Autorin
Sabine Ibing
Bücher, die mir selbst gut gefallen
haben
Krimis / Thriller
Rezension
Terror
von Ferdinand von Schierach
Kaum hatte ich dieses Theaterstück beendet, vernahm ich, es wird in
der ARD ausgestrahlt. Und ich muss sagen, die Inszenierung hat mir
genauso gut gefallen, wie das Buch selbst. Schierach ist
Strafverteidiger von Beruf, ich kenne fast alle seine Bücher. Sein
Anliegen ist es immer, den juristischen Standpunkt zu vertreten. Recht
und Moral haben nichts miteinander zu tun. Wir haben unsere Gesetze
an unsere Moral angepasst, soweit man sie in Worte fassen kann. Der
Einzelfall zählt nicht. Die Justiz kann sich nicht mit Schuldfragen
beschäftigen, es geht nur darum, ob ein Recht verletzt wurde. Denn
wer mit der Schuld und Moral argumentiert, versucht, rechthaberisch
seinen Standpunkt zu vertreten.
Gleich am Anfang spricht der Richter den Leser an: »Urteilen Sie ruhig
und gelassen, denken Sie daran, dass vor Ihnen ein Mensch sitzt.«
Das Theaterstück spiegelt eine Gerichtsverhandlung wieder, bei der
der Leser sein eigenes Urteil fällen soll. In der Verfilmung und den
Schauspielhäusern hatten die Zuschauer die Möglichkeit, abzustimmen
und am Ende verkündete der Richter das Urteil der Zuschauer. Zu den
Fakten: Lars Koch, Major der Luftwaffe, hat eine Passagiermaschine
der Lufthansa abgeschossen. Sie war von islamischen Terroristen
gekapert worden und sollte ins vollbesetzte Fußballstadion von
München einfliegen, in dem sich ca. 70.000 Menschen aufhielten, so die
Meldung der Terroristen aus dem Cockpit. Nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgesetzes ist es der Bundeswehr nicht erlaubt, die
Maschine abzuschießen, um andere Leben zu retten. Der Befehl zum
Abschuss erfolgte daher nicht, wurde ausdrücklich untersagt. Somit
hat der Pilot gegen den Befehl gehandelt und eigenmächtig den Flieger
zum Absturz gebracht, damit 164 Passagiere getötet. Schuldig der
Tötung von Menschen oder unschuldig?
»Unser Staat ist den größten Gefahren ausgesetzt, und die Welt um
uns droht einzustürzen. Aber in dieser Situation gilt es nur umso mehr,
dass wir uns auf die Prinzipien des Rechtsstaats verlassen.«
So argumentiert die Staatsanwältin. Unser Rechtsprinzip nach Kant
folgt der Menschenwürde, wonach ein Leben nicht gegen ein anderes
aufzuheben ist, nie, in keinem Fall. Der Pilot tötete auf Grund seiner
eigenen Vermutung, nicht auf Beweise.
Der Angeklagte verteidigt sich mit dem Argument, dass er mit dem Tod
der Passagiere andere Menschen rettete, denn die Passagiere waren
faktisch gestorben, da die Maschine in das Stadion fliegen sollte und
hätte der Pilot sich geweigert, so hätten die Terroristen das Flugzeug in
die Luft gesprengt. Wer sich in ein Flugzeug setze, sei sich der Gefahr
bewusst, sich zum Terrorwerkzeug zu machen. Er habe die Menschen
im Stadion gerettet.
»Sie wollen uns zerstören. Und was tun wir? Haben wir dem etwas
entgegenzusetzen?«, sagt der Pilot.
Bliebe man untätig, so signalisiere man den Terroristen Narrenfreiheit,
argumentiert die Verteidigung. Die Anklage hält dem entgegen, dass
die Menschen an Bord es vielleicht in letzter Minute geschafft hätten,
die Terroristen zu überwältigen. Es liegt nicht in der Macht eines
einzelnen Menschen, zu entscheiden.
Beide Seiten kommen ausführlich zu Wort, auch die Position der
Soldaten, die sich vom Staat alleingelassen fühlen. Schierach zeigt auf,
wie wenig sich Terrorismus in Gesetze einbinden lässt, er zeigt die
Grenzen von Rechtsstaatlichkeit auf, die des Gewissens, den
Widerspruch von Gesetz und Moral. Er zeigt auch die
Widersprüchlichkeit von Kommunikation und die des eigenen
Anspruchs. In manchen Passagen wirkt das Theaterstück ein wenig
dozierend, aber es greift auch unsere Wissenslücken auf.
Verantwortung, Befehlsgehorsam, gesunder Menschenverstand,
Staatsräson, ein Blick zurück auf unsere eigene Geschichte,
hochpolitisierte Wirklichkeit.
Nachdem damals das Verfassungsgericht einen Abschuss für diesen
fiktiven Fall verboten hatte, verkündeten Wolfgang Schäuble und
Verteidigungsminister Josef Jung öffentlich: »Wenn es zu einem
solchen Entführungsfall käme, sie würden trotzdem abschießen.« Das
Stück zeigt die Unfähigkeit des Staates in seinem eigenen
Rechtssystem. Schierach hat mir das Theaterstück ein wenig einseitig
gestaltet, zu populistisch. Es ist von vorn herein klar, wie die Masse der
Leser / Zuschauer abstimmen wird. In Wirklichkeit weiß niemand, was
passiert wäre, hätte der Pilot nicht gehandelt.
»Das Bundesverfassungsgericht sagt, Würde bedeute, ein Mensch
dürfe niemals zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht
werden.«
Letztendlich geht es darum, ob unsere ethischen und juristischen
Maßstäbe für den Fall des Terrorangriffs noch gültig sind. Eine gute
Fragestellung, die in diesem Stück diskutiert wird. Eine Frage, die jeder
mit sich selbst ausmachen muss, ein wichtiger Beitrag, darüber
nachzudenken. Wie würden Sie entscheiden?
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