Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Die Jahrhundert-Saga
von Ken Follett
Fünf Familien aus Deutschland, Großbritannien, Russland und
Amerika, die irgendwie miteinander verknüpft sind, hat Ken Follet
als Hauptakteure seine Jahrhundert-Saga 1911 bis 1989 die
Weltgeschichte erzählen lassen.
Seine Protagonisten sind fiktive Personen aus der zweiten Reihe der
Machthaber, vom Berater des US-Präsidenten, ein deutscher
Offizier, ein Bolschewik aus Lenins Führungskreis, später
Journalisten aus den benannten Ländern, eine englische Gräfin mit
Beziehungen zum Königshaus, zu den Kennedy-Brüdern und
Chruschtschow, englische Parlamentarier, Stars der Kunstszene,
Millionäre.
Würden alle diese Helden aufeinandertreffen, so hätten sie nichts,
worüber sie uneinig wären. Das ist das Manko bei Follet. Die Helden
sind alle Linientreu: Demokraten aufrichtigen Herzens, links
schlagend.
Follet nennt einmal sein Rezept für Bestseller: «Alle vier bis sechs
Seiten eine überraschende Wendung, keine langen
Personenbeschreibungen; eine Person wird charakterisiert durch
ihre Handlungen. Jedes Buch braucht eine Liebesgeschichte mit
Frustrationspotenzial, bei der das Glück des Paars bis zum Schluss
fraglich ist. Einfache Sprache, wenn jemand einen Satz von mir zwei
Mal lesen muss, habe ich versagt."
Follett ärgert sich über historische Fehler. Sie trüben das Bild vom
Erzählvirtuosen. Er lässt alle Manuskripte von Historikern
gegenlesen. Bei "Sturz der Titanen" hatte er zwanzig Berater
engagiert.
Sturz der Titanen
Klappentext: “England: Ethel Williams, Kind einer Bergmannsfamilie
aus Wales, ist Dienerin im Haus von Earl Fitzherbert. Als sie von ihm
ein Kind erwartet, wird sie in Schande entlassen. Aber Ethel lässt
sich nicht entmutigen und beginnt für die Rechte der Frauen zu
kämpfen. Russland: Grigori und Lew Peschkow wachsen als Waisen
auf. Während Grigori zum Revolutionär wird, gelangt sein Bruder in
Amerika zu Reichtum - bis er sich zur Armee melden muss und so als
Soldat in die Heimat zurückkehrt. Deutschland: Anders als sein Vater
sehnt sich Walter von Ulrich nach einem demokratischen
Deutschland. In London verliebt er sich Hals über Kopf in die
emanzipierte Lady Maud. Am Tag vor der deutschen
Kriegserklärung an Russland heiraten sie heimlich. Doch der
beginnende Konflikt reißt die Liebenden auseinander. Drei Familien,
drei Schicksale, die sich kreuzen, während der Schatten des Krieges
die Welt verändert.”
Im „Sturz der Titanen“ gibt es acht Hauptprotagonisten aus
England, Deutschland, Russland, Amerika, verschiedener Herkunft
und Stand. Jede Figur ist steht bezeichnend für die Sichtweite aus
Sozialstand und Land, gewinnt darüber eine unverwechselbare
Persönlichkeit. Alle diese Personen sind in irgendeiner Weise
miteinander verflochten. Gekonnt vernetzt Follet seine
Protagonisten ins Weltgeschehen des ersten Weltkries. Walter
assistiert General Ludendorff bei Tannenberg, Gus Dewar arbeitet
im Büro des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, Grigori
versteckt den aus der Schweiz zurückgekehrten Lenin und ist
später in Trotzkis engstem Bürgerkriegsstab. Fitzherbert steht im
Parlament, in dem der britische Premier Asquith und Lloyd und
Winston Churchill streiten. Ethel steht auf der Arbeiterseite, mit der
auch Lady Maud ein wenig sympathisiert, die sich in den Deutschen
Walter verliebt. Durch erzählerisches Geschick gelingt es Follet so,
eindrucksvoll die sozialen Verhältnisse der Zeit darzustellen,
unterschiedlichen Blickrichtungen auf die Weltpolitik aber auch die
Verhältnisse und ihre Veränderungen wie den Verfall der Macht des
Adels, Frauenrechte, Arbeiterrechte, die rasanten Ereignisse von
Machtwechsel in Russland darzustellen. Ein literarischer, höchst
spannenderer Geschichtsoman, der von vertanen Chancen erzählt,
deren Folgen von den Menschen Europas getragen werden
müssen. Wer auf unterhaltsame Weise seine Geschichtskenntnisse
zum 1. Weltkrieg auffrischen möchte, ist hier gut bedient.
Winter der Welt
Klappentext: “Es ist eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit der Finsternis.
Aber auch der Hoffnung, die selbst das tiefste Dunkel erfüllt.
Während sich die Lage in Europa gefährlich zuspitzt, versuchen drei
junge Menschen heldenhaft ihr Schicksal zu meistern: Der
Engländer Lloyd Williams wird Zeuge der Machtergreifung Hitlers
und entschließt sich gegen den Faschismus zu kämpfen. Die
deutsche Adelige Carla von Ulrich ist entsetzt über das Unrecht, das
im Namen des Volkes geschieht, und geht in den Widerstand,
während die lebenshungrige Amerikanerin Daisy nur vom sozialen
Aufstieg träumt - und eine bitterböse Überraschung erlebt! Liebe
und Hass, Anpassung und Widerstand bilden ein schicksalhaftes
Geflecht vor dem großen Panorama des Zweiten Weltkriegs, der
dramatischen Zeitenwende des zwanzigsten Jahrhunderts.”
Die Protagonisten bleiben, werden teilweise zu Randfiguren, denn
ihre Kinder prägen das zweite Buch. Der zweite Weltkrieg zieht
langsam auf. Die Entwicklung des Faschismus wird nicht einseitig
nur auf Deutschland bezogen, sondern auch die
Bürgerkriegskämpfe in Spanien und die Gefahren in England
werden beschrieben. Durch die ganz unterschiedlichen
Blickrichtungen auf die Weltpolitik aber auch die Verhältnisse der
bekannten Familien wird zusammen in beiden Bänden die erste
Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieben. Mir hat gefallen, dass
Follet keine einseitigen Schuldzuweisungen zulässt, nur
Verfehlungen der einzelnen Protagonisten. Die Ereignisse des 2.
Weltkriegs werden klar umrissen, durch die Persönlichkeiten wird
auch klar deutlich, wie Menschen durch getrieben werden,
Ideologien verfolgen, von der Wirklichkeit eingeholt werden,
Freundschaften zerreissen oder überdauern, Freunde stehen sich
im Krieg gezwungenermassen gegenüber. Hier wird nichts
geschönt, ideologisiert, die brutale Wirklichkeit aber auch
Menschlichkeit geben den Ereignissen Raum.
Deutschlands junge Demokraten stehen schweren wirtschaftlichen
Zeiten gegenüber. Walter von Ullrich sitzt als Sozialdemokraten im
Parlament. In den Krisenzeiten gewinnen Faschisten immer mehr
Einfluss. Hitler gewinnt die Macht. Lloyd Williams, wird zum
Antifaschisten. Carla von Ullrich, die Tochter von Lady Maud und
Walter von Ullrich, sind zunächst unschlüssig, meinen, auch das geht
vorüber, begeben sich später in den Widerstand. Grigori Peschkow,
ein Kommunist der ersten Garde muss feststellen, dass die neue
Macht nicht besser ist, als das Zarenreich. Er richtet sich irgendwie
dort ein. Sein Sohn Wolodja kämpft im Krieg gegen Deutschland.
Präsident Roosevelt steckt in der Weltwirtschaftskrise der USA. Gus
Dewar, Senator und Berater des Präsidenten, möchte die Vereinten
Nationen gründen, rät von der Einmischung in den Krieg ab. Doch
die Ereignisse von Pearl Harbor zwingen die USA zum Eingreifen.
Spannend, erklärt Follet die Ereignisse um den Zweiten Weltkrieg.
Faschismus wird als allgemeines Phänomen beschrieben:
Deutschland, Spanien, England, Italien. Bei den Deutschen
unterscheidet er fein zwischen „Nazis“ und „Deutschen“, wie bei
den anderen Nationen auch. Auch hier ein Roman, der Geschichte
real und gekonnt in eine Story vereinigt.
Kinder der Freiheit
Klappentext: “Deutschland nach dem Mauerbau: Rebecca
Hoffmanns Welt in Ostberlin scheint in Ordnung zu sein - bis sie
durch Zufall erfährt, dass der eigene Mann sie seit Jahren im
Auftrag der Stasi bespitzelt. Als sie ihn zur Rede stellt, begeht sie
einen verhängnisvollen Fehler, den sie und ihre Familie ihr Leben
lang bereuen sollen. - In den USA erlebt George Jakes als
Vertrauter von Justizminister Robert Kennedy hautnah den Kampf
der Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus, Intoleranz und
Ungerechtigkeit - und bekommt am eigenen Leib zu spüren, was es
heißt, ein Farbiger zu sein. - Cameron Dewar ist Republikaner, aber
auch er kämpft unbeirrt für seine Überzeugungen. Als CIA-Agent
muss er sich in einer Welt aus Täuschung, Lügen und Intrigen
zurechtfinden. - Ähnlich geht es Dimka Dworkin, dem jungen Berater
von Nikita Chruschtschow, als sich Sowjetunion und USA in einen
Konflikt stürzen, der die Welt an den Rand des Atomkriegs führt.
Seine Schwester Tanja begibt sich als Journalistin an die
Brennpunkte des Geschehens, von Moskau über Kuba bis nach Prag
und Warschau - dorthin, wo Weltgeschichte geschrieben wird. Der in
sich abgeschlossene Roman erzählt die miteinander verbundenen
Schicksale von Menschen aus Ost und West vor dem Hintergrund
der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen vom Anfang
der Sechziger- bis zum Ende der Achtzigerjahre.”
Von 1961 bis 1989 wird die Geschichte weitererzählt:
Bürgerrechtsbewegung, Kalter Krieg, Kuba-Krise, Mauerbau und
Mauerfall.
Die Eltern, Kinder und Enkel-Kinder der Peshkow, Fitzherbert,
Williams, von Ullrich, Dewar und Rothmann sind zu den besser
gestellten Leuten aufgestiegen. Baronin Ethel Williams hat einenSitz
im Londoner Oberhaus. Rebecca, George, Dimka sind die politische
Karriereleiter hochgeklettert. Dave, Walli, Evie haben den
erfolgreichen künstlerischen Weg gewählt. Tanja, Jasper sind
einflussreiche Journalisten geworden
Dieser letzte Band hat mich ziemlich enttäuscht. Die privaten
Geschichten der Protagonisten stehen im Vordergrund: Sex, Crime,
Rockn Roll, was ziemlich bedeutungslos wirkt. Geschichte fehlt
dagegen.
Der Anfang hat mir noch gefallen, beginnend mit dem Mauerbau
1961 in Ost-Berlin. Lady Maud von Ulrich lebt mit ihrer Tochter Carla
und deren Familie in der SBZ, aber sie haben eine Firma im Westen
von Berlin. Bis 1961 ist eine Fahrt von einem Sektor zum anderen kein
Problem. Kontrollen werden eingeführt, nur vom östlichen Teil, die
Stasi zeigt zunehmend Reglementierung. Rebecca Hoffmann, Carlas
Adoptivtochter plant in den Westen abzuhauen, ihr Bruder Walli
folgt. Der Musikersieht keine Hoffnung Popmusik in der DDR zu
spielen, macht Karriere im Westen.
Die Kuba-Krise, die Verfolgung der Bürgerrechtler, wie Martin
Luther King, der Vietnam-Krieg oder die Verschiedenheit der US-
Präsidenten und russischen Präsidenten Chrustschow, Breschnew
oder Gorbatschow, werden gut dargestellt. Auch der Westen
bekommt sein Fett ab, in seiner heuchlerischen Politik. Der
sibirischen Gulags wird durch Tanjas nach Sibirien verbannten
Untergrund-Freundes dargestellt. Tanja schmuggelt das Manuskript
ihres ins „Archipel Gulag“ über Leipzig in den Westen, wo das Buch
ein Erfolg wird. Bespitzelung durch die Stasi in der DDR oder der
Prager Frühling, Solidarnosc 1981 in Polen sind Thema, ebenso die
gezielte Eliminierung von Hisbollah-Kämpfern durch die CIA.
Warum ist die Entwicklung West-Deutschlands zur Demokratie kein
Thema? Der Kniefall Willy Brands? Die Mauer wird gebaut und
Schluss mit Deutschland. Das taucht erst mit dem Mauerabriss
wieder auf. Kein Wort über die Studentenaufruhr in ganz Europa,
RAF und ähnliche Gruppen in anderen europäischen Ländern
werden nicht erwähnt. Die Wirtschaftskrise in England, die
Regierungszeit der Eisernen Lady Thatcher bekommt keinen Raum.
Die Entwicklung der europäischen Staaten zur EU ist an Follet
vorbeigegangen. Schade. Dafür lernen wir die Bettgeschichten der
Kennedys intensiv kennen, Drogensüchtige und Popstarkarrieren,
die völlig abstrus daherkommen. Nein Herr Follet, der letzte Band
steht weit hinter den anderen zwei. Ist die europäische Geschichte
an dem Autor vorbeigegangen? Intensiv Amerika und Russland,
verstrickt in alberne Bettgeschichten und Nebengeschichten im
Privatfokus der Protagonisten, dafür Europa verschlafen. Das ist
nicht Geschichte, schon gar nicht die Fortsetzung der gelungenen
Vorbände.
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