Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Die Herren der grünen Insel
von Keira Brennan
Hörbuch, gesprochen
von Reinhard Kuhnert
Spieldauer: 33 Std. 04 Min.
»Töte, was du liebst.“
Gehen wir zurück in die irische Geschichte, um 1150. Die Könige Dermot
MacMurrough und Tiernan O’Rourke kämpfen um das Amt des Hochkönigs.
MacMurrough verliert und muss fliehen. Zunächst bittet er um Hilfe in
England. Hier ist man zurückhaltend, verweist auf die Normannen, die
dabei behilflich sein könnten. In Frankreich sagt Heinrich II (damals König
von England) seine Unterstützung schriftlich zu, mit dem Hintergedanken
selbst König von Irland zu werden. Mit diesem Schreiben macht sich
MacMurrough nach Wales auf und überzeugt die Cambro-Normannen und
einige Flamen, für ihn in den Krieg zu ziehen. Richard Fitz Gilbert, genannt
Strongbow führt das Heer an. Die Normannen, wesentlich wirksamer
ausgerüstet als die Iren, taktisch besser ausgebildet, erobern die Insel. 1171
wird Heinrich II in Irland zum König gekrönt. Das hatte sich Dermot
MacMurrough anders gedacht, denn nun wird das Land an die
normannischen Barone aufgeteilt. So viel zu den historischen Eckdaten, um
die den Roman »Die Herren der grünen Insel«.
Mittelpunkt der Geschichte sind vier Familien und jede Menge Akteure. Man
darf dabei nicht den Überblick verlieren, muss aufmerksam sein.
Riacán O’Bjolan, junger Anführer eines Clans, hat viel vor, folgt dem neuen
König von Irland. Eines Tages fällt der brutale Ascall von Toora in seine
Burg ein, entführt seine Schwester Caitlín aus Rache. Als Riacáns Vater
noch lebte, hatte Ascall offiziell um die Hand von Caitlín geworben, war
aber mit einem Lachen davongejagt worden, weil er ein Habenichts war. In
der Zwischenzeit ist aus Ascall ein starker Krieger geworden, mit einem
großen Heer im Hintergrund, das für Riacán unschlagbar ist. Trotzdem will
er Caitlín befreien. Caitlín, gefangen, ergibt sich nicht ihrem Schicksal als
Sklavin in Ascalls Haushalt zu verweilen. Sie wird seine zweite Ehefrau, was
natürlich der Erstfrau nicht passt. Aus dieser Gruppe sticht auch Ascalls
Bruder heraus, Ailillán, er spielt eine wichtige Rolle.
König Diarmai (Dermot) lebt in einer Höhle, mit Frau und Tochter Aoife. Der
feiste Händler Pól, offiziell ein Kaufmann, doch in Wirklichkeit ein
trickreicher Waffenhändler, verhilft dem König zur Flucht. Sie fahren in
einem Boot nach England, Póls wilde Tochter Róisín befindet sich mit an
Bord. Sie wird im weiteren Verlauf eine Rolle spielen. Aoife ist ein
verhuschtes Häschen. Ihr geliebtes Haustier, ein Hermelin, wird getötet. Sie
beschließt, fortan einen Hermelin als Kragen zu tragen, den kann man
nicht mehr ermorden. Jedoch mit Hermelinen dürfen sich nur Könige
schmücken. Also muss sie Königin werden. Sie spinnt Intrigen. Pól, der
Händler, steckt überall seine Finger hinein, natürlich zum eigenen Vorteil,
versucht, die Mächtigen auszutricksen, zu lenken. Hinzu kommen einige
bedeutsame Ritter, einer davon ist Strongbow. Der entmachtete König
Diarmai greift nach der Macht der Insel, die er zurückerobern will. Er lässt
sich mit den Normannen ein. Auf der Insel selbst kämpfen Könige
untereinander um Macht und Ehre. Ein Gemetzel gibt das nächste. Ruari
OConnor, der Diarmai besiegte, nun der Hochkönig von Irland ist, gibt
selbstverständlich seine Krone nicht freiwillig heraus.
Henry Plantagenet (Heinrich II) schaut zunächst aus der Ferne zu und
verfolgt eigene Pläne. Ich hoffe, ich habe in der Kurzinhaltsangabe nicht
mit Namen überfordert, denn das waren nur die wichtigsten Personen.
Immer wieder wird dieser Roman in einem Atemzug mit »Game of Thrones«
verglichen. In der Grundstruktur mag das richtig sein, denn die damaligen
Kriege und Feldzüge hatten gleiche Absichten: Macht, koste es, was es
wolle. Allerdings ist die Erzählweise völlig anders. Die Story lebt von
ständigem Wechsel zu den einzelnen Protagonisten und den Cliffhangern.
Ebenso fließen die Gedanken der einzelnen Personen ein. Die Frauen
stehen im Mittelpunkt. Sie haben Zielvorstellungen im Kopf, versuchen
diese zu verwirklichen. Keira Brennan beschreibt sehr anschaulich das
einstige Leben in Irland. Harte Arbeit bestimmte den Tag auf dem Land. In
Dublin herrschet viel Reichtum für die damalige Zeit bei
Großgrundbesitzern und Kaufleuten. Die Charaktere sind fein
ausgearbeitet und die Autorin versteht es durch ihre vielen
Beschreibungen von Leben und Landschaft, Atmosphäre für die
vergangene Zeit zu schaffen. König Diarmais Tochter Aoife hat mir ein
wenig Kopfschmerzen bereitet. Eine Mischung aus psychisch krank und
narzisstischer Persönlichkeit, von der Königin als Puppe benutzt, erschien
sie mir für diese Zeit ein wenig überzogen im Ränkespiel. Aber wer weiß,
vielleicht war es möglich.
Neben einer filigranen Sprache in ihren Schilderungen billigt die Autorin
ihre Figuren zu, derb zu fluchen und die Dinge beim Namen zu nennen.
Männer kämpfen mit Schwert und Bogen, Frauen ziehen andere Waffen,
doch das Ziel ist gleich. Ritter sind Krieger und Krieger nicht unbedingt
ritterlich. Intrigen gehören zu Politik und Macht. Die Normannen waren
zurzeit von Heinrich II waffentechnisch wirksamer ausgestattet, auch das
beschreibt die Autorin anschaulich. Die Geschichte hangelt sich sehr genau
an den historischen Ereignissen entlang und Keira Brennan versetzt den
Leser bildhaft in diese Zeit, lässt geschichtsträchtige Personen einfließen.
Krieg ist keine Romanze, gleichwohl neben dem Krieg läuft das Leben
weiter und Liebesbeziehungen fließen ein, mache nur zum Zweck. Aus
unserer friedlichen Sicht der Welt, erscheint manchem Leser die ein oder
andere Szene brutal. Krieg ist brutal und hat etwas mit Macht und
Überlebenswillen zu tun. In heutigen Krisengebieten geht es nicht besser
zu. Von daher sind entsprechende Beschreibungen authentisch. Keira
Brennan hat für mich mit diesem Roman eine Zeit betreten, zu der es wenig
Literatur gibt. Geschickt webt sie eine Story in die historischen
Begebenheiten ein, klar und unverblümt. Hier wird nichts beschönigt, alles
detailliert beschrieben. So ähnlich könnte es gewesen sein.
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