Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen haben
zeitgenössische Romane
Rezension
Hart auf hart
von T.C. Boyle
Hörbuch, 8 Stunden, 21 Minuten gesprochen von August Diehl
T.C. Boyle beschreibt gerne Freaks. Hier ist wieder einer. Beginnen wir mit
einer Kreuzfahrt von Rentnern, bei einem Bordgang von Costa Rica.
Mitten im Dschungel werden die Alten angegriffen, man will sie
ausrauben. Einer der Alten, Sten, ein Vietnamveteran und braver Bürge,
greift zu. Der Räuber ist tot. Aus Versehen. Passiert. Er wird in den Medien
als Held gefeiert.
Es geht aber nicht um Sten, sondern um Adam, seinen Sohn, den Freak.
Der wohnt in den Wäldern von Kalifornien und entpuppt sich als tickende
Zeitbombe, drogenabhängig, paranoid. Bepackt wie Bodybuilder,
bewaffnet, rasierter Schädel, stoisch, einer der allein sein will, mit der
Gesellschaft nichts am Hut hat. Adam wohnt im Haus seiner Großmutter,
um das er eine Mauer ohne Tor gebaut hat. Letztendlich ist Adam
harmlos, er verweigert sich lediglich dem System und vermutet überall
eine Verschwörung von oben, er sieht Aliens und hat Angst vor den
Chinesen, Angst vor den Ausländern im Land. Er ist das Gegenteil zum
angepassten Dressmen und auch zum intellektuellen politischen Mahner.
Ein Freak halt.
Er lernt Sara kennen, mit der er hin und wieder schläft, Beziehung würde
ich das nicht nennen. Sie denkt ähnlich wie er. Sie ist Anhängerin der
„Sovereign citizens“, eine gesellschaftsverweigernde Sekte. Eines Tages
muss sie bei einer Polizeikontrolle den Führerschein vorzeigen, wird
belehrt, weil sie nicht angegurtet ist. Sie denkt gar nicht dran, „hat mit
diesem Staat keinen Vertrag“. Und nun beginnt der ganze Ärger … Ihr
Hund beisst einen Polizisten, als dieser sie aus dem Wagen zerren will.
Nun soll der Hund getötet werden. Sie flieht zu Adam in den Wald. Die
Eltern haben das Haus verkauft, Adam soll ausziehen, Adam weigert sich.
Sara muss in ihr Haus, ein paar Dinge besorgen. Soll sie Adam mitnehmen?
„Er war ein Junge, der Krieg spielte. Das konnte sie verstehen. Aber dies
war kein Spielzeuggewehr, und wer wusste schon, was er tun würde,
wenn er irgendwo irgendeinen Polizisten sah?“
Eine Verkettung von zufälligen Ereignissen lässt Adam ausrasten: Adam
gegen den Rest der Welt. Und hier setzen wir in Adams Welt ein, in seine
Kindheit, verstehen, warum er der ist, der er ist. Ein Sohn sucht nach
seinem Vater, nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, die er nie hatte.
„Ihn regierte niemand. Sie waren sowieso alle Verbrecher, diese Politiker,
jeder war von irgendeiner Interessengruppe gekauft, und die Bullen
waren nichts weiter als ihre Privatarmee.“ So denkt Adam. - Als er
allerdings hinter Mexikanern her ist, die angeblich illegal sind und seinen
schönen Wald versauen, ruft er ihnen hinterher: "FBI, FBI, Sie sind
verhaftet!"
Boyle blickt auf die amerikanische Gesellschaft, zynisch und
hinterfragend, scharf beobachtend. Er schaut auf die „Looser“, auf
Ungerechtigkeit, strenge Erziehung, Feindbild-Staat,
Verschwörungstheorien, Angst vor Überfremdung, Waffengewalt,
Sekten. Früher waren die Freaks die Hippies, die Linken. Heute entsteht
eine rechte Seite der Freaks, Typen die sich absondern, gegen alles
Staatliche sind. Spießertum bis ganz auf die Spitze. Die Geschichte wird
locker erzählt, rasant. Erst am Ende fängt der Leser an nachzudenken.
Mir ging es so, dass mir auch einige Typen in unserem Land dazu
einfielen, die man mit Adam vergleichen kann. Boyle ist immer wieder
lesenswert. Auch seine Art zu schreiben hat etwas Plastisches: „Die Sonne
stand senkrecht, sie war einfach da“. Gesellschaftskritik in einen Thriller
verpackt, könnte man als oberflächlich vermuten. Das ist es nicht. Die
Tiefe erfasst einen erst nach dem Lesen.
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