
von religiösen Namen an die Kinder usw. Gleitet die Haarsträhne einer
Frau unter dem Hidschab hervor, geht ein lärmender Alarm los: Unrein,
unrein! Das Leben ist sortiert in halal und haram. Riesige
Werbebotschaften prangen an den Fassaden: »Allah würde Nike
tragen«, auf E-Hidschabs blinkt Dolce&Gabbana, Männer tragen heilige
Pantoffeln, die bei jedem Schritt »Allah, Allah« quäken. Der Wegwerf-
Saugroboter zitiert summend Koranverse bei der Arbeit. Im Norden des
Landes haben sich die Reichen ein luxuriöses Leben aufgebaut, in der
Mitte wohnen brave Bürger, die fleißig arbeiten und beten, in die Wüsten
des Südens werden die Abtrünnigen in Straflager verbannt. Der Staat ist
völlig überwacht, das Leben durch Kameras und Zahlen erfasst.
Sittenwächter überwachen in Form von Drohnen die Stadt.
»Wenn du die Dinge gesehen hättest, die ich gesehen habe, ergibt die
Vorstellung, fünfmal am Tag einen kosmischen Diktator zu preisen, der
dir mit ewiger Folter droht, keinen Sinn.«
Donia Nour wohnt in Kairo, ist im Erlösungsministerium beschäftigt, zählt
Bonuspunkte. Irgendwie ist jeder Mensch in religiösem Geschäft
angestellt, wundert sie sich, fragt sich, woher die ganzen Produkte
stammen mögen, die es zu kaufen gibt. Sie glaubt nicht an die
Frömmigkeit, fühlt sich beengt. Man flüstert auf der Straße, mit Booten
könne man aus dem Land entkommen, dorthin, wo die Menschen frei
sind. Die Fahrt koste ein Kilo Gold. Donia verdient sich heimlich ihr
Fährgeld zusammen, indem sie heiratet. Sex ist nur in der Ehe erlaubt.
Sie gibt sich widerlichen Typen hin für Gold. Eine Ehe, die innerhalb von
36 Stunden geschieden wird, landet nicht in der Registratur, alles egal,
alles nur Papier. Jungfrauen sind beliebt, hübsche Frauen. Mit einer
guten Figur und einem engelsgleichen Gesicht gesegnet, findet sie
schnell Ehemänner und die Jungfernschaft ist chirurgisch
erneuerbar, illegal. Die 33. Hochzeit soll die letzte sein, um das Kilo
Gold zu erreichen. Doch beim letzten Ehemann geht alles schief ...
»In Bezug auf die meisten Kulturen der Weltgeschichte ist jeder von
euch gewissermaßen ein Atheist, da jeder von euch ihre Götter ablehnt.«
Und dann ist da noch Ostaz Mukhtar, der Philosophieprofessor, der
einstmals von Außerirdischen entführt wurde ...
»Ist es dir nie verdächtig vorgekommen, dass Gottes Wille so hübsch zu
den Absichten der Mächtigen passt? Für die meisten Gestalten der
Geschichte ist der Wille Gottes nichts anderes als eine düstere Stimme in
ihrem Kopf, die die Unterwerfung der Frauen und die Auslöschung
Andersdenkender rechtfertigt.«
Hizim Ilmi (ein Pseudonym) ist mit diesem Buch eine islamistischen
Dystopie mit einem Schlag Science-Fiction gelungen, nicht weit entfernt
der Wirklichkeit, eine Abrechnung mit dem Islam und der arabischen
Gesellschaft, mit der Scheinheiligkeit von Religion an sich. Es ist kein
philosophisches Werk, aber gute Unterhaltung. Religion als Vorwand für
korrupte Diktatur, indoktriniertes Denken, man muss die Botschaft nur
oft genug am Tag vorplappern, damit es alle glauben. Wer sich nicht an
die Regeln hält, schmort in der Hölle, wer brav ist, kommt in den Himmel.
»Welche sadistische Perversion will ewiges Höllenfeuer als Strafe?«
Ein leichter Text, vielleicht ein wenig einfach gestrickt. Religion gleich
Abschottung und Diktatur, gleich Korruption, gleich Vormachtstellung
und Reichtum für die Mächtigen, gleich Dummheit der blökendenden
Schafe, das Volk. Die Geschichte ist bitterböse und humorvoll, aber eben
nur seichte Kost. Islam als Unterdrückung der Frau, Gewalt gegen
Frauen, Männerperversion. Hier wird der Roman messerscharf. Die
Erneuerung des Hymen vor der Hochzeit durch einen chirurgischen
Eingriff ist in der heutigen »modernen« islamischen Welt keine
Seltenheit, auch nicht in unserem Land. Am Ende des Buchs stand ich
allerdings etwas ratlos da. Es wirkte unausgegoren, runtergeschrieben
und ehmmmm ... wie bekomme ich die Kurve? Insgesamt ein nettes Buch
zur Kurzweil.
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