Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Sie kam aus den Hügeln hinunter, die sich in der
Abenddämmerung schwarz färbten, und wenn ihre Füße auf dem
staubigen Weg gegen einen Schotterstein stießen, zuckte sie jedes Mal
zusammen.«
Fay lebt mit ihrem Vater und den Geschwistern im De Soto National
Forrest, Mississippi in einer ärmlichen Hütte, die Mutter ist verstorben.
Fay ist siebzehn und ihr Vater ist ein brutaler Schläger und Säufer, sie
ahnt, dass er sie demnächst vergewaltigen wird, so wie er sie ansieht.
Fay ist sehr hübsch, weiß das aber nicht. Mit zwei Dollar und ein paar
Zigaretten in der Hosentasche haut sie ab, will nur noch weg. Biloxi an
der Küste, so hat sie gehört, soll hübsch sein, ein Badeort am Meer, nur
ein paar Stunden entfernt. Sie ist ungebildet, naiv, hat die Schule bis zur
5. Klasse besucht, das reicht, meinte der Vater. Das Lesen und Schreiben
fällt ihr darum schwer. Sie musste schon als Kind auf dem Feld als
Erntehelfer arbeiten, Baumwolle pflücken und anderes, Hillbillys. Der
Wald und die Hütte, ihr bisheriges Leben. Und sie will weg!
Das ist alles, was man von Fay erfährt, vom Leben davor. Aber das
beschreibt alles und lässt ihr nun folgendes Handeln nachvollziehen.
Naiv begibt sie sich in die Welt, lebenshungrig. Irgendetwas wird
kommen, ein Job, sie will sich durchschlagen. Ihr erstes Abenteuer als
Anhalterin lässt sie mit einem blauen Auge davonkommen. Biloxi ist
letztendlich nicht weit entfernt, aber weiter als Fay gedacht hatte. Wir
begleiten Fay durch ein paar Monate. Vier, fünf, sechs? Sie wird gute
Menschen kennenlernen und schlechte. 652 Seiten für ein paar intensive
Monate. Und dann ist Schluss, genügend Fantasie für den Leser, wie es
weitergehen könnte. Fay ist hübsch, zieht sofort die Blicke der Männer
auf sich, sie besitzt eine gute innere Uhr dafür, wem sie trauen kann,
wem nicht, ein intuitives Misstrauen, und sie lernt sehr schnell.
»Woraus bestanden Menschen, und wie kamen sie zusammen, um das zu
sein, was sie waren? Was war dafür verantwortlich, dass man gut oder
böse war? Warum starben gute Menschen, während böse am Leben
waren?«
Das hört sich vielleicht nicht sehr spannend an, ist es aber, denn Fay
erlebt viel, ein Roadmovie. Immer wieder Dosenbier und Zigaretten, Bier
und wieder Bier, Bierbars, Tankstellen, Diners und Stripklubs, Angler,
amerikanischer Süden, Honky Tonk. TV, Kino, Prostitution, viele Dinge, die
Fay bisher nicht kannte. Ihre Schönheit und Naivität, ihre Ehrlichkeit,
Anspruchslosigkeit, lässt Männerherzen schmelzen, weckt
Beschützerinstinkte. Und sie wird Spuren hinterlassen, tiefe Spuren, Tote.
Sie fährt ungebremst in das Leben von anderen herein und es knallt.
Ihre Leichtigkeit wird sie nie verlassen, ihre Anziehungskraft als Femme
fatale nicht begreifen.
»›Was zum Teufel ist dann los? Wolltest du nicht, dass der Scheißkerl
stirbt? Du hast selbst gesagt, du hättest ihn am liebsten überfahren.
Findest du, der Sauhund sollte ungestraft davonkommen?‹ – ›Weiß ich
nicht.‹ – Na, und was weißt du?‹ – ›Anscheinend gar nichts.‹«
Authentische Dialoge, feine Monologe, eine subtile Beobachtungsgabe.
Larry Brown zieht den Leser in einen Sog, lässt ihn zusammen mit Fay
staunen, was sie auslöst, atemlos weiterhechten. Es gibt Ruhepausen für
Fay, die aber nicht lange anhalten. Liebestolle Männer, eifersüchtige
Frauen, schießwütige Menschen, Bösewichte mit einem weichen Herz,
aufrechte Gesetzeshüter, die durchdrehen. Plötzlich ist die Geschichte zu
Ende. Schade, ich hätte gern weitergelesen. Ein fantastischer Roman.
Larry Brown ist 2004 verstorben. Dieser Roman wurde 2000 in den USA
veröffentlicht. Fünf Romane und eine Reihe Kurzgeschichten wurden
veröffentlicht, ebenso war er als Songwriter tätig. Mit dem Schreiben hat
der Handwerker und Feuerwehrmann spät begonnen, 1988, hat sich das
Schreiben hart erarbeitet. Sein Motto: »Schreib, was du weißt und
kennst«. In den USA, speziell im Süden, erreichte er Kultstatus.
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Rezension
Fay
von Larry Brown