© Sabine Ibing, Lorib GmbH         Literaturblog Sabine Ibing
Autorin Sabine Ibing
Interview mit Marc Elsberg (von Sabine Ibing) Marc Elsberg wurde 1967 in Wien geboren.  Nach begonnenen Studiengängen Wirtschaft und Industriedesign arbeitete er in einer Wiener Werbeagentur als Grafiker, später als Texter und Konzeptionist, schrieb Kolumnen für die österreichische Tageszeitung „Der Standard“. In Hamburg arbeitete Elsberg in Werbeagenturen als Creative Director, kehrte 2003 nach Wien zurück. Bekannt wurde Marc Elsberg mit seinen beiden Thrillern „Blackout“ und „Zero“. Sein neuer Thriller „Helix“ erscheint im Herbst 2016. S.I.:   Vom Werbetext zum Thriller, das ist ein völlig anderer Umgang mit Sprache. Was hat dich gereizt? Erkläre uns den Unterschied. M.E.:   Ich finde den Unterschied nicht so groß. Gute Werbung – Betonung auf gute  – arbeitet intensiv mit Sprache, Figuren und Geschichtenerzählen, sie will unterhalten, spannend sein. Dasselbe macht man bei Thrillern. Nur hat man viel mehr Platz und Zeit dafür als bei einer Headline oder einem 30-sekündigen Werbespot. Die Herausforderung liegt eher darin, den Spannungsbogen über mehrere hundert Seiten aufrecht zu erhalten. S.I:.   Von Wien nach Hamburg und zurück. War es Heimweh oder der ständige Wind im Norden? M.E.:   Weder noch. An einem bestimmten Punkt in unserem Leben war es die richtige Entscheidung. Ich finde Hamburg toll und nach acht Jahren dort haben wir noch immer viele Freunde. S.I.:   Du schreibst über technische Themen, solche, die uns alle angehen. Dabei habe ich dich nicht als Technikfeind wahrgenommen, sondern als einen Menschen, der darüber nachdenkt, ob moderne Vernetzung in allen Punkten Vorteile bringt. Du zeigst auf, wofür wir uns fürchten sollten, als eine Art Warnung. Gehen wir alle zu sorglos mit der heutigen Vernetzung um? Ich meine nicht nur dich und mich, auch Firmen? M.E.:   Ich schreibe über Aspekte unserer modernen Welt, die manchmal nicht ausreichend wahrgenommen werden. Das können Risiken, aber auch Chancen sein. In Zero etwa zeigen uns einige Charaktere auch, wie man digitale Technologien positiv nutzen kann und auch die Hauptfigur Cynthia lernt, sie mit der Zeit zu ihrem Vorteil einzusetzen. S.I.:   „Blackout“ war für mich eins der wenigen Bücher, die mich emotional beeindruckt haben. Ich habe glatt mehr Wasservorrat in den Keller gestellt, überlegt, den Vorrat an Holzkohle und Lebensmitteldosen aufzustocken. Und ich bin wachsam, im Fall der Fälle, schnell einzukaufen. Welches Gefühl hat man als Autor, diese Emotion im Leser geweckt zu haben? M.E.:   Ich denke, letztlich möchte jede Autorin und jeder Autor seine LeserInnen auf die eine oder andere Weise berühren. Wenn das gelingt, freut man sich natürlich. S.I.:   In „Blackout“ fällt der Strom durch einen terroristischen Angriff in ganz Europa aus, weiterverteilt durch einen Virus von Stromzähler zu Stromzähler. Mir war vorher nicht bewusst, dass unsere Stromzähler miteinander vernetzt sind. Wird der nächste Krieg ein Cyberkrieg? M.E.:   Das wird davon abhängen, wer ihn führt. In manchen Weltgegenden ist die Vernetzung und Elektronisierung noch nicht so weit. In der entwickelten Welt werden in Zukunft bei großen, schnell ausbrechenden Konflikten womöglich die ersten Angriffswellen digital erfolgen. Und zuerst werden wir gar nicht wissen, ob es Krieg, ein Anschlag oder nur ein Unfall, technisches Gebrechen oder menschliches Versagen ist. S.I.:   Wir alle sind völlig vom Strom abhängig. Toilettenspülung, Wasserhahn, die Pumpen an der Tankstelle, Kühlung von Lebensmitteln und eben die gesamte Kommunikation. Das sollte uns bewusst sein. Besitzt du ein Radio mit Antenne, einen Weltempfänger, Lampe und Kocher mit Gaskartusche, einen Kamin, Grill, Vorräte? Bist du selbst auf den Ernstfall vorbereitet? M.E.:   Nicht zu vergessen sämtliche Transport- und Versorgungsketten, ob für Industrieprodukte, Lebensmittel, Medikamente oder Bargeld. Ich persönlich habe seit den Recherchen zu „Blackout“ die behördlich empfohlenen Reserven für zwei Wochen daheim. Dazu gehören dann auch das batteriegetriebene Radio, Streichhölzer etc. S.I:.   Stellen wir uns vor, der Strom fällt aus. Wie können wir uns informieren? Handy, TV, Telefon, nichts geht mehr. Auch der Funk zwischen Polizei, Heer, Rettungsdiensten wird nicht lange funktionieren? Ist der heutige Mensch letztendlich völlig hilflos? M.E.:   Das kann man alles in „Blackout“ nachlesen. Der Blaulichtfunk sollte aber noch eine Zeit lang funktionieren, ebenso wie einige besonders vorbereitete Behörden- und Firmennetze. Da beginnt sich inzwischen auch einiges zu ändern. Privat ist man bis auf Weiteres auf das batteriegetriebene Radio und Weitersagen angewiesen. S.I.:   Eine Szene in „Blackout“ hat mich berührt: Krankenhaus – ohne Strom – Menschen müssen sterben. Strom ist eins unserer höchsten Güter. Sind unsere Versorgungswerke gut genug geschützt? M.E.:   Sehr bedingt. S.I.:   In „Zero“ geht es um die private Vernetzung. Jugendliche geben freiwillig ihre Daten frei, verkaufen sie sogar und sie werden von Apps angeleitet, wie sie ihr Leben besser gestalten können. Mit den „ActApps“ weiß man, was cool ist, man kennt seine Daten und die App erinnert daran, Hausaufgaben zu machen, ins Bett zugehen. Du redest von „Datenkraken“. Sind wir nicht schon mittendrin? M.E.:   Sind wir. S.I.:   Früher sagte man: „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen.“ Gilt das heute nicht schon für Facebook und Google? M.E.:   Der Bauknechtspruch, so wie die ganze klassische Marktforschung und Werbung, in der ich ja 25 Jahre lang gearbeitet habe, waren vergleichsweise Kindergeburtstag. Wir hatten nur sehr grobe Bilder unserer Zielgruppen, geschweige den einzelner KonsumentInnen. Facebook, Google & Co. wissen es wirklich. Über jede/n von uns. Genauer als wir selbst. S.I.:   Man kann sich dem verweigern: keine sozialen Netzwerke, Kreditkarten, Kundenkarten, kein Navi, kein Handy, kein Internet usw. Trotzdem, Big brother is watching you: Kameras auf der Straße, Steuer, Krankenkassenkarte, dein Foto und Fingerabdruck bei der Passstelle. Die Drohne mit der Gesichtserkennung findet dich. Macht dir das Angst? M.E.:   Will man am modernen Leben teilnehmen, kann man sich nicht ernsthaft verweigern. Ich finde die Entwicklung tatsächlich sehr beunruhigend, aber je mehr Menschen sich der Mechanismen bewusst werden, desto eher wird etwas dagegen getan. So beginnen jetzt erste Netzwerke, Nachrichten zu verschlüsseln. Ist in Wahrheit zwar nur ein Minischritt, aber immerhin ein Anfang. S.I.:   Die „ActApps“ aus „Zero“ sammeln unter anderem Fitnessdaten. Es gibt heute Krankenkassen, die bieten eine niedrige Gebühr, wenn man denen täglich seine Fitnessdaten zusendet. Es gibt ja schon Wlan-Toiletten aus Japan, die können aus dem Urin Daten sammeln. Wollen wir das wirklich zulassen? M.E.:   Wollen wir? Das ist die Frage. S.I.:   INDECT ist ein Kameraüberwachungssystem im öffentlichen Raum, das auffälliges Verhalten von Menschen überwacht (jemand stellt eine Tasche im Bahnhof ab oder sitzt zu lange dort auf einer Bank), und es dient Kriminalitätsprävention. Drohnen mit Gesichtserkennung und das Kamerasystem der Stadt können erkennen, welchen Weg der Flüchtende nimmt. Sollte uns das Angst machen oder bringt es für uns mehr Sicherheit? M.E.:   Hier werden zwei Werte fälschlicherweise gegeneinander positioniert, Freiheit und Sicherheit. Doch solche Art der Überwachung bringt bislang nachweislich nicht mehr Sicherheit. Sie kann allerdings bei der Aufklärung im Nachhinein helfen. Kann, muss nicht. Hier stellt sich die Frage, welches Gut wir höher schätzen: Freiheit oder Verbrechensaufklärung. Und ob es vertretbare Mittelwege, Kompromisse oder Alternativen gibt. S.I.:   Was gehört zu Marc Elsberg: Handy, Navi, Kundenkarten, Fitness-Apps, soziale Netzwerke, Onlinekauf, Inkognito-googeln? M.E.:   Ich möchte am modernen Leben teilnehmen, und die Instrumente bieten ja auch viele Vorteile. Daher: Handy, Navi, Kundenkarten beschränkt, keine Fitness-Apps, soziale Netzwerke für die Kommunikation mit Leserinnen und Leser, aber kaum privat, Onlinekauf ab und zu, teilweise Nutzung von Anonymisierungsinstrumenten wie TOR oder Suche per startpage. S.I.:   Und was gibt es Neues von Marc Elsberg? Magst du uns schon etwas über dein neues Buch verraten? Oder ist immer noch alles streng geheim? Wann wird es erscheinen? Und wo finden wir die Termine zu deinen Lesungen? M.E.:   Mein neuer Thriller „Helix“ erscheint am 31. Oktober. Erste Hinweise gibt inzwischen auf der Verlagswebseite blanvalet.de. Informationen zu meinen Lesungen findet man auf meiner Webseite http://www.marcelsberg.com/ auf meiner Facebookseite facebook.com/MarcElsberg S.I.:   Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen. Trotz Nachfrage, keine Chance, etwas aus Marc Elsberg herauszulocken. Wir müssen uns vorerst mit den Verlagsinformationen begnügen. Es hört sich wieder spannend an ... »Haben Sie die Gene zum Überleben? Der US-Außenminister stirbt bei einem Staatsbesuch in München. Während der Obduktion wird auf seinem Herzen ein seltsames Zeichen gefunden – von Bakterien verursacht? In Brasilien, Tansania und Indien entdecken Mitarbeiter eines internationalen Chemiekonzerns Nutzpflanzen und –tiere, die es eigentlich nicht geben kann. Zur gleichen Zeit wenden sich Helen und Greg, ein Paar Ende dreißig, die auf natürlichem Weg keine Kinder zeugen können, an eine Kinderwunschklinik in Kalifornien. Der Arzt macht ihnen Hoffnung, erklärt sogar, er könne die genetischen Anlagen ihres Kindes deutlich verbessern. Er erzählt ihnen von einem – noch inoffiziellen – privaten Forschungsprogramm, das bereits an die hundert solcher »sonderbegabter« Kinder hervorgebracht hat, und natürlich wollen Helen und Greg ihrem Kind die besten Voraussetzungen mitgeben, oder? Doch dann verschwindet eines dieser Kinder – und alles deutet auf einen Zusammenhang mit den sonderbaren Ereignissen nicht nur in München, sondern überall auf der Welt …« Rezension zu “Zero” Rezension zu “Blackout” Zu den anderen Interviews
Foto: © Clemens Lechner
Foto: © Clemens Lechner