Autorin
Sabine Ibing
»Ich weiß nur, Lula Ann zu stillen war für mich so, als hinge mir ein kleines
Negerlein an der Brust. Ich gab ihr die Flasche, kaum dass ich zu Hause
war.«
Sweetness berichtet uns von den vielen Schattierungen der farbigen
Haut, sie selbst wäre als Weiße durchgegangen. Milch mit einem Schuss
Kaffee, Kaffee mit Milch, Schokolade bis bläulich-schwarz,
»Mitternachtsschwarz, sudanesisch schwarz«, je heller, umso besser.
»Ich habe eine hellere Haut und gutes Haar, so wie die von uns, die wir die
Gelben nennen, und Lula Anns Vater ist genauso. Man könnte sie für
einen Rückfall halten - aber wohin? «
Sweetness und deren Ehemann, sind so hellhäutig, dass sie sogar eine
Kaufhaustoilette aufsuchen können, ohne einen Aufruhr auszulösen,
berichtet sie dem Leser. In den Neunzigerjahren wird ihre Tochter Lula
Ann geboren und sie ist tiefschwarz. Sweetness schämt sich, und Ehemann
Louis verdächtigt sie eines Seitensprungs, verlässt sie. Kurz überlegt sie
dieses furchtbare Kind zur Adoption freizugeben.
»Voller Abscheu war ihr Gesicht, wenn sie mich baden musste, als ich noch
klein war. Eigentlich spülte sie mich nur ab, nach einem halbherzigen
Rubbeln mit einem eingeseiften Lappen. Ich betete, dass sie mir eine
Ohrfeige geben oder mich schlagen würde, nur damit ich ihre Berührung
spüren konnte. Ich machte absichtlich kleine Fehler, aber sie fand Wege,
mich zu bestrafen, ohne dabei die Haut zu berühren, die sie hasste.«
Sweetness mag das «Negerlein» nicht berühren. Sie erzieht Lula Ann
streng, zeigt ihr die Härte des Lebens. »Ich habe Angst«, der erste Satz
von Lula Ann in diesem Buch.
»Sie musste lernen, wie man sich benimmt, wie man auf der Hut ist und
keinen Ärger macht. Es ist mir egal, wie oft sie ihren Namen ändert. Ihre
Farbe ist ein Kreuz, das sie immer zu tragen hat.«
Als Lula Ann acht Jahre alt ist, erreicht sie die Anerkennung ihrer Mutter,
als sie mit einigen anderen Kindern zusammen vor Gericht gegen drei
Lehrkräfte aussagt, die beschuldigt werden, Kinder missbraucht zu
haben. Lula Ann ist die Glaubwürdigste, die standhafteste. Die Lehrerin
Sofia Huxley wird zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt auf Grund der
Aussage von Lula Ann.Nun folgt ein Zeitsprung. Lula Ann Bridewell ist zu
einer sehr attraktiven Frau herangewachsen, sie trägt ausschließlich weiß,
zum Kontrast zu ihrer Hautfarbe. »Schwarz ist das neue Schwarz«, riet ihr
der Image-Berater, zu ihrer »Lakritzenhaut« solle sie ausschließlich weiße
Kleidung tragen. Sie nennt sich nun Bride, hat bei dem kalifornischen
Kosmetikunternehmen Sylvia Inc. Eine steile Karriere hingelegt, sich bis
zur Bezirkschefin hochgearbeitet und verdient überdurchschnittlich gut.
Doch nun bricht für sie eine Welt zusammen.
»Du bist nicht die Frau, die ich will.«
Ihr Lebensgefährte Booker Starbern verlässt sie. Sofia Huxley, die
Lehrerin, wird nach 15 Jahren vorzeitig auf Bewährung entlassen. Brides
Gewissen meldet sich, sie will sie vom Gefängnis abholen, ihr Geld
zustecken. Doch Sofia steigt nicht ein. Bride besucht sie zu Hause, will ihr
das Geld übergeben. Sofia lässt sie herein und als Bride sich zu erkennen
gibt, schlägt sie auf die junge Frau ein. Mit zerschundenem Gesicht macht
sich Bride von dannen, meldet sich krank. Ihre Freundin und Kollegin
Brooklyn kümmert sich um die Verletzte. Bride begibt sich nun auf die
Suche nach Booker, zuerst in der Wohnung, denn sie weiß nichts über den
Mann, mit dem sie zusammenwohnte, wundert sich, dass er diese Bücher
las. Dann fährt sie los, ihn zu finden. Ein weiteres Unglück passiert
unterwegs. Immer im Leben zurückgestoßen, seit der Geburt, erlebt Bride
bei wildfremden Menschen das erste Mal Zuneigung, nicht aus
Bewunderung, schlicht einfach, weil sie da ist, Hilfe benötigt.
Die Geschichte wird multiperspektiv erzählt, aus Sicht der sechs
verschiedenen weiblichen Akteure, Bookers Geschichte erfahren wir
durch eine auktoriale Erzählerin. Die Reihenfolge. der Ereignisse werden
in verschiedenen Zeitebenen eingeflochten. In diesem kurzen Buch
stecken durch Nebenstränge verschiedene Geschichten, Einzelschicksale,
die im Großen gekonnt verwoben werden.
Für die 86-jährige Nobelpreisträgerin Toni Morrison ist das
Rassendiskriminierung immer ein Hauptthema gewesen, insbesondere die
Diskriminierung der farbigen Hautfarbe untereinander.
Kindesmissbrauch ist hier ein weiteres Thema. Gekonnt lässt die Autorin
die Protagonisten auftreten und blättert Stück für Stück ihre
Persönlichkeiten auf. Manches ist nicht so, wie es erst scheint. Ein dünnes,
aber großes Buch.
zeitgenössische Romane
Krims und Thriller
Historische Romane
Fantasy, Fantastic, SciFi, Utopien Dystopien
Sachbücher (für jedermann)
Kinder- und Jugendliteratur
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Gott hilf dem Kind
von Toni Morrison