Autorin
Sabine Ibing
»Die Stadt Libreville wiederum, die 1849 gegründet wurde, verdankt
ihren Namen den freigelassenen Sklaven, die mit dem brasilianischen
Sklavenschiff Elizia hier ankamen. Ursprünglich an der Küste, rund
um das Fort d`Aumale errichtet, breitete sich Libreville immer weiter
ins Landesinnere aus.«
Ein Krimi aus Gabun, einer fremden Welt für mich als Leser. Machos
regieren die Welt, Korruption, Angst, Gewalt. Die Verhörmethoden
sind so alt wie das Werkzeug der Polizisten. Verdächtige werden
solange malträtiert, bis sie die Wahrheit sagen, bis sie gestehen. Von
daher sind die Verhöre kurz und effektiv, Verdächtige kommen
schnell in Plauderlaune. Der einzige PC ist im Besitz des Chefs und nur
er kann ihn bedienen. Die Polizisten mühen sich auf einer
Schreibmaschine ab, die aus der de Gaule-Zeit entstammt.
»Als er den Vorfall meldete, hatten sich die Polizisten gar nicht erst
gefragt, wo und wie er zu so viel Geld gekommen war. Für sie war
klar, dass auch er sich aus dem Staatssäckel bedient hatte. In Gabun
war Korruption ein Nationalsport!«
Der Journalist Roger Missang wird ermordet in der Nähe des
Präsidentenpalastes der Hauptstadt von Gabun, Libreville,
angeschwemmt. In seiner Hosentasche befindet sich eine
Patronenhülse, die zu einem anderen Mordfall hinweist. Wurde er
ermordet, weil er über die Ermordung von Pacel Kurka, dem
Sicherheitschef der gabunischen Verteidigung und über die
Korruption im Land einen kritischen Bericht schrieb oder soll das ein
Ablenkungsmanöver sein? Parallel wird in anderen Fällen ermittelt.
Jemand hat pornografische Fotos von zwei Mädchen ins Internet
gestellt, die darauf Suizid begangen. Wie soll man ohne technische
Hilfsmittel ermitteln, wenn dazu noch klar ist, dass der Server des
Täters sich im Ausland befindet, keine Ahnung davon hat, was eine IP-
Adresse ist. Eine Frau wird mit Baby auf dem Arm von einem
Geländewagen überfahren, beide sind tot. Einem einflussreichen
Mann, ein ehemaliger Minister, wurde das Scheckheft geklaut und die
Diebe erweisen sich als gute Unterschriftenfälscher, räumen
sukzessive das Konto leer. Die Polizisten Owoula und Koumba, die
Lieutenants Boukinda und Envame stehen unter Ermittlungsdruck.
Machos, wo man hinschaut. Ein Polizeiwagen fährt kaum ohne
laufende Sirene los, es wird von allen Seiten bedroht und erpresst.
Ein echter Kerl hat in Gabun neben der Ehefrau eine Geliebte. Aber
die muss er auch finanzieren, ihr eine Bruchbude und den
Lebensunterhalt bezahlen, Schulgeld für das Kind. Das funktioniert
stressfrei, solange die Geliebte nicht schwanger wird. Denn die
Ehefrau würde den Schlägel schwingen, nicht noch einen Bastard
aufziehen wollen mit den eigenen Kindern und der Zorn des
Schwiegervaters ist mächtig. Soweit die privaten Sorgen unserer
Ermittler. Wir begleiten die Polizisten durch Libreville, über holprige
Straßen, in miese Quartiere, flirrende Hitze, Staub, Verflechtungen
von Regierung und Verbrechen, Krach mit Ehefrau und Geliebter.
Man muss vorsichtig sein, wem man in dieser Stadt auf den Fuß tritt.
Janis Otsiemi hat eine eigene Sprache, was für mich sehr sympathisch
daherkam. Wohl gängige Floskeln wurden nicht im Kontext übersetzt,
sind aber verständlich, andere Ausdrücke werden im Glossar
übersetzt: »Man konnte sehen, dass er Koumbas Mund nicht teilte.«
(Nicht seiner Meinung sein), »gute Freundin« (Geliebte), »Feuer im
Mund haben« (zänkisch sein). Aber es gibt auch Begriffe, die
symptomatisch sind, wie »in die Flasche scheißen«, ein Begriff, der
einen brutalen Verhörraum bezeichnet oder »Mange-mille«, so nennt
man einen Polizisten, der Autofahrer abzockt, um in die eigene
Tasche zu wirtschaften. Ein Krimi, der Einblick in die sozialen
Verhältnisse von Gabun gibt, in afrikanischen Denkstrukturen, mit
Liebe zum Land und Leuten, aber nicht ohne die kritische Seite außen
vor zu lassen. Viel Stoff für 207 Seiten, und genau das ist am Ende
das Problem. An sich ist der Krimi spannend, humorvoll, es gibt starke
Milieustudien. Doch zum Ende war ich ein wenig enttäuscht über die
schnelle Auflösung aller Fälle, die hopp, hopp durch Kommissar Zufall
erledigt wurden. Ein lesenswertes Buch, um ein wenig mehr über
Gabun zu erfahren.
Der Gabuner Janis Otsiemi erhielt 2010 den »Prix du Roman Gabonais«
für seinen Kriminalroman »La vie est une sale boulot« (Deutsch: »Das
Leben ist eine schmutzige Arbeit«). Er ist Secrétaire Général adjoint
der «l`Union des Écrivains Gabonais.«
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Rezension
Libreville
von Janis Otsiemi