Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Natalie Mesensky
(von Sabine Ibing)
Natalie Mesensky ist in Wien geboren. Nach der Klosterschule
studierte sie Biologie.Sie war als Biologin Mitglied im
archäologischen Grabungsteam, das in der Wachau die damals
älteste Venusstatuette der Welt fand.: Fanny, die Venus vom
Galgenberg. Auf dieses Schlüsselerlebnis folgte der Wechsel
von der Biologie zur Ur- und Frühgeschichte. Natalie Mesensky
war aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für
Experimentelle Archäologie, hat viele Jahre für Museen und auf
archäologischen Ausgrabungen gejobbt und wissenschaftliche
Arbeiten publiziert. Ende der 90er Jahre, nach der Gründung
eines Büros für Öffentlichkeitsarbeit, ist Natalie Mesensky in
der Software Branche gelandet. Heute schreibt sie Romane und
lebt im Salzkammergut.
http://www.mesensky.at/
S.I.: Klosterschule. Positiv oder negativ? Was hast du
mitgenommen und was hast du in schlechter Erinnerung?
N.M.: Mitgenommen habe ich das Interesse an der Mystik des
Katholizismus. In „Im Namen der Venus“ sagt Pater Johannes,
eine meiner Lieblingsfiguren: „Wenn es Sie nach Mystik
verlangt, kann ich Ihnen den Katholizismus ans Herz legen. Sie
müssen nicht zu den Schamanen ausweichen. Es ist immer
besser im Teich der eigenen Kultur zu fischen.“ Zu den
positiven und negativen Erinnerungen … Wir hatten ein paar
tolle Lehrer, die mich geprägt und mir Mut gemacht hatten.
Allerdings war ich extern und nicht im Internat.
S.I.: Natalie, du schreibst in deinem Lebenslauf zu deiner
Studienzeit „Besetzung der Hainburger Au … das volle
Programm der 1980er Jahre.“ Erkläre uns das.
N.M.: Ich habe 1983 maturiert. Ein guter Jahrgang, wir hatten
es leicht. Die Generationen vor uns haben freien Studienzugang
erstritten. Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung. Alles war
schon in Gang gesetzt und wir konnten noch mitspielen - aber
ohne echten Kampf. Kreuz und quer studieren was Spaß macht
und im Moment grad interessiert, feiern und bisserl
demonstrieren. Langzeitstudent war noch kein Schimpfwort.
Wir hatten damals die absolute Wahlfreiheit.
S.I.: Du bist damals von der Biologie zur Archäologie
gewechselt, als du als Biologin im Ausgrabungsteam in der
Wachau warst. Du hast die berühmte „Venus vom Galgenberg“
gefunden. Warum dann gleich ein Studienwechsel?
N.M.: Mit dem Fund habe ich „Blut geleckt“. Ab dem Fund war
ich nur noch auf Ausgrabung – das war das, was ich damals
wollte. Also Studienwechsel – wobei ich die Biologie ins
Nebenfach übernommen habe.
S.I.: Dein erster Krimi, „Im Namen der Venus“ handelt von
dieser Statue. Hast du die damaligen Ereignisse in deinem
Roman verwoben? Wieviel Wahrheit steckt drin?
N.M.: Christine Neugebauer-Maresch, Prähistorikerin an der
Österr. Akademie der Wissenschaften, hatte damals die
Grabungsleitung. Ich bin sehr stolz, das sie mir ein Nachwort zu
„Im Namen der Venus“ geschrieben hat. Sie hat den Titel „Wie
es wirklich war“ gewählt und erzählt die Fundgeschichte und die
Zeit danach aus ihrer sehr persönlichen Sicht. Als ich das
gelesen habe, nachdem der Roman längst fertig war, ist mir
aufgefallen, dass mehr Wahrheit drinnen steckt, als mir
bewusst war. Allerdings wäre es besser gewesen, ihren Beitrag
als Vorwort zu verwenden.
S.I.: Soweit ich weiß, hast du die Figur damals gefunden. In
deinem zweiten Krimi sagt deine Protagonistin Anna
(Archälogin), so ein Fund passiere einem nur einmal im Leben.
Wie kam es dazu, dass die Biologin die Venus ausbuddelte und
welches Gefühl geht dabei einher? Weiß man, was man in den
Händen Hält? Was läuft im Kopf ab?
N.M.: Ich war jung und brauchte das Geld. Kein Witz. Ich habe
auf der Ausgrabung angeheuert, um Geld verdienen und dabei
die Venus gefunden:
Das Gefühl war seltsam. Wie eine kleine Explosion im Kopf. Der
totale Kick. Du weißt im Bruchteil von Sekunden, was du in
Händen hältst. Zum damaligen Zeitpunkt kannte man aus der
Altsteinzeit nur Werkzeuge. Damit war auf den ersten Blick klar:
Das ist kein Werkzeug – aber ein Artefakt – also das älteste
Kunstwerk der Welt. Und dann hat man Schnappatmung.
S.I.: Deine Protagonistin Anna ist in „Der Teufel im Glas“
genervt von den Kolleginnen, die herumzicken, weil Anna einen
Auftrag erhält. Ist es in der Realität genauso? Geht es mehr um
Ruhm oder um den Job an sich, um zu überleben? Wie groß ist
der Konkurrenzkampf unter Archäologen?
N.M.: Oh ja. Das gibt´s – und noch viel schlimmer. Aber ich
denke diese Zickerei und den Konkurrenzkampf gibt´s in jeder
Branche. In den sogenannten Orchideenfächern ist es halt
persönlicher, weil jeder jeden kennt. Und worum´s geht, hängt
von der Persönlichkeit des Archäologen ab. Den meisten geht´s
um die wissenschaftliche Fragestellung (um Geld geht´s ja in
der Branche nie) – aber es gibt auch den „fundgeilen“ Typ, der
unsterblich werden will.
S.I.: Es gibt nicht so viele Stellen für Archäologen in Museen.
Man wartet auf Projekte. Kann man sich heutzutage von diesem
Beruf ohne Festeinstellung ernähren?
N.M.: Auch die Festanstellungen sind heute oft befristet. Viele
der Jobs sind Teilzeit – aber es wird vorausgesetzt, dass
Vollzeit gearbeitet wird, sonst ist man beim nächsten Projekt
vielleicht nicht dabei. Das nennt sich wissenschaftliches
Prekariat. Es hilft, wenn man reiche Eltern oder gutverdienende
Partner hat. Es ist ein bisserl wie mit der Schriftstellerei.
S.I.: Wie lange hält man es im Feld aus? Der Beruf ist körperlich
anstrengend, die Unterkünfte sind sich auch nicht im 5* Bereich.
Macht der Köper irgendwann nicht mehr mit?
N.M.: Knie und Schulter bedient und die Finger wären ab
November lieber im warmen Süden. Ich habe mit Mitte 30
aufgehört im Feld zu arbeiten. Es war Winter, wir haben in
einem Kloster gegraben und das Zeichenbrett ist auf meinen
Oberschenkeln angefroren. Es hatte Minus 18! Grad. Da war´s
dann genug.
S.I.: Bist du ein Fan von „Indianer Jones“?
N.M.: Oja. Der Traum jedes Archäologen. Wunderbar! Und für
mich als Autorin ein großes Vorbild. Man denke nur an seine
Angst vor Schlangen – der Held und seine Schwächen. Super.
Und der Hut. Ich liebe den Hut. Und die Peitsche, …
S.I.: In „Der Teufel im Glas“ geht es um Aberglauben,
Wiedergänger-Kult (Vampirismus). Gibt es dazu
wissenschaftliche Aussagen?
N.M.: Es gibt ein Literaturverzeichnis am Ende des Romans und
da habe ich einen Tagungsband der Humboldtuniversität
angeführt, der den Forschungsstand gut widerspiegelt. Aber es
werden immer neue Sonderbestattungen, wie ich sie im Roman
beschreibe, entdeckt. Mein Exmann und ich hatten auch die
Ehre: Wir haben ein bronzezeitliches Gräberfeld ausgegraben
– ca 4500 Jahre alt – und eines der Gräber war mehr als drei
Meter tiefer als die anderen. Das für sich war schon
ungewöhnlich genug, doch außerdem war der Grabschacht mit
riesigen Steinbrocken verfüllt. Wir mussten einen Bagger holen,
um die Steine zu bergen. Steine, die kilometerweit an den Ort
der Bestattung transportiert worden waren. Die
Hinterbliebenen haben riesigen Aufwand betrieben, um dem
Verstorbenen in seinem Grab zu halten.
Und auch heute gibt es in vielen Kulturen noch den Glauben an
Wiedergänger und Vampire. Auch in Europa.
S.I.: In wieweit gibt es in der katholischen Kirche diesen
Aberglauben? Treiben sie heute noch offiziell Exorzismus? In
deinem Buch tauchen Geistliche auf, die dazu offiziell
ausgebildet wurden.
N.M.: Die katholische Kirche glaubt nicht an Wiedergänger,
aber an Dämonen und natürlich auch an den Teufel. Und
selbstverständlich gibt es auch noch Exorzisten. An der
Universita Europea in Rom werden – mit Unterstützung des
Vatikan – auch Laien entsprechend ausgebildet. Diese Seminare
richten sich in erster Linie an Ärzte und Psychotherapeuten.
S.I.: Knistert es weiter mit Anna und Bauer oder kann das
nichts werden?
IN.M.: ch denke schon, dass die zwei gute Chancen hätten. Sie
sind ja beide superschlaue Besserwisser.
S.I.: Deine Frauenfiguren sind sehr verschieden. Wir haben
den Drachen, die Gluckenmutter, das dämliche Weibchen, die
herrische Ehefrau, die entspannte Frau, die sich von keinem
Kerl ins Leben reden lässt. Überhaupt, du beobachtest sehr fein
Menschen. Entsteht das beim Schreiben oder legst du dich
vorher fest?
N.M.: Vielen Dank. - Beides. Die Grundcharaktere der
Hauptfiguren lege ich vorher sehr genau fest – aber die
Feinheiten entstehen während des Schreibens.
S.I.: Welche Art von Frau ist Natalie?
N.M.: Puuhh. Schwierig. Schwierige Frau. Sehr eigenständig,
stur und zielorientiert. Im fortgeschrittenen Alter Tendenzen
zur Eigenbrötlerei.
S.I.: Du stammst aus Wien, lebst nun im Salzkammergut. Beides
verbindest du wunderbar in deinem letzten Krimi. Man fühlt sich
als Leser hineinversetzt. Stadtflucht oder was hat dich auf das
Land getrieben?
N.M.: Das mit dem Salzkammergut war eine meiner Spontan-
Aktionen. Ich hatte einfach Lust am See zu wohnen. Mit ein
bisserl Berg dazu.
S.I.: Das Klischee vom Wiener ist der mürrische Mensch, der mit
nichts zufrieden ist. Was ist dran? In deinem Krimi beschreibst
du die bessere Gesellschaft von Wien. Sind sie wirklich so
grausig?
N.M.: Ja. Sie sind wirklich so grausig. Und nicht nur die Wiener,
sondern generell diese Sorte Mensch, die sich immer mit
anderen vergleichen muss. Immer zeigen, dass man besser ist,
und dabei übersehen sein eigenes Leben zu leben. Den Schein
wahren. Der Spießer ist eine gefährliche Spezies.
S.I.: Du wohnst seit geraumer Zeit in Oberösterreich. Bleibt es
dabei? Oder hast du manchmal Heimweh nach Wien?
N.M.: Kein Heimweh. Österreich ist zwar langgestreckt, aber
doch winzig. Ich bin in weniger als zwei Stunden mit dem Zug in
Wien – und das mindestens einmal die Woche. So kann ich´s
Land gut aushalten.
S.I.: Arbeitest du an einem neuen Manuskript zu deiner
Archäologin Anna Grass? Oder erwartet uns diesmal etwas
völlig Neues?
Es gibt zwar eine Idee für einen dritten Band, aber derzeit
arbeite ich an einem anderen Projekt. Diesmal Großes Kino. Eine
starke Frau, Balkanmafia und eine Connection Wien – Sarajevo.
Kein Krimi aber Spannung pur.
S.I.: Wo finden wir Termine zu deinen Lesungen?
N.M.: Auf meiner Website.
S.I.: Vielen Dank für deine Zeit für mich.
N.M.: Ich habe zu danken. Danke. - Für die Unterstützung und
das Lob und überhaupt. Es hat Spass gemacht. Die Fragen
haben mich teilweise echt gefordert - im positiven Sinn. Es ist
seltsam, über die eigenen Projekte zu sprechen – und
nachzudenken.
Liebe Grüße an meine Leser Natalie.
Zur Rezension Der Teufel im Glas von Natalie Mesensky
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