Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Wo die Reservatsgrenze unmerklich ein Dickicht zerteilte
– aus Traubenkirschen, Pappeln, Krüppeleichen -, stand Landreaux und
wartete.«
Landreaux Iron, auf der Jagd nach einem Hirsch, mit dem Gewehr das
Tier im Visier, ein Schuss. Wie konnte das passieren? Wo kam der
Nachbarsjunge her? Er hat ihn nicht gesehen! Ein Versehen, ein
Jagdunfall, Landreaux steht in der Schuld, er hat Dusty getötet. Seine
Familie und die des Kindes sind befreundet, zumindest die Männer, die
Kinder. Die Frauen sind Schwestern, mögen sich nicht so sehr. Die eine
Familie steht in der Schuld der anderen, Schuld muss gesühnt werden. Sie
bringen ihr Opfer nach alter indianischer Tradition: Landreaux gibt
seinen Sohn LaRose, gleichalt mit den verstorbenen Dusty, in die andere
Familie, will deren Sohn ersetzen.
»Nola schrie Landreaux an, schreckliche Worte, an die sie sich später
nicht erinnern konnte. Sie kannte die Leute von der Stammespolizei.
Erschießt ihn!, schrie Nola. Bringt ihn um, den Scheißkerl!«
Der fünfjährige LaRose begreift schnell, welche Rolle ihm zusteht. Er ist
das eigentliche Opfer. Nola, die Mutter von Dusty, ist ein schwieriger
Mensch, psychisch instabil, sie fällt mit dem Tod des Sohnes in
Depressionen. LaRose schafft es, einen Zugang zu ihr zu gewinnen, auch
zu Pete, dem neuen Vater, zu seiner neuen Schwester, die von den Eltern
als fünftes Rad am Wagen behandelt wird. Doch der Verlust von Dusty
füllt weiterhin den Raum, LaRose kann ihn niemals ersetzen. Gleichzeitig
leidet der Junge, vermisst seine eigene Familie, in der wiederum eine
Lücke entstanden ist. Wunden, die sich nie verschließen, Familien, die
sich als Nachbarn immer wieder über den Weg laufen. War das Ganze
wirklich ein Unfall? Pete und Nola sind sich niemals sicher, zu viele
versteckte Vorwürfe stehen im Raum, alte Geschichten … Landreaux
wird täglich mit seiner Schuld konfrontiert.
»Ich bin dran gewöhnt, sagte LaRose, ich bin jetzt an alles gewöhnt.«
LaRose findet sich hinein in sein Leben als Seelentröster, Familienkitt. Er
verliert auch nicht den Kontakt zu seiner Ursprungsfamilie und später
gibt es ein aufeinander Zugehen, etwas, was Scheidungskindern
präsentiert wird, man teilt das Kind. Liebe, Vergebung und Erlösung, das
Thema in diesem Buch.
»Wenn das Chaos, das Unheil in die Welt kommt, pflanzt es sich immer
weiter und weiter fort. Selten bleibt es bei nur einem Unglücksfall. Das
wissen die Indianer«
In einem zweiten Stang gehen wir zurück in die Vergangenheit, zu der
Geschichte von LaRose, dem Indianermädchen, der Mutter von Nola und
Emmaline, der Großmutter von LaRose, deren Namen er trägt. Sie
verbindet die Moderne mit der Tradition der Alten, die viel mehr über die
Natur wussten. Dieser Stang geht stark unter die Haut, denn hier wird
über das harte Leben der Ureinwohner berichtet, ausgestoßen aus dem
eignen Land, durch arrogante Verächtlichkeit der weißen Eroberer.
Louise Erdrichs Ton ist distanziert, beobachtend. Das tut der Geschichte
gut, denn sie ist an manchen Stellen schwer zu ertragen. Fein gewobene
Sprache, wundervolle Naturbeschreibungen und ein Hauch von Magie
der alten Mythen geben uns Eintritt in der Welt der Reservate.
Louise Erdrich ist Tochter einer Indianerin und eines Deutsch-
Amerikaners, lebt in Minnesota, betreibt eine eigene Buchhandlung. Ihre
oft ausgezeichneten Kinderbücher und Romane, Lyrikbände, haben sie in
den USA zu einer bekannten Autorin gemacht. Zuletzt erhielt sie den
»National Book Award« für »Das Haus des Windes«, den »PEN/Saul Bellow
Award« und den »Library of Congress Prize«
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Rezension
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von Louise Erdrich