Autorin
Sabine Ibing
Die beiden französischen Schwestern Isabelle und Vianne Rossignol
erleben die Zeit des zweiten Weltkriegs in Frankreich, so könnte die
Geschichte zusammengefasst werden, geschrieben von einer
Amerikanerin im amerikanischen Stil. Genau das war für mich das
Problem an diesem Roman, eine amerikanisch-hollywoodmäßige Sicht
der Dinge.
Isabelle, extrem aufsässig, fliegt mal wieder von einem Internat. Ihr
Vater führt eine Buchhandlung in Paris, will sie dort nicht haben, schickt
sie zur großen Schwester aufs Land, die Mutter ist längst verstorben.
Vianne lebt mit ihrer Tochter in einer Kleinstadt, ist eine extrem
angepasste Lehrerin, die mit Isabelle nicht gut klarkommt. Ihr Mann
befindet sich als Soldat im Krieg. Die Deutschen rücken an, besetzen
die Stadt, ein Offizier zieht bei Vianne ein. Isabelle kennt keine Angst,
zeigt sich dem Deutschen feindlich gegenüber, verteilt heimlich
Flugblätter für die Résistance. Sie transportiert auch Nachrichten für
diese Gruppe nach Paris. Vianne ordnet sich dem Leben unter, gibt
dem Deutschen sogar eine Liste von im Ort ansässigen Juden,
Kommunisten, Freimaurern, obwohl ihre beste Freundin Jüdin ist.
Isabelle hilft einem abgestürzten, englischen Piloten nach Paris zu
entkommen, und bringt ihn zu den Leuten der Résistance. Man bittet
sie, eine Gruppe Engländer über die Berge nach Andorra und weiter
nach Spanien zu bringen. Nun trennt sich in der Geschichte die
Schwestern. Isabelle führt Engländer und Amerikaner für die
Résistance in Freiheit, wird die von den Deutschen meistgesucht und
gehasste Person, genannt: »Nachtigall«. Vianne erzählte sie, sie habe
eine Liebschaft in Paris, sei deshalb fortgegangen.
Die Schwester wiederum entwickelt fast so etwas wie Freundschaft zu
dem deutschen Offizier, der ihr hilft, wo er kann, ein netter deutscher
Familienvater. Die Juden und Kommunisten in dem Ort werden alle
entlassen, müssen gelbe Sterne an der Kleidung tragen. Vianne
beschwert sich in der deutschen Kommandantur, setzt sich für die
Kollegen ein und verliert auch ihren Job. In der Kommandantur sieht
sie Berge von Schinken, Würsten, Käseräder, Mehl, Kaffee, Wein usw.,
die die Deutschen horten, Vianne ist entsetzt. Die französische
Bevölkerung hungert, hat nicht genügend zu essen, nichts zum
Anziehen, kein Feuerholz.
Nun werden die Juden abtransportiert, die nicht in Frankreich
geboren sind, der deutsche Offizier warnt Vianne. Ihre Freundin ist
ungläubig, will aber fliehen, doch beim Versuch wird ihre Tochter
erschossen. Vianne versteckt die Freundin mit dem Sohn. Der Deutsche
hatte wohl Unrecht, niemand transportierte die Juden ab. So kehrt die
Freundin nach Hause zurück, Bekleidung holen. In diesem Moment
fährt die Polizei vor, die französische Polizei, die mit der SS kollaboriert,
transportiert die Frau ab, steckt sie in einen Zug, voll mit Juden.
Vianne nimmt den kleinen Sohn ihrer Freundin zu sich, behauptet, es
wäre ihrer.
Die beiden Schwestern, Extreme, superrebellisch und hyperangepasst,
die deutschen Soldaten sind ausnahmslos böse, nur »unser Deutscher«
ist eigentlich ein netter ... Der Stoff war ein wenig dick aufgetragen, zu
durchsichtig, zu klischeehaft. Der Ausgang ist von Anfang an klar.
Vianne wird natürlich ebenfalls Widerständlerin. Und irgendwann
kommt heraus, der Vater ist ebenso ein Mann der Résistance, die
ganze Familie, jeder für sich. Das Leben wird immer schlimmer, immer
noch ein Übel obendrauf, fast unerträglich. Vianne wird ihren netten
Deutschen erschießen und viele jüdische Kinder retten. Leider erfährt
man nur etwas über die heroischen Schwestern, eigentlich nichts über
den Krieg und die Résistance. Hier hinkt der Geschichtsroman gewaltig.
Krieg ist schrecklich, grausam, alle hungern, nur nicht die Soldaten.
Und die sind ausnahmslos fies, bis auf den einen. Irgendwo findet da
draußen ein Krieg statt, mit den Deutschen. Wer, wo, weshalb, kein
Wort davon, nicht ein einziges historisches Ereignis wird erwähnt.
Keine Kriegshandlungen, bis auf Fallschirme mit Männern, die zu
retten sind, fällt nichts vom Himmel. Warum sind hier englische und
amerikanische Soldaten in der Luft? Warum muss man die retten?
Warum nach Andorra und Spanien bringen? Von der Résistance
erfährt man, dies sind die Widerständler. Das war es schon. Mir ist es
klar, dass es sich hier um den zweiten Weltkrieg dreht und ich kennen
die Zusammenhänge. Trotzdem fällt es mir auf. Wäre ich unwissend,
halbwissend, würde ich mir ein Menge Fragen stellen, nichts begreifen.
Eine Romanze darf nicht fehlen im Kriegsdrama. Alle wichtigen
Personen sind besonders schön, attraktiv, auch der gute Deutsche.
Wie sich das gehört. Dick aufgetragen mit wenig Substanz und
Ernsthaftigkeit für Plot und Figuren, wabert alles an der Hollywood
Oberfläche.
»Er erhob sich langsam und nahm sie in die Arme. Das Gefühl der
Sicherheit, das sie in diesem Moment empfand, hätte sie am liebsten in
Flaschen abgefüllt, um später davon zu zehren, wenn Einsamkeit und
Angst sie bedrängten.«
Es wird mit allem sprachlichen Kitsch gespielt und die Tränendrüse
erweicht bis zum Erbrechen. Kein schlechtes Buch und es wird sicher
viele Leser ansprechen, die Klientel, die gern mit Taschentuch in der
Hand »Titanic« schaut.
»Er drehte sich um und stand vor dem Erschießungskommando. Sie
sah, wie er sich aufrichtete und die Schultern straffte. Er schob sich
weiße Haarsträhnen aus den Augen. Quer über den Platz strafen sich
ihre Blicke. Sie umklammerte die Gitterstreben fester, hielt sich an
ihnen aufrecht. ›Ich liebe dich‹, formte sie mit den Lippen. Schüsse
peitschten auf.«
Die Geschichte strotzt vor Grausamkeit, ein Roman in den man alles
hineinpackt, was der Krieg zu bieten hat, bis hin zur Vergewaltigung,
Die Protagonisten leiden, bis zum geht nicht mehr: So sieht Krieg aus! So
fies sind Besatzer!
Die Oberflächlichkeit ohne historischen Hintergrund, Kitsch im
Vordergund, kommt bei mir als Leser nicht an, weil es so aufgesetzt ist
in der Masse, und die Protagonisten extrem unecht wirken in ihrer
Überzogenheit. Schade, ein gutes Thema, dem mehr an Substanz und
weniger an Effekt besser getan hätte.
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Rezension
Die Nachtigall
von Kristin Hannah
Gesprochen von: Luise Helm
Spieldauer: 18 Std., ungekürztes Hörbuch