Autorin
Sabine Ibing
Der Waise, Latein Orphanus, der Einzigartige genannt, ist der mystische
Edelstein der angeblich einst in die Reichskrone eingefasst war, der der
Sage nach aus den Tränen und dem Blut der Jungfrau Maria entstanden
sein soll, ist das Thema dieses historischen Romans. Hat es diesen Stein je
gegeben?
Der Minnesänger Otto von Botenlauben spielte in einem Lied darauf
an:
Karbvnkel ist ain stain genant,
von dem saget man, wie lieht er schine.
Und auch Walther von der Vogelweide erwähnt den Stein:
swer nû des rîches irre gê,
der schouwe, wem der weise ob sîme nacke stê:
der stein ist aller fürsten leitesterne.
(Wer nun auch immer in Reichsfragen unschlüssig ist, der achte
darauf, wem der Waise über seinem Nacken steht: Der Stein ist
aller Fürsten Leitstern.)
Und eben diese beiden, Walther von der Vogelweide, Otto von
Botenlauben nebst Otto von Wittelsbach und Heinrich von Kalden sind die
Hauptprotagonisten dieses Abenteuerromans, vier Freunde – ein
Bündnis. Von Walther von der Vogelweide weiß man heute nicht viel.
Durch seine Gedichte und Lieder kann der Historiker ahnen, für wen der
Minnesänger gearbeitet hat und in etwa, wo er sich aufgehalten haben
mag. Insofern ist dieser Roman völlig fiktiv, einer für alle – alle für einen,
im Stil der Musketiere gestaltet.
Walther liebt heimlich Königin Eirene, verheiratet mit König Phillipp,
dessen treuer Freund der Minnesänger ist. Bei einem Anschlag auf den
König durch Otto von Braunschweig wird der Staufer getötet, Eirene,
hochschwanger, kann dank der vier Ritter entfliehen, trägt den Waisen
bei sich. Unterwegs bekommt sie in einer Hütte ihr Kind, ein
schwächelndes Mädchen. Parallel gebärt die Adlige Anna von Rehperc
heimlich ihr außereheliches Kind, einen stammen Jungen, gelangt
zeitgleich zur selben Hütte. Sie sieht ihre Chance, drückt der schlafenden
Königin ihr Kind in den Arm, nimmt das so gut wie tote Mädchen der
Königin an sich, will es zu Hause als ihre Totgeburt ausweisen. Vor der
Tür kämpfen zur gleichen Zeit die vier Ritter mit einer Schar
Zisterziensernovizinnen, die ungewöhnliche Kampfkunst beherrschen.
Das Geschehen verlegt sich nach innen, denn die Nonnen suchen nach
dem Waisen, den sie bei der Königin vermuten. Während des
Kampfgeschehens tötet Anna aus Versehen die Königin, flüchtet mit den
Zisterzienserinnen und dem weiblichen Baby. Der Stein wird von den
Rittern gerettet und versteckt, ebenso das männliche Baby, denn sie
glauben, es sei der Thronfolger.
20 Jahre später fordert Philipps Neffe, König Friedrich II, den mystischen
Stein von den Rittern. Walther ist ein zerbrochener Mann, kann den Tod
seiner Liebe nicht verkraften. Er hat den Jungen Laurin genannt, ihn
zunächst bei einfachen Menschen aufwachsen lassen, ihn später als
Ziehsohn zu sich genommen, hält ihn für den legitimen Nachfolger des
Königs. Die vier Ritter hatten sich geschworen, nichts über das Kind zu
verraten, da Laurin sonst des Todes gewesen wäre. Sie hatten
behauptet, Mutter und Kind wären bei der Geburt gestorben. Walther
macht sich nun auf den Weg, die alten Kameraden aufzusuchen, mit
ihnen den Stein zu suchen. Er ahnt nicht, dass Laurin sein eigener Sohn
ist, Eirene damals ein Mädchen geboren hatte. Anna ist bei den
Zisterziensern geblieben, verbittert, sehnt nur nach Rache, Walther zu
vernichten, den sie einst so sehr liebte. Sie hat die Königstochter in dem
Glauben aufgezogen, Annas Tochter zu sein, herangewachsen zu einer
hart kämpfenden Zisterziensernovizin. Anna ist durch List Äbtissin
geworden, lässt ihrem Zorn freien Lauf.
Die gealterten Ritter machen sich auf die Suche nach dem Waisen.
Parallel wird die Königstochter auf die Suche geschickt, den Stein zu
finden, Walther zu töten, denn die Zisterzienserinnen nennen sich die
Hüterinnen des Waisen. Die junge Frau trifft auf Laurin, der ein wenig
trottelig durch die Welt stolpert, sich in sie verliebt. So werden diese
beiden die Hauptprotagonisten im zweiten Erzählstrang. Spannend mit
viel Humor wird diese Chronik erzählt. Der Stoff ist nicht ernsthaft
historisch, auch wenn berühmte Zeitgenossen darin erscheinen. Ich finde
es immer verwirrend, wenn viele historische Figuren und Ereignisse mit
80 Prozent Fiktion vermischt werden. Darum würde ich den Roman eher
zum Genre »historisch angelegter Abenteuerroman« anlegen. Haudegen
gegen Novizinnen (die hier den Ninjas oder Shaolin ähneln), Liebe, Amour
fou, unerfüllte Liebe, Hass, Verrat, Verwechselung von Kindern, eine
Prise Fantasy, Männer, für die Freundschaft alles bedeutet, ein Trottel,
der sich bewähren muss, Humor, Mut, Verzweiflung, gebrochene Herzen,
Hass, Ehre, Scharmützel. Es ist alles zusammengefügt, was einen
Abenteuerroman spannend macht, fein geschrieben mit andauerndem
Spannungsbogen. Kloppen, Intrigen und Obsession in Kombi passt
immer, wenn es obendrauf gut geschrieben ist. Gute Unterhaltung! Was
soll ich mehr dazu sagen?
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Rezension
Krone des Schicksals
von Richard Dübell
ungekürztes Hörbuch,
gesprochen von: Reinhard Kuhnert
Spieldauer: 17 Std. 14 Min.