Autorin
Sabine Ibing
»Unsere Sinne bringen uns in Kontakt mit der Welt, aber gleichzeitig
begrenzen sie diese Welt auch. Wir sehen nur das, was unsere Augen
sehen können und wir hören nur das, was unsere Ohren hören können.
Aber wir wissen auch, dass es jenseits unserer Sinne Geräusche und
Farben, die oberhalb oder unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle
liegen. Die für uns außer Reichweite sind.«
Gleich vorweg, um vom Buch keinen falschen Eindruck zu hinterlassen:
Wer glaubt, hier etwas über den berühmten Architekten Antoni Gaudí zu
erfahren, ist im falschen Buch. Antoni Gaudí ist Student studiert
Architektur in Barcelona und ist intelligent. Hier enden die
Gemeinsamkeiten. Der echte Gaudí arbeitete vom ersten Semester an in
Barcelona für Architekten, verdiente dort seinen Studienunterhalt (1873 bis
1878), weil man seine Genialität schätzte. Sein Vater war Kesselflicker,
wohnte nie in Barcelona. DIESER Gaudí im Buch ist ein habseidener Typ, der
sich in Nachtbars herumtreibt und nicht ganz legalen Geschäften
nachgeht, um seinen begnadeten Vater zu unterstützen, der in einer alten
Lagerhalle Barcelona als architektonisches Modell neu entwirft. Der Autor
und der Verlag führen mit Namensgebung, Beruf und Jahreszahl
letztendlich in die Irre, was einen faden Beigeschmack hat. Auch ich bin bei
der Auswahl des Buchs darauf hereingefallen. Der Roman hat das nicht
nötig, denn er steht für sich auch ohne Promis.
Der geschichtliche Hintergrund dreht sich um Alfons XII, Sohn Isabella II.
von Spanien. Durch die Septemberrevolution von 1868 wurde Alfons, zehn
Jahre alt, mit seiner Familie ins Exil nach Paris getrieben. Am 1. September
1870 marschierten deutsche Truppen in Paris ein und die Königsfamilie floh
in die Schweiz, Schule und Studium in Wien, britische Militärakademie. Im
Dezember stellte 1874 Generals Arsenio Martínez-Campos den Antrag für
die Wiedereinführung der Monarchie und sprach sich für Alfons als König
aus.
Der katalanische Schriftsteller Daniel Sánchez Pardos wurde 1979 in
Barcelona geboren. Er studierte Spanische Philologie und machte sein
Diplom im Übersetzen von Literatur. Seither arbeitet er als Übersetzer und
Autor. Zu seinen Auszeichnungen gehört der La Tormenta en un Vaso-
Preis als bester neuer Autor des Jahres im Jahr 2011. Seine Romane wurden
in acht Sprachen übersetzt.
Zum Buch: 1874, Gabriel Camarasa, Sohn eines Zeitungsverlegers, ist mit
seiner Familie nach Barcelona von London zurückgekehrt. Antoni Gaudí
rettet ihn vor einer heranfahrenden Straßenbahn und die beiden
ungleichen Studenten freunden sich an. Die erfolgreiche, moderne
Zeitung der Camarasas ist nach der englischen Yellow-Press angelegt und
Fiona, eine Freundin Gabriels, ist dort als Zeichnerin angestellt. Plötzlich
steht Gabriels Vater unter Verdacht, einen Geschäftspartner erstochen zu
haben. Die beiden Freunde versuchen, unter Mithilfe Fionas,
herauszubekommen, wer der Mörder ist. Das Lokal »Die sieben Türen« und
»Das Theater der Träume« führen sie zu einer Geheimgesellschaft.
Auf der einen Seite stehen revolutionäre Gruppen, auf der anderen
bourgeoise Royalisten, die den König wiedereinsetzen wollen. Gehört
Gabriels Vater zu dem Bund der Royalisten und war sein Zweck, nach
Barcelona zurückzukehren, gar nicht die Gründung der Zeitung?
Der Autor wird von der Presse mit Carlos Ruiz Záfon verglichen, was ich
leider nicht nachvollziehen kann, dazu langt es nicht. Aber Daniel Sánchez
Pardos versteht es, mit seiner Sprache und der Beschreibung des alten
Barcelonas eine Atmosphäre für die Zeit zu errichten. Die dunkle Altstadt
mit engen Gassen, prachtvolle Hauptstraßen, Märkte, Cafes, Restaurants,
der Hafen, man sieht und riecht die Stadt in alter Manier. Fiona, mit dem
fotografischen Gedächtnis, die an Tatorten genau zeichnet, fabriziert
etwas völlig Neues. Das Unbehagen über die neue Art des »Klatschens«
durch Abbildungen und des Voyeurismus der plakativen Zeitung werden
gut dargestellt, aufkommende Technik beherrscht Paris. Trotz der Länge
des Buchs hat Sánchez Pardos es für mich nicht geschafft, die Figuren fein
zu zeichnen, sie bleiben oberflächlich und wabern durch den Plot,
entwickeln sich nicht. An sich ist die Geschichte spannend, aber an einigen
Stellen sehr plattgewalzt, eine Straffung hätte gutgetan, die Protagonisten
langweilen ein wenig.
Um sich ein Bild der politischen Umwälzung zwischen einer nicht
funktionierenden Republik hin zur royalen Regierung zu machen, taugt
dieses Buch als historischer Krimi. Eine Zeit der Umwälzung durch die
Moderne legt in der Luft. Allerdings ist der Roman nur etwas für geduldige
Leser. Das Buch kann man gut lesen, aber man hat nichts verpasst, wenn
man es nicht kennt.
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Rezension
Die sieben Türen
von Daniel Sánchez Pardos