Autorin
Sabine Ibing
Interview mit
Ulf Schiewe
(von Sabine Ibing)
Ich freue mich sehr, dass mir Ulf Schiewe ein Interview gegeben
hat. Mit ihm haben wir einen Schriftsteller aus dem Bereich
Historisches, der gekonnt und spannend Geschichte wiedergibt.
Wer gern historische Romane mit Abenteuern vermengt liest,
kommt an ihm nicht vorbei.
http://www.ulfschiewe.de/
Eigentlich wolltest du Kunstmaler werden, doch dann wurdest
du Software- und Systementwickler. Dazwischen liegen Welten.
Wie kam es dazu?
Ulf: Ich habe als Jugendlicher viel gemalt und mir irgendwann in
den Kopf gesetzt, Kunstmaler zu werden. Das hat mir mein
Vater aber erfolgreich ausgeredet. Erst habe ich wochenlang
mit ihm gehadert, aber mich dann für die neue Welt der
Computer interessiert. Studieren konnte man das damals noch
nicht. Man musste eine Firma finden, die bereit war, einen zum
Programmierer auszubilden. Das gelang, und damit war mein
Berufsweg vorgezeichnet. Später bin ich ins Software-Marketing
umgestiegen. Das Malen landete in der Hobby-Ecke.
In Münster geboren, lebtest am Genfer See, in Paris, Brasilien,
Brüssel und Stockholm. Du hast schon viel erlebt. Du lebst in
München. Hast du dich für diese Stadt entschieden oder bist du
dort durch Zufall gelandet?
Ulf: Nach München bin ich beruflich gekommen. Das traf sich
gut, denn meine Tochter studierte hier. Unser Sohn hat hier sein
Abitur gemacht und ebenfalls in München studiert. Unsere
zweite Tochter ist dann auch für eine Weile hergezogen. So
passte das gut zusammen. Leider sind die Kinder jetzt wieder
woanders gelandet. Aber so ist das heutzutage. Meine Frau und
ich fühlen uns aber sauwohl in Bayern.
Du schreibst im historischen Genre. Die Montalban Familien-Saga
handelt zum einen über die Zeit der Kreuzzüge in der Region
des heutigen Libanon und auf der anderen Seite in
Südfrankreich. Die Normannen-Saga berichtet von den
Nachfahren der Wikinger, die sich im Norden Frankreichs
niedergelassen hatten und England eroberten, sich bis nach
Süditalien und Sizilien ausbreiteten, dort eines der
bedeutendsten Fürstentümer Europas errichten. Viele
Raufereien, eine Prise Romanze und eingearbeitet jede Menge
geschichtliches Hintergrundwissen, so würde ich deine Bücher
beschreiben. Was fasziniert dich an diesen Epochen?
Ulf: Nicht jeder mag mir zustimmen, aber für mich persönlich
sollte ein historischer Roman „historisch“ sein und nicht eine
moderne Geschichte vor historischer Tapete erzählen, auch
wenn sie noch so schön gezeichnet ist. Ich interessiere mich für
Geschichte und finde dort Stoffe und Ereignisse, die man sich
als Autor besser gar nicht ausdenken könnte. Mich interessiert
dabei auch die Epoche, wie haben die Menschen gelebt und
gedacht, die Politik der Zeit. Das möchte ich dem Leser nahe
bringen, natürlich auf spannende und unterhaltende Weise.
Bei der Montalban-Reihe hat mich die Kreuzzugsepoche
fasziniert. Das waren monumentale Ereignisse. Was hat die
Leute dazu gebracht, ihren Besitz zu verpfänden und sich
Waffen zu kaufen, nach Osten zu ziehen, sich unglaublichen
Strapazen zu unterziehen mit wahnsinnigen Grausamkeiten und
Verlusten auf beiden Seiten? Alles im Namen eines Gottes der
Liebe. Das habe ich zu ergründen versucht. „Die Hure Babylon“
erzählt ja sehr genau den Zweiten Kreuzzug. Es hat mich aber
auch interessiert, wie die Menschen in der Heimat gelebt haben,
Bauern und Adelige, die sozialen und wirtschaftlichen
Beziehungen. Das wird unter anderem im „Bastard von Tolosa“
beschrieben. Und die höfische Kultur der Zeit fand ich ebenfalls
interessant, die Troubadourdichtung, die in „De Comtessa“ eine
Rolle spielt. Ich habe viele dieser Liebeslieder recherchiert,
teilweise aus englischen und französischen Quellen selbst
übersetzt.
Bei der Recherche zu dem „Bastard“ bin ich auf Robert Guiscard
und seine unglaubliche Biografie gestoßen, die Eroberung
Süditaliens und Siziliens. Ich wusste, daraus würde ich eine Serie
machen. Band IV wird nächstes Jahr erscheinen. Vielleicht
kommen noch mehr. Ich hätte Stoff für mindestens zwei weitere
Bände.
Man sieht, ich suche mir eine interessante Epoche aus,
recherchiere sehr detailliert, verbinde historische mit fiktiven
Figuren und Handlungen und bastele aus dem Ganzen eine
dramatische Geschichte zusammen, die sowohl den historischen
Ereignissen und der Epoche genüge tut und gleichzeitig für
spannende Unterhaltung sorgt. Man sagt oft, die Figuren
werden so lebendig, dass man keinen Unterschied zwischen
historischen und fiktiven Figuren spürt. Erst die Figurenliste am
Ende klärt einen auf. Genau diese gefühlte Authentizität ist mir
wichtig.
Sind deine Fans eher männlich? Ich lese deine Bücher gerne und
kenne noch ein paar Jungs, die den Stoff mögen. Die Mädels
schwelgen lieber in Romanzen des Mittelalters ohne
geschichtlichen Hintergrund. Irre ich mich völlig?
Ulf: Schwierige Frage. Wenn ich meine Leserpost betrachte,
dann schreiben mir mehr Männer als Frauen. In den Leseforen
ist die Beteiligung aber zu 90% weiblich. Viele Frauen lesen mit
Vorliebe Liebesromane. Und wenn sie im historischen Gewand
daherkommen, fügt das vielleicht noch ein exotisches
Vergnügen hinzu. Wer aber nach einer reinen Liebesgeschichte
als Hauptthema sucht, ist bei mir schlecht aufgehoben. Mich
interessieren eben auch die dramatischen, geschichtlichen
Ereignisse. Ich schreibe aber nicht nur über Hauen und
Stechen. Und Liebesgeschichten kommen immer vor, spielen
aber eher die Begleitmusik. Es wäre aber auch sicher falsch zu
behaupten, Frauen würden nur Liebesromane verschlingen. Es
gibt eine Menge weiblicher Leser, die meine Bücher mit
Begeisterung lesen. Und darüber freue ich mich. Gerade weil in
meinen Romanen Frauen immer eine tragende Rolle spielen.
Deine Bücher erinnern mich an Alexandre Dumas, allerdings mit
ein wenig mehr Geschichtshintergrund. Ich höre sie sehr gern
als Hörbuch und würde es fantastisch finden, wenn sie verfilmt
würden. Was hältst du davon? Gibt es diesbezüglich ein
Angebot?
Ulf: Da habe ich das Glück, dass ich mit Reinhard Kuhnert einen
fantastischen Sprecher habe. Dass meine Bücher guten
Filmstoff abgeben würden, ist schon oft gesagt worden. Ich
selbst könnte mir das auch sehr gut vorstellen. Wäre ja wirklich
toll. Allerdings sind historische Stoffe wesentlich teurer zu
produzieren als ein Krimi, der in Frankfurt spielt. Außerdem bin
ich nicht so bekannt wie Iny Lorentz.
Liest man deine Bücher, so fallen einem die vielen Keilereien
auf. Steckt in dir ein Stück »kleiner Junge«, wenn du im
Schreibprozess bist? Ich finde das übrigens gut und bin froh,
dass ganz schwülstige Liebesszenen draußen bleiben.
Ulf: Natürlich steckt da der kleine Junge drin. Ich hab ja schon
als Kind Abenteuerbücher verschlungen. Nachts mit der
Taschenlampe unter der Bettdecke, um nicht erwischt zu
werden. Wobei mir das Abenteuer wichtig ist, nicht unbedingt
die Kriegsbeschreibungen. „Gold des Südens“ zum Beispiel
kommt fast ohne „Keilerei“ aus. Und ist doch auch ein
Abenteuer.
Deine Frauenfiguren sind immer besonders schön und
besonders gescheit, schlank, die Mägde vollbusig, drall, willig.
Die Bösen sind immer feige, hinterhältig und klein. Ist das nicht
ein wenig viel des Guten? Ein Held ist groß, stark, schön, der
Böse das Gegenteil. Ist die Welt so einfach zu teilen und sind die
Bösen so einfach zu erkennen? Ist die Welt nicht eher grau als
schwarz oder weiß? Warum setzt du diese Klischees ein?
Ulf: Ich glaube, da tust du mir ziemlich Unrecht. Meine Helden
sind oft Anti-Helden. Jaufré im „Bastard“ ist ein „broken hero“
mit Ecken und Kanten. Gilbert bei den Normannen beginnt als
etwas naiver Jüngling, der langsam erwachsen wird und sich
überhaupt nicht darum reißt, den Helden zu spielen. Er gerät
einfach in schwierige Situationen, aus denen er sich
rauswurstelt. Gaitelgrima, die eine große Rolle spielt, ist nicht
besonders schön und auch ein ziemlich schwieriger Charakter.
Die einzige dralle Magd ist Maria in Melfi. Und auch die
Antagonisten sind nicht alle einfach schwarz. Graf Alfonso in
der „Comtessa“ ist ein eher sympathischer Gegenspieler. Ich
glaube, da dichtest du mir Klischees an, die nicht wirklich
passen. Allerdings gebe ich zu, dass meine wichtigen weiblichen
Figuren meist starke Frauen sind und keine Heimchen am Herd.
Die lassen sich von den Männern nicht unterkriegen.
Dein letztes Buch spielt in der Südsee, in einer ganz anderen
Zeitepoche. Hast du genug von der Ritterzeit?
Ulf: Nein, überhaupt nicht. Aber es gibt eben auch andere
interessante Epochen. Ich würde auch gern etwas schreiben,
das in der Antike spielt, aber das scheint heutzutage nicht
gefragt zu sein. Ich werde demnächst auch etwas über den
Dreißigjährigen Krieg schreiben und die napoleonische Epoche.
Wann erscheint dein neues Buch und was kannst du uns
darüber verraten? Gibt es Lesetouren in der nächsten Zeit? Wo
finden wir die Termine?
Ulf: Lesetouren sind bei mir eigentlich nicht drin. Ich mache
gern ab und zu eine Lesung, wenn es sich ergibt, aber ich
bemühe mich nicht darum. Es ist doch sehr zeitaufwendig. Und
viele Buchhandlungen haben heutzutage einfach nicht das
Geld, Autoren einzuladen.
Im Juni kommt das Taschenbuch zu „Gold des Südens“, das ja
dieses Jahr zuerst als eBook erschienen ist. Es wird allerdings
ein neues Cover haben und „Bucht der Schmuggler“ heißen.
Im Herbst erscheint dann der vierte Roman der Normannen-
Saga. Dabei geht es um die Macht im Normannenreich. Es
herrscht Unfriede unter den Baronen, auch die Brüder
Hauteville streiten sich. Guiscards Chancen stehen ziemlich
schlecht, nachdem er sich mit seinem Bruder Onfroi zerstritten
hat. Und Gaitelgrima spielt eine große Rolle in diesem
Machtkampf, sozusagen als Zünglein an der Waage. Natürlich
mischt Gilbert wieder kräftig mit.
Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast, meine Fragen
zu beantworten.
Ulf: ch bedanke mich ebenfalls.
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