Autorin
Sabine Ibing
Der erste Satz: »Knut und Jannina kommen um fünf.«
Ich lese sehr gern Juli Zeh und bin immer wieder überrascht von der
Vielfältigkeit dieser Autorin. Es gibt Bücher, da liest man 10 Seiten an,
weiß, wer sie geschrieben hat, eine unverkennbare Handschrift. Nicht
bei Juli Zeh, die einen unerwartet immer eine andere Seite des
Schreibens zeigt, immer neu aufrüttelt, mit dem, was sie zu sagen hat.
Doch liebe Juli Zeh, dieses Buch war zäh. Ich habe mich durchgekämpft,
denn die Idee ist hervorragend.
»›Ich erkläre dir jetzt, was die Brücke tut‹, sagt Britta. ›was wir für dich
tun können.‹ Sie trinkt ihren Tee aus. ›Du durchläufst bei uns ein
zwölfstündiges Verfahren, indem wir herausfinden, ob du dir tatsächlich
das Leben nehmen willst.‹ … ›Es ist absolut zentral, deinen Entschluss
von allen Seiten zu prüfen. Das ist es, was wir tun. Wir lösen
Selbstmordgedanken auf.‹«
Wir schreiben das Jahr 2025, lenken noch immer unsere Autos selbst. Die
Partei BBB, die Bewegung der Besorgten Bürger, ist an der Macht, Putin,
Trump und Konsorten haben das Sagen, die EU löst sich auf. Der Bürger
ist rund um die Uhr überwacht, die Einrichtung einer »Bundeszentrale für
Leitkultur« stört niemanden, ein gesetzliches Grundeinkommen versetzt
den Bürger in den Wohlfühlmodus, ist doch alles ok. hier. Der IS ist
bekämpft. Aber in dieser rechtsgerückten Welt ist vieles verboten,
insbesondere, eine Meinung zu äußern. Man lebt nach innen, im engen
Kreis, hält die Klappe nach außen. Und so machen sich im Untergrund
diverse Gruppen auf, das Regime zu bekämpfen. Religiöse, politische
Gruppen, Umweltaktivisten, Tierschützer usw. melden sich mit
blutrünstigen Aktionen zu Wort. Britta, Mitgründerin des Start-ups »Die
Brücke«, berät Menschen, die des Lebens überdrüssig sind. Einigen kann
sie helfen, ins Leben zurückzufinden und andere haben abgeschlossen,
ihr Suizid ist nicht zu verhindern. Doch wozu Ressourcen verschwenden,
andere in Gefahr bringen, wenn man auch im Tod noch nützlich sein
kann … Britta arbeitet mit Babak Hamwi zusammen, vermittelt Suizid-
Terroristen an diverse Organisationen. Es hat ja keinen Sinn, sich
irgendwo auf einem Bahnhof in die Luft zu sprengen, sich vor die Bahn
zu werfen, wahllos Menschen zu töten, man muss die Schuldigen treffen,
dort wo es weh tut …
»›Willst du mir einen Antrag machen?‹, fragt sie.
›Wir sind schon verheiratet.‹
›Willst du dich scheiden lassen?‹
›Eigentlich nicht.‹
›Hast du im Lotto gewonnen?‹
›Ohne zu spielen?‹
›Warum nicht‹«
Inhaltlich gesehen ist die Geschichte eine gute Idee. Beim Lesen hatte ich
allerdings nicht so viel Vergnügen. Die sehr distanzierte Erzählhaltung
lässt keine Emotion aufkommen, die dies Thema gebraucht hätte.
Streckenweise habe ich mich gelangweilt. An anderen Stellen habe ich
geblättert, banale Dialoge, die keinen Mehrwert hatten.
Juli Zeh rechnet mit unserer Gesellschaft ab, ist hochmoralisch. Was mir
hier nicht gefällt, ist die Wut, die einseitig läuft. Die Welt ist in politisch
böse und gut geteilt. Und genau da reiht sich die Autorin ein in die Ecke
der Kommunikationsverweigerer, über den eigenen Tellerrand zu sehen.
Wenn immer die anderen böse sind und man selbst gut ist, spaltet sich
die Gesellschaft in zwei Teile. Und genau darauf reiten wir zu.
Miteinander reden, andere Meinungen aushalten, politischer Diskurs,
etwas was heute schwierig erscheint.
Wer nur Juli Zehs »Unterleuten« kennt, diesen erzählerisch großartigen
Roman, gespickt mit Satire, der sei gewarnt, »Leere Herzen« könnte
missfallen. Ich bin gespalten. Auf der einen Seite rüttelt die Geschichte
auf, ist ein Spiegel der Gesellschaft und darum lesenswert. Auf der
anderen Seite habe ich mich durchgekämpft, ein Leseschmaus war es
nicht. Ich glaube, die Leserschaft wird sich spalten.
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Rezension
Leere Herzen
von Juli Zeh