Autorin
Sabine Ibing
Hörbuch, Spieldauer: 21 Std. 33 Min.
»Während die meisten jungen Schotten seines Alters Röcke lüpften,
Furchen pflügten und die Saat ausbrachten, stellte Mungo Park seinen
nackten Hintern vor al-Hadsch Ali ibn Fatoudi, dem Emir von Ludamar, zur
Schau.«
Es gibt Bücher, die lohnt es sich nach Jahren wieder als Hörbuch
zuzuführen. Das heißt, dieser Roman hatte mich auf Papier bereits
begeistert. Stefan Kaminski als Sprecher hat dann das i-Tüpfelchen
aufgesetzt! Es gibt Sprecher, die einem sehr guten Roman einen
besonderen Hörgenuss geben.
Die Abenteuer des schottischen Entdeckungsreisenden Mungo Park , der
sich Ende des 18. Jahrhunderts aufmacht, um den Verlauf des
sagenumwobenen Nigers zu erkunden, so könnte man eine Kurzfassung
der Geschichte geben, das Original war sicher die Vorlage.
Abenteuerroman oder Geschichtsroman? Denn Mungo Park hat es
gegeben, auch wenn man bei diesem Namen das nicht unbedingt
vermutet: 1771-1806, schottischer Landarzt, Afrikareisender, seine erste
Expedition war im Auftrag der »African Association« und sein daraufhin
veröffentlichter Reisebericht »Travels in the Interior of Africa« gilt noch
heute als Klassiker. Bei seiner zweiten Reise an den Niger, die durch die
britische Regierung finanziert wurde, kam er Januar/Februar 1806 bei
Bussa ums Leben.
Parallel läuft die Geschichte des durchtriebenen Trickbetrügers Ned Rise,
der sehr anschaulich das damalige gesellschaftliche Leben in London
beschreibt. Er schlägt sich mehr schlecht als recht durch das Leben und
springt immer wieder dem Tod von der Schippe. Er verkauft in
Hinterzimmern Pornoshows für hochgestellte Persönlichkeiten,
verschachert gefälschten Kaviar oder das klaut Leichen für Mediziner, die
die Anatomie studieren wollen. Die beiden Hauptpersonen werden später
ihre Wege kreuzen.
T.C. Boyle ist einer meiner Lieblingsschriftsteller. Beim Lesen oder hören
schlurft man mit Mungo durstig durch die Wüste, weilt bei den schaurigen
Mauren, schmeckt und riecht das exotische Essen, man steht auf dem
Markt, schaut zu, wie Ned im stinkigen London gehenkt werden soll.
»Am Fuße einer flachen Anhöhe – keine dreihundert Meter vom Lager
entfernt – sind die Brunnen. Mungo hört das Brüllen der Rinder, die sich
um die abendliche Tränke drängen. Als er näher kommt, kann er die
runden Rümpfe und die wilden, spitzen Hörner sehen, die wie ein
wogender Wald aufragen und in den Himmel stechen. Die Kühe – eher
übergewichtige Gazellen als Zuchtrinder – stampfen und stoßen und
brüllen nach Wasser. Er könnte mit ihnen brüllen. Er ist so durstig, dass er
lauter schreien und kreischen und heulen könnte als alle Dämonen der
Hölle.«
Mungo ist ein Abenteurer, wenn es etwas zu entdecken gibt, ist er nicht
mehr zu halten. Die besten Ratschläge nützen nichts, auch nicht die von
seinem Freund Johnson, einem landeskundigen Mandingo. Tod und Teufel,
Mungo hat vor niemandem Angst. Mungo, an Halsstarrigkeit und Naivität
nicht zu überbieten, wiederholt gern seine Fehler, wobei immer wieder
andere zu Schaden kommen. Malaria ist das kleinste Übel, unbekannte
Krankheiten, feinste Würmer im Trinkwasser, Insekten, wilde Tiere,
kriegerische Mauren, Kannibalen, Mungo bleibt nichts erspart. Hexen,
Huren, Krieger, wilde Tiere, eine Königin, alles ist dabei, T.C. Boyle zieht
das ganze Repertoire, alles in rasendem Tempo, bildreich, mit einer
herrlichen Portion Humor.
»Dann fällt die Temperatur, und er liegt in seine Jacke gerollt, zitternd und
schwitzend, sein Fieber ein inneres Wetterventil, an und aus, Sonne und
Hagelsturm. Draußen, außerhalb des Kreises der Zelte, erklingt
Schakalgeheul wie ein Messer im Herzen, und Hyänen rotten sich
zusammen, um den Mond einzuschüchtern.«
Nachdem die erste Expedition nicht geglückt ist, die Nigerquelle nicht
gefunden war, kehrt Mungo heim, heiratet seine Verlobte, arbeitet brav
als Arzt, wird mehrfach Vater. Sein Leben langweilt ihn, der Forscherdrang
treibt. Und so macht er sich noch einmal auf nach Afrika, endlich die
Quelle des Nigers zu finden, zu kartografieren, Pflanzen und Tiere zu
entdecken. Und natürlich trifft er wieder auf den Mauren Dassoud, der
Mungo Park zu seinem Erzfeind erklärt hat, ihn vernichten will. Mungo
selbst hat nichts dazugelernt …
Haarsträubende Geschichten, in schillernden Farben erzählt, die ein wenig
Licht in den ehemals dunklen Kontinent werfen. Ein Haudegen-Roman der
Extraklasse
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Rezension
Wassermusik
von T.C. Boyle
Gesprochen von:
Stefan Kaminski