Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
Historische Romane
Rezension
Das Vermächtnis von Granada
von Ulrike Schweikert
»Ich wäre nicht Königin geworden und geblieben, wenn ich stets mit jedem
weich und mitleidig gewesen wäre.«
Das Buch beschreibt das Leben von Isabella I. (1451–1504) von Kastilien, die
durch die Heirat mit Ferdinand II. von Aragón zwei weiträumige Reiche
vereinte. Eine große Königen, eine durchsetzungsfähige Frau, die mutig
regierte und die Welt veränderte. Die ersten Kandidaten, die sie heiraten
sollte, verstarben und den letzten wollte sie nicht ehelichen. Sie war so
emanzipiert, dass sie gegen jede Etikette selbst ihren Gatten erwählte und
ihm über ihren jüdischen Freund und Finanzberater persönlich einen
Antrag machte. Ihre Krone erkämpfte sie sich in einer Schlacht.
»Alle Juden haben das Königreich bis zum 1. Juli 1492 zu verlassen, lautete
der Beschluss. Sollten sie zurückkehren, werden sie zum Tode verurteilt. Es
ist ihnen verboten, Geld und andere Wertsachen mitzunehmen.«
Unter ihrer Herrschaft wurden zunächst die Juden 1492 aus ihrem Reich
vertrieben, die Menschen, die ihr mit viel finanzieller Unterstützung ihre
Kriege zum Machtausbau verhalfen. Wer nicht konvertierte, musste
gehen, ohne dass er sein Vermögen mit ins Ausland nehmen konnte. Mit
Unterstützung der katholischen Kirche und dem Papst erreichte sie viel.
Dafür musste Isabella in ihrem Königreich die Inquisition einführen,
Consejo de la Suprema y General Inquisición, 1488. Wer nicht konvertierte,
musste gehen. Allerdings unterstellte man den Konvertierten, dass sie
heimlich ihren Glauben weiter verfolgen würden. Die Inquisition wütete im
Land, ⅔ der Konvertierten wurden gekreuzigt oder verbrannt. Isabella
und Ferdinand führten die Santa Hermandad (Heilige Bruderschaft) ein,
ein landesweites Polizei- und Justizsystem, das die bisher üblichen lokalen
Hermandades ablöste und die Rechte der lokalen Aristokratie
einschränkte. Ein modernes Rechtssystem, das den Idalgos nicht
schmeckte. Im Süden, an der Mittelmeerküste, existierte das Emirat
Granada, von der Sierra Nevada bis kurz vor Cadiz. Viele Juden und
einige Mauren waren im Rahmen der Vertreibung aus Kastilien und Aragón
hierhin geflüchtet. Stück für Stück eroberte sich Isabella auch dieses Land,
bis sie 1491 Granada eroberte und die Herrschaft über das Reich erlangte.
1492 schickte Isabella Christoph Kolumbus auf die Fahrt, einen Seeweg
nach Indien zu finden, er entdeckte Amerika. Im gleichen Jahr zwang sie
die Mauren in den eroberten Gebieten zu konvertieren oder das Land zu
verlassen.
»Wie eine Himmelserscheinung, wie eine Siegesgöttin kam die Königin über
die winterlichen Berge geritten und zog unter Jubelrufen ins Lager ein. Sie
schritt daher, als hieße es, die Hochzeit ihrer Tochter zu feiern.«
Eine große Königin in einer Zeit, die die Welt veränderte. Ulrike Schweikert
beschreibt Isabella authentisch aus der Sicht zweier Hofdamen, Jimena
und Teresa. Die Königin zu Pferd, eine die sich nichts gönnt, von Ort zu Ort
reist, mutig, dreist oder besonnen. Alles hat seinen Preis.
»Erzbischof Carillo, zuerst Isabells größter Unterstützer und dann ihr
erbitterter Feind. ... weil er geglaubt hatte, die junge unerfahrene Königin
leiten zu können und zu einer Art Schattenkönig zu werden, der im
Verborgenen die Fäden zieht. Isabel hatte ihm für seine Hilfe gedankt, ihm
aber unmissverständlich klargemacht, dass Kastilien und alle
Entscheidungen über das Land ganz allein ihr zustanden.«
Der Leser begleitet Isabella von Ort zu Ort, von Entscheidung zu
Entscheidung. Die Autorin beschreibt Städte, die historischen Bauten
authentisch und ebenso den Charakter von Isabella. Trickreich und mit
Voraussicht, taktisch in Verhandlungen, aber auch mit Mut wusste sie ihre
Position zu festigen. Sie ritt in die Heerlager ein, ihre Soldaten
aufzumuntern, zu unterstützen und befahl waghalsige Manöver. Die
Wandlung von Isabella, andere Religionen aus ihrem Land zu eliminieren,
sich der katholischen Kirche unterzuordnen, wird klug dargestellt.
(Boabdil, der letzte Maurenkönig) »... habe sich oben auf dem Hügelkamm
noch einmal umgedreht, um mit Tränen in den Augen ein letztes Mal auf
Granada und die Alhambra zurückzusehen. Doch seine Mutter Aischa soll
ihm ins Gesicht geschleudert haben: ›Weine wie ein Weib um das, was du
nicht wie ein Mann verteidigen konntest!‹«
Isabella ist hart, auch mit sich selbst. Sie reist bei Wind und Wetter, treibt
ihr Pferd voran. Dabei verliert sie das ein oder andere Kind. Die
Thronnachfolge ist zu regeln, die Kinder müssen politisch wertvoll
verheiratet werden. Am Ende ihrer Tage blickt sie auf ihr Königreich. Aus
dem kleinen Kastilien ist ein großes Hispania geworden, Kolumbus hat ihr
Reich auf der anderen Seite der Welt erweitert, viele Kinder und
Schwiegerkinder sind bereits verstorben, andere nützlich verheiratet.
Wird ihre schwache Tochter in ihre Fußstapfen treten können? Die Autorin
gibt ein gutes Bild der Epoche wieder und zeichnet ein genaues Bild der
historischen Eckdaten und von Isabella.
Der zweite Erzählstrang spielt in 2012. Isaura, eine Journalistin, hat in
Spanien ein Haus geerbt. Sie weiß nicht genau, ob sie das Erbe annehmen
soll. Sie lebt in Scheidung und hat mit dem Arzt Marco eine Beziehung
begonnen. Auf ihren Recherchen an historischen Orten befallen Isaura
plötzlich Visionen, sie sieht historische Personen zum Greifen nahe vor
sich. Isaura stürzt von einem Balkon. Vom gleichen Balkon stürzte 500
Jahre zuvor die stumme Hofdame Teresa. Beide liegen im Koma. Isaura
wacht im Körper von Teresa auf (und wo befindet sich die Seele von
Teresa?). Dieser Strang gefällt mir überhaupt nicht. Ich habe bis zum Ende
des Romans auf eine Erklärung gewartet, eine Überraschung, wozu dieser
Erzählstrang dienen soll. Den gibt es nicht. Isaura ist nun Teresa, ja und?
Es bringt die gesamte Geschichte nicht weiter. Im Gegenteil, dieser Strang
unterbricht laufend den Lesefluss zum historischen Geschehen. Ich habe
den Teil nur quergelesen. Isaura liegt im Krankenhaus im Koma und
Menschen sorgen sich ... Dazu kommt, dass ich in dieser Geschichte nur
Unlogik empfinde. Teresa ist stumm. Ein Wunder, nach dem Sturz kann sie
sprechen, denn Isaura steckt in dem Körper. Mal abgesehen von diesem
Wunder, versteht und spricht Isaura die Sprache(n), die vor 500 Jahren
gesprochen wurden. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man den Wandel
von Sprache berücksichtigt. Sie vermisst eine warme Dusche und ein Bad,
ist entsetzt über die hygienischen Zustände, aber ansonsten kommt Isaura
sofort klar mit dem Leben und den Gerätschaften. Höfische Etikette, das
Verhalten von Frauen in der damaligen Gesellschaft, überhaupt, die Art
sich verbal auszudrücken, sich zu benehmen, hat sich in 500 Jahren stark
gewandelt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das in fünf Minuten
draufhat, auch nicht in einem Monat. Isaura weiß, was die Zukunft bringen
wird. Aber sie hält sich zurück, will die Königin nicht beeinflussen, nicht
warnen. Sie will die Geschichte nicht verändern. Letzteres finde ich gut.
Aber welchen literarischen Sinn hat es, Isaura in Teresas Körper zu
setzen? Es gibt weder einen inhaltlichen, noch einen dramaturgischen
Sinn. Isaura lebt 25 Jahre in Teresas Körper. In 2012 sind es nur ein paar
Wochen. Mich haben die vielen Ungereimtheiten enorm gestört.
»Tod durch zuviel Sex.« (Isaura)
Sprachlich bewegt sich das Buch in 2012, nicht 500 Jahre zurück. Die
Protagonisten wirken in ihrer Sprache recht flapsig und modern,
insbesondere die Frauen. Die Hofdamen heiraten und ihre Ehemänner
behandeln die Frauen gleichberechtigt, wie in der heutigen Zeit. Was mir
fehlt ist das Geistliche. Es wird nicht gebetet. Isabella war sehr gläubig,
legte viel Wert auf den Kirchgang. Das ganze Leben war vom Kirchgang
und der Beichte gezeichnet. Davon ist bei den Protagonisten nicht viel zu
hören.
Fazit: Ein Buch mit zwei Seiten. Mir hat die Darstellung von Isabella I. sehr
gut gefallen und die Einarbeitung der geschichtlichen Eckdaten. Der
Parallelstrang von 2012 hat mich gestört, die esoterische Ausschweifung
hatte der Stoff nicht nötig. An manchen Stellen war mir die Geschichte zu
pathetisch, aber damit konnte ich leben, auch damit, dass die
Protagonisten ein wenig zu modern geraten sind. Ein empfehlenswerter
Roman, wenn sich jemand in unterhaltender Weise mit Isabella I.
beschäftigen möchte.
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