Autorin
Sabine Ibing
Ein Mordkomplott, ein Kammerspiel: Der ungeborene Fötus, ein
Junge, hilflos eingesperrt im Bauch einer angehenden Mörderin,
erlebt den Plan, seinen Vater zu töten, kann den Mord nicht
verhindern. Seine Mutter plant mit ihrem Liebhaber, ihrem
Schwager, den Gatten bzw., den Bruder umzubringen. Der
Ehemann, ein erfolgloser Poet und Verleger besitzt zwar kein Geld,
aber sein Haus im Herzen Londons und das ist sieben Millionen
Pfund wert. Der Fötus als Icherzähler, der das Unheil kommen sieht,
entsetzt von seiner Hilflosigkeit, der die Dreiecksgeschichte seiner
Eltern beschreibt. Die Mutter, die er liebt, die er anfangs in Schutz
nimmt, wohnt in eben diesem Haus, bat den Vater, bis zur Geburt
sich auszuquartieren. John, der schrullige Lyriker und Verleger,
dessen einziges Ziel die Poesie ist, der es zu nichts brachte, fiel
Trudy mit seinem Zitieren von Gedichten auf die Nerven,
verschuldet, übergewichtig und mit Schuppenflechte an rauen
Händen. Ein anderes Kaliber ist Claude, der Schwager, ein Macho
mit heißem Blut und niederem Intelligenzquotient, ein Tölpel.
»Ich beginne, meine Situation zu begreifen, kann denken ebenso
wie fühlen. Also. Meine Mutter hat meinem Vater den Bruder
vorgezogen, ihren Mann betrogen, ihren Sohn ins Unglück gestürzt.
Mein Onkel hat seinem Bruder die Frau gestohlen, den Vater seines
Neffen hintergangen, den Sohn seiner Schwägerin zutiefst beleidigt.
Mein Vater ist von Natur aus schutzlos, ich bin es durch die
Umstände.«
Wir kennen Shakespeares Geschichte von Hamlet, dem Sohn der
Mörderin. Updike erzählte uns die Geschichte davor, die von
Gertrude und Claudius. Gertrude, die Königin, Hamlets Mutter, die
ihren Mann nicht liebt, liebt den Schwager. Der König kommt
dahinter, weshalb man Gift in sein Ohr träufelt.
»Er ist ein Mann, der ständig pfeift, keine Lieder, sondern TV-
Jingles, Klingeltöne, der den Morgen mit Nokias Verhunzung von
Tárrega begrüßt.«
Bei McEwan planen Trudy und Claude aus niederträchtigen Gründen
den Vater dieses ungeborenen Hamlet, zu vergiften. Ein weiterer
Horror für ihn, man will das Kind nach der Geburt weggeben. Der
pränatale Protagonist ist hochgebildet (die Mutter hört den ganzen
Tag Bildungsradio, Podcasts) und besitzt unglaublich gute Ohren. Er
spürt die Emotionen der Mutter, hört ihren Herzschlag erhöhen, das
Blubbern im Bauch, fühlt Verspannung, Entspannung und ist
emotional im Bilde, was die Mutter fühlt, auch wenn ihre Worte oft
anderes sagen. Claude, der Onkel, ist verhasst, denn der plant den
Jungen zu entsorgen, den Vater umzubringen, ein Hallodri ohne
Benehmen, der den Fötus ständig mit seinem Penis malträtiert.
Trudy und Claude planen minutiös den Mord, wird er gelingen?
Doch es geht nicht nur um die Kriminalgeschichte. Der Junge erzählt
uns etwas über die Welt da draußen, in die er bald eintauchen wird,
lässt uns teilhaben an seinen philosophischen Gedanken, satirische
Kommentare über die Welt und die Menschen, über Habgier und
Macht, über Lügengefechte. Podcast, Radiosendungen, der Junge
ist über alles im Bilde, was draußen geschieht, lauscht mit.
Eingeschlossen, wie in einer Nussschale, lauscht der Narr, wettert
und kann doch nichts ändern.
»Ich habe ein Anrecht auf eine Handvoll Dekaden, darauf, mein
Glück auf diesem entfesselt kreisenden Planeten zu versuchen.«
Sein oder Nichtsein stellt sich die Frage für den Fötus und er
versucht sich, mit der Nabelschnur zu erhängen, was misslingt. Die
Mutter lieben oder sie hassen, der Junge schwankt von einem
Gefühl zum nächsten. Wir erinnern uns an Prinz Hamnett: »O Gott,
ich könnte in eine Nussschale eingesperrt sein und mich für einen
König von unermesslichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen
Träume nicht wären.«
Ein Meisterstück des Noir-Krimi voll beißendem Humor.
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Rezension
Nussschale
von Ian McEwan
Gesprochen von: Wanja Mues
Spieldauer: 05 Std. 39 Min.
ungekürztes Hörbuch