Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Ewigkeitsfjord
von Kim Leine
Hörbuch, 11 Stunden, 09 Min, gesprochen
von Rainer Strecker
Rousseau: „Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten“,
der Leitspruch von Morton Falck, oft wiederholt im Text. Ein Roman, der
an vielen historisch belegbaren Orten handelt und echte Personen mit
einbezieht.
Wir befinden uns am Ende des 18. Jahrhunderts. Morton Falck möchte
Arzt werden, sein herrischer Vater zwingt ihn zum Studium der Theologie.
Heimlich schreibt er sich in Medizin ein, muss aber abbrechen, um dem
Wunsch des Vaters nachzukommen, der den Unterhalt zahlt. Das Leben
von Kopenhagen, wird ausgiebig geschildert, Menschen kopulieren an
allen Ecken, die hygienischen Zustände lassen einen erschaudern. Man
riecht die laute, dreckige Stadt, die aus jeder Pore stinkt, nicht nur dem
Geruch nach. Morton ernährt sich von wässrigen Grützen, stopft lustlos
Essen in sich hinein, nimmt, was er bekommen kann.
Er vergeht sich an der Vermietertochter, ist gezwungen sie zu heiraten.
Die unliebsame Verlobung löst er, da er eine seine Stelle als Missionar im
hohen Norden nur ungebunden antreten darf. Morton flieht vor allem,
was ihn belastet, Ketten, die angelegt werden, hofft in der Fremde die
Freiheit zu finden. So wird er auch den harten Vater los. Er reist mit
seiner Kuh Roselil an Bord nach Grönland, denn er weiß, wie wichtig Milch
in der kargen Ernährung in Eis und Schnee ist. Die Schiffsreise wird ein
Desaster. Die Mannschaft missbraucht der Reihe nach den
minderjährigen Schiffsjungen und jagt ihn schließlich in den Tod. Morton
ist angewidert.
Auf Grönland angekommen, wird es nicht besser. Das Klima ist hart, es
herrschen oft Hunger und Kälte. Die Menschen sind verlaust, die Läuse
kriechen auf dem Tisch herum, Branntwein ist ein Hauptnahrungsmittel,
Brutalität und schlechte Hygiene machen das Leben aus. Noch steht
Morton über den Dingen, ein solches Subjekt wird niemals aus ihm
werden.
Die Kolonie ist ein einziger Sündenpfuhl: Vergewaltigung, Alkohol, Dreck.
Doch auch Mortons Gesundheitszustand verschlechtert sich und er ähnelt
tagtäglich mehr den anderen Bewohnern, greift zum Alkohol, hat sich
nicht mehr unter Kontrolle. Dunkelheit und Einsamkeit machen die
Menschen depressiv, aggressiv. Pfarrer Oxbøl, aus dem nahe gelegenen
Holsteinsborg missioniert die Ureinwohnerinnen, indem er ihnen den
Katechismus auf seine Art beibringt: Sie werden reihenweise schwanger.
Am Ende wird die Kolonie durch Waffengewalt zerstört, da sie von der
dänischen Regierung als Sündenort angesehen wird, Korruption herrscht.
Morten Falck kehrt gescheitert, gebrochen und verarmt nach
Kopenhagen zurück. Freiheit wird er in seinem Leben nicht mehr
erlangen.
Wer sich ekeln möchte, für den ist dies das richtige Buch. Die brutale
Wirklichkeit wird in allen Einzelheiten geschildert, die Arroganz der
Herrschenden, die Missionierung in Gottes Namen. Die eisige Kälte der
Fjords zieht durch das Buch, gruseln inklusive.
Allerdings hat mich die literarische Kraft dieses Buchs mich nicht
bezaubern können. Klischeehafte, extrem kitschige
Landschaftsbeschreibungen, unglückliche Formulierungen und
merkwürdige Metaphern, die stocken lassen. "Ewigkeitsfjord" wurde mit
zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis des dänischen
Buchhandels. Wofür ist mir nicht ganz klar. Auf jeden Fall nicht für die
Sprachgewandtheit. Insgesamt ist es ein spannendes Buch, das sich mit
der Kolonialisierung Grönlands befasst, schonungslos und offen.
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