Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Elf Jahre nach meinem letzten Aufenthalt, und der
Flughafen von Freetown immer noch chaotisch, einer von denen,
wo eine Treppe ans Flugzeug gerollt wird und man aus den
geregelten Temperaturen Europas direkt in die Bruthitze
Westafrikas tritt.«
Roland Nair, weiß, trifft seinen alten Freund Michael Adriko, einen
Farbigen, Angehöriger einer US-amerikanischen Spezialeinheit, den
Nair sehr verehrt. Er ist auf ihn angesetzt. Offiziell gehört Nair den
dänischen Streitkräften an. Real arbeitet er in Mission für die Nato.
»Geheimagent«, erklärt Nair: »Das sagt heute keiner mehr.«
Der Freund hat seine Verlobte im Schlepptau, eine Farbige, Davidia.
Michael sollte sich mit ihm in Sierra Leone treffen, es geht um ein
dickes Geschäft, bei dem beide viel Geld verdienen können. Nair
hat ein eigenes Geschäft im Sinn, er will Geheiminformationen
verkaufen. Was hat der Icherzähler wirklich im Sinn? Will er seinen
gesuchten Freund Adriko ans Messer liefern oder will er den Deal
mit ihm durchziehen. Adriko verrät ihm nicht, worum es geht. Will
Davidia Adriko wirklich heiraten oder ist sie eine weitere Agentin im
Spiel?
»Michaels Durchschaubarkeit, wenn er heimlich tun will, fand ich
schon immer zum Totlachen.«
Wer spielt mit offenen Karten? Niemand. Wer meint es ehrlich mit
wem? Afrika, gewohnte Kommunikation ist schwierig. Strom,
Internet, ist selten verfügbar, oft muss man sich an Behörden,
Kloster usw. wenden, um ins Netz zu kommen. Verschlüsselte
Kommunikation, schlechte Verbindung. Wer sind Nairs
Auftraggeber, haben sie ihn selbst zum Abschuss freigegeben?
Nichts ist klar. Schon gar nicht glauben wir dem Erzähler. Alles läuft
aus dem Ruder. Nairs Geschäft könnte platzen und als er
herausbekommt, was Adriko plant, wird ihm die Sache zu heiß. Zu
spät, er steckt längst drin. Er muss dem Freund vertrauen, der sich
in diesem Kontinent auskennt, die Sprache spricht, Kontakte hat.
Afrika: Chaos, Warlords, Drogenbossen und Rebellen.
»Es gibt da so einiges, was du nicht mitbekommen hast. Hier
passiert nichts Plötzliches. Es kommt nur mehr ans Licht.«
Das Trio fliegt von Freetown nach Entebbe, Uganda, gelangt über
die unbewachte Grünzone in den Kongo. Alles läuft schief, der Deal,
die folgende Flucht und sie werden von der kongolesischen Armee
gefangengenommen. Die Amerikaner kommen ins Spiel. Adriko ist
verschwunden, Davidia steigt ins Flugzeug, Nair lässt man laufen.
Aus welchem Grund? Ein harter Weg über die Berge liegt vor ihm,
man gibt ihm einen Auftrag. Handy, Funkverbindung, Uhr, er
entledigt sich allem, er will nicht gefunden werden, denn zu
welchem Zweck wurde er wirklich losgeschickt? Wird er es
schaffen, durch die Trockenheit zu entkommen, den Weg zu
finden?
Dieser Roman ist nicht der typische Agententhriller der alten Sorte.
»Uns interessiert das Abenteuer. Es ist gut für die Seele, den Geist
und den Kontostand.«
Die Welt verändert sich, die klare Trennung von Gut und Böse
verliert sich. Nair und Adriko haben keine Lust mehr, sich aufreiben
zu lassen. Sie benötigen ein Startkapital zum Aussteigen. Beide
kennen sich aus der gemeinsamen Zeit in Afghanistan. Nair, der
Däne, der kein Dänisch spricht, weil er in Schweizer Internaten
aufwuchs. Adriko, der seine Identität in Afrika sucht, der in
englischen Internaten aufwuchs. Er sucht seinen Clan, er
entspringt dem vom Idi Amin, der sich nach der Entmachtung des
Diktators auflöste, verstreute. Sie sind wieder vereint, so glaubt
Adriko, werden ihn erkennen, als ihren Häuptling anerkennen, so
sein Traum. Zwei ruhelose Männer, entwurzelt, die das Abenteuer
satthaben, irgendwo ankommen möchten, zwei Freunde, verliebt in
die gleiche Frau. Ein Regime das sie herumschob, sie an der Nase
herumführte, sie ausnutzte, an dem sie sich rächen?
»Sie haben mir eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die USA
versprochen, Nair. Gelogen. Sie haben mir gesagt, ich hätte beste
Aussichten auf die amerikanische Staatsbürgerschaft. Gelogen. Sie
haben gesagt, ich würde als Offizier in die US-Armee eintreten und
so weit kommen, wie meine Talente mich bringen würden. Gelogen.«
Sprachlich passt sich der Roman an das Geschehen an. Gemächlich,
hektisch, je mehr das Tempo anzieht, umso knapper die Sätze.
Alkohol und Dehydration lösen Fantasien und Halluzinationen aus,
Geister, Zauberinnen, planlos, kopflos. Nair ist ein unzuerlässiger
Erzähler, man will ihm irgendwann nicht mehr alles glauben, schon
gar nicht, dass er ein guter Mensch sei. Und dann ist wieder alles
glasklar, übereilt. Wer ist wirklich der Auftraggeber von Nair und
warum ist Adriko auf der Flucht? Wer hat zum Ende wen betrogen
oder wird dies in naher Zukunft tun? Wer ist zum Abschuss
freigegeben? Man weiß es am Ende nicht. Bei diesen vielen
Verflechtungen, Undurchsichtigkeit, wäre ein geschlossenes Ende
fehl am Platz. Einiges ist geklärt, anderes bleibt offen für die
Gedanken des Lesers.
»Ich glaube, man kann ohne weiteres sagen, dass der Teil, der sich
am meisten verändert hat, die Welt der Geheimdienste, der
Sicherheit und der Verteidigung ist. Die Weltmächte öffnen ihre
Kassen für eine erweiterte Version des alten, großen' Spiels. Das
Geld hat einfach keine Grenzen, und viel davon wird fürs
Verpfeifen und Bespitzeln ausgegeben. Auf dem Gebiet gibt es
keine Rezession.«
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