Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Die Frauen von La Principal
von Luís Llach
»Maria, ich habe mich entschieden, dass du, die liebe Tochter, hier bleiben
wirst. Ich weiss, du bist jung und hast wahrscheinlich von einem anderen
Leben geträumt, fern von Pous und diesem Haus, aber du bleibst hier.«
Der Roman ist ein spanischer Bestseller, eine Familiengeschichte, ein ein
bisschen auch ein Krimi. Der Autor, Luís Llach, ist ein sehr bekannter
Musiker und Schriftsteller in Katalonien. La Principal ist ein Weingut in der
Nähe von Barcelona. Maria Roderich erhält als Erbe die Principal, die
Brüder Geld und Immobilien in Barcelona. Gleichzeitig bedroht europaweit
die Reblaus Rebstöcke. Weinreben ganzer Regionen gehen kaputt. Auch
die Gegend um Principal hat es erwischt. Das Gut ist wertlos.
»Er hat mich mit lebendigem Leib begraben.« (Maria, die Alte)
Aber Maria, man nennt sie mit 24 die Alte, lässt sich nicht unterkriegen,
heiratet wohlhabend einen netten Kerl, der sich lieber mit Büchern
beschäftigt als mit Geschäften und bekommt eine Tochter, Maria. Eine
junge Frau hatte es damals schwer, sich durchzusetzen, insbesondere,
wenn sie früh Witwe wurde, wie die Alte. Deshalb muss sie ein hartes
Regiment führen und imposant sein. Es herrscht Bürgerkrieg. Maria wird
dick, fett, lässt sich sonntags von Dörflern auf einer Sänfte zur
höhergelegenen Kirche tragen. Dies beschriebene Schauspiel der
ächzenden Träger erinnerte mich an spanische Prozessionen, bei denen
junge Männer ein schweres Kreuz auf den Schultern den Berg
hochrennen. Maria, die Mutter Gottes. Nebenbei, in Spanien hieß bis in die
80ger jede zweite Frau Maria.
Politik wird in diesem Buch nur am Rande erwähnt, eher spielt die kirchliche
Macht eine Rolle. Der Roman ist in mehrere Zeitebenen aufgeteilt, drei
Marias sind Hauptprotagonisten und Úrsula, die Köchin und Haushälterin,
die alle drei Frauen kennt. Die Zeit wechselt vom hier und jetzt in die
Vergangenheit hin und her. Der Hauptstrang dreht sich um die mittlere
Maria. Die Alte, ihre Mutter, hatte das Weingut wieder auf Vordermann
gebracht, ihrer Tochter übergeben, die auch in jungen Jahren Witwe
wurde. Wir kommen in das Jahr 1940, den Hauptstrang, der Bürgerkrieg ist
vorbei. Plötzlich taucht Inspektor Lluís Recader auf Principal auf.
»Der Mörder hatte den Toten, nachdem er ihm den gesamten Unterleib
zerfetzt hatte, der reichsten Familie des Dorfes vors Haus gelegt.
Wahrlich ein Stoff für Liebhaber von Schauerromanen.«
Während der Wirren des Bürgerkriegs gab es einen Mord auf Principal,
der nie aufgeklärt wurde. Der gekündigte Verwalter wurde bestialisch
ermordet. Hat das etwas mit den Leuten auf Principal zu tun? Was ist
damals geschehen? Polizei und Franco-Regim waren eins. Der Inspektor
verhört Úrsula und Maria. Sie müssen vorsichtig sein. Ein Katz- und
Mausspiel beginnt.
Andere Begebenheiten berichtet der Vater der jungen Maria, die in der
heutigen Zeit lebt. Die aufgeklärte junge Frau erfährt Dinge über ihre
Familie, die sie erröten lässt, die so gar nicht in ihr Weltbild der
Generationen passen.
Alle drei Frauen müssen sich in einer Männerdomäne durchsetzen, jede
Generation hat eigene Schwierigkeiten, zeitgemäße, aber nicht minder
leichtere. Ein wunderbares Buch über Emanzipation, die katholische
Kirche und eine verrückte Familie, kraftvoll erzählt. Ein Krimi ist es
nebenbei auch noch. Zusammen mit dem Inspektor blättert der Leser die
Geschichte auf, erfährt von der harten Arbeit auf dem Weingut. Wir lesen
mit Maria Magí, der Jungen, die Memoiren des Vaters. Amüsant,
gesellschaftskritisch, ein wenig katalanische Geschichte, drei großartige
Frauen, unkonventionell, in einer ungewöhnlichen Familie. Freundschaft,
Feindschaft, Intrigen, ein wundervolles Buch.
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