Autorin
Sabine Ibing
»Als Quästor ist es mein Job, in das Leben anderer Menschen
einzutauchen, tiefer, als es einem mitunter lieb ist. Ich habe eine
Menge gesehen und bin zu der Erkenntnis gelangt, dass Menschen
alles, was möglich ist, ausprobieren.«
Galahad Singh ist ein Quästor, ein Detektiv, ein Hightech-
Kopfgeldjäger, er versucht Menschen ausfindig zu machen, die von
anderen vermisst, gesucht werden. Diese Zukunftswelt in 2088 ist
auf Hologramme aufgebaut. Straßen, Häuserfronten, erleuchten im
Chic, obwohl darunter das Mauerwerk bröselt. Eine Bar ist nach
einem Motto holografiert, man fühlt sich z.B., als beträte man eine
Beachbar. Der Mensch dir gegenüber, echt? Oder ist er in einen
Tarnkörper geschlüpft? Alles ist Show, was dahinter ist echt? Juliette
Perotte, eine junge Programmiererin ist seit ein Tagen
verschwunden. Singh soll sie auffinden, es ginge um Leben und Tod.
»In alten Filmen haben Privatdetektive stets verschiedene
Visitenkarten zur Hand, damit sie sich als Gott-weiß-wer ausgeben
können. Ich hingegen habe an die fünfzig Holomasques gespeichert,
die ich jederzeit überstülpen kann – Elektroinstallateur,
Verkehrspolizist, Penner und so weiter. Sie sind natürlich gehackt,
damit ich sie ohne Brassard tragen kann, auch wenn das ein
bisschen illegal ist.«
Die Erdbevölkerung ist durch die Ausbreitung eines tödlichen Virus
erheblich geschrumpft. Einige Teile der Weltkugel sind durch den
Klimawandel nicht mehr bewohnbar, Venedig und Miami existieren
nicht mehr, sie gingen ans Meer verloren. Andere Teile sind
verwüstet, unbewohnbar. Kühle Teile der Welt sind nun begehrte
Regionen, wie z.B. Sibirien. Der Roman ist anstrengend. Vollgestopft
mit Fachausdrücken, Fantasiewörtern und Unmengen von Personal
und ich war ich schnell erschöpft. Vielleicht liegt es auch an der Ich-
Perspektive Singhs, die im Präsens geschrieben ist. Präsens treibt
eigentlich die Handlung voran. Da der Icherzähler langatmig
Stöckchen für Stöckchen recherchiert, keine Nebenhandlungen
stattfinden, Abwechselung für den Leser zulässt, entwickelte sich
für mich als Leser eine Stupidität, die Langeweile erzeugte.
»Brassard ist eine holografische Markierung, die kenntlich macht, ob
jemand eine Holomasque trägt.« – »Quants sind Menschen, deren
Körper nicht echt ist, im »Gehirn« sitzt das Denk-Update eines
Menschen.«
Privatsphäre ist wichtig. Darum bewegen sich Menschen auch gern
mal »maskiert« oder sie benutzen einen Fake-Körper. Es ist möglich,
das Gehirn zu scannen und auf einen Computer zu speichern.
Dieses so genannte »Cogit« kann man in »Gefäße«, Körper, einlesen,
die sich Quants nennen. Auf diese Weise ist man völlig inkognito
unterwegs. Spätestens nach 21 Tagen muss ein Cogit zurück in den
echten Körper transferiert werden, upgedatet werden. Passiert dies
nicht, »crasht« das Gehirn, stirbt ab, mit ihm der Körper. Juliette
Perotte hat an der Programmierung dieser Cogits geforscht, daran,
länger in den Quants wohnen zu können.
»Wenn man dem Thanatos, also der Schwelle zum Tod, möglichst
nahe kommen will, muss man sich ans Sterben erinnern können.
Deshalb der Recorder. Damit kann man aufzeichnen, wie ei dem
Sturz aus einem Flugzeug der Boden auf einen zugerast kam.«
Tom Hillenbrand beschäftigt sich mit der Technik von Morgen.
Freigesetzte Viren, Klimawandel, Überwachung, Privatsphäre, Sein
und Schein, bis hin zu durchgeknallten »Sportarten«, dem Wunsch
nach der Unsterblichkeit. Viele gute Überlegungen, intelligent
geschrieben, aber in der Masse bläht es für mich die Story zu sehr
auf. Man wird erschlagen an Information, Personen, neuen
Wörtern, so dass zumindest mir das Lesen am Stück keinen Spaß
machte. Ich habe mich in 2-3 Monaten Stück für Stück
durchgeschleppt.
»Na ja, für die Leute, die funktionale Gründe für die Digitalisierung
haben, für die ist ein Gefäß eine Art Arbeitsoveral. … Viele von uns
wollen etwas anderes sein als das, was sie sind. Sie wollen
unerkannt bleiben. Eine Holomaske kann man mit einer Unterseher-
Brille durchschauen. Bei einem Gefäß ist das anders.«
Und natürlich gibt es mit dieser neuen Möglichkeit der Quants neue
Ideen, sie zu nutzen. Körperholografien sind durchschaubar und
müssen mit einem erkennbaren Code als solche gekennzeichnet
sein. Singh trägt gern illegale ohne Code. Bei den Quants ist das
Inkognito perfekt, nicht zu durchschauen.
»Mein Vater sagt gerne: Wenn du einen Anwalt erschießen willst, ziel
einfach auf seinen Mund. Den zu verfehlen ist unmöglich.«
Neben den vielen technischen Dingen ist auch immer eine Portion
Humor dabei. Es gibt eine Menge spannender Szenen, besonders
zum Schluss. Auch die Person Singh kam mir zum Ende näher. Trotz
allem ist dies kein Roman, den man locker im Strandkorb liest. Ich bin
ein technisch affiner Mensch, aber mir war die Geschichte ein wenig
überladen. Gute Ideen, gute Gedanken, durchdachter Plot, feiner
Sprachrhythmus. Wer sich für diesen Futur-Krimi entscheidet, sollte
auch trockenen Stoff gewohnt sein und eine Portion Konzentration
mitbringen, dann passt es. Nicht gleich am Anfang aufgeben, es
wird spannender in der zweiten Hälfte.
Eins noch zum Schluss. Auch der Einbrecher in der Zukunft arbeitet
noch mit ganz realem Handwerkszeug.
»Aber wo ein Bolzenschneider ist, ist auch ein Weg. Ich halte ihn
bereits in meiner Rechten – darüber liegt ein Holo, das den
Bolzenschneider wie einen großen Strauß roter Rosen aussehen
lässt.«
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Hologrammatica
von Tom Hillenbrand