Autorin
Sabine Ibing
Die Geschichte eines neuen Namens
von Elena Ferrante
Die sizilianische Saga geht in den zweiten Teil. 1960 wird aus der
Schustertochter Raffaela Cerullo Signora Caracci, worauf sich wohl der
Titel bezieht. Lila, verheiratet, aufgestiegen zur eleganten Dame, Lenù,
die Ich-Erzählerin, besucht anfänglich ein humanistisches Gymnasium,
nach der Lauda bewirbt sie sich auf ein Stipendium und wird für ein
Studium in Pisa aufgenommen.
Lila liebt ihren Mann nicht, verweigert ihm den Beischalf, provoziert bis
ins Unermessliche. Manchmal fragt man sich, ob sie die Schläge
provoziert, um wieder fühlen zu können. Eigentlich ist ihr alles egal, ihr
Mann, seine Firma, das Geld. Sie lockt ihm die Scheine aus der Tasche,
greift in die Kasse, verteilt es an die, die es nötig haben, für
Arztrechnungen, Lenù bekommt Geld für ihre Schulbücher. Soziale
Strukturen Süditaliens, die Abhängigkeit und Verfechtung der kleinen
Geschäftsleute mit der Camorra, die Stellung der Frauen, Frauen und
ihre Töchter, eine patriarchalische Gesellschaft, der Roman ist wie der
erste Teil ein Abbild der damaligen Gesellschaft des Mezzogiorno.
Nach einer Fehlgeburt wird Lila nicht wieder schwanger. Stefanos schickt
sie auf Empfehlung auf Sommerurlaub nach Ischia, ihre Mutter Nunzia
und die Schwägerin Pinuccia im Schlepptau. Lenù hat eine Anstellung in
der Buchhandlung über den Sommer, wird von Lila überredet
mitzufahren, wird von ihr bezahlt. Lila fährt nur deshalb mit, weil sie
hofft, Nino Sarratore wiederzutreffen. Sie begegnen sich, aber die
Sache läuft anders, als von Lenù erhofft.
Die Dramaturgie des Romans ist wie im ersten Teil gekonnt, die
Figurenzeichnung raffiniert und tiefgehend. Lenù und Lila reiben sich
aneinander, finden wieder zusammen und entfernen sich, ein ewiges
auf und ab.
Die Lehrerin, Maestra Oliviero, spielt eine große Rolle für die beiden
Mädchen, insbesondere für Lila. Sie hatte die Intelligenz der beiden
Mädchen erkannt, sie gefördert, war traurig, als Lilas Eltern es nicht
zuließen, sie weiter zur Schule zu schicken und sie ist stolz auf Lenù.
Später wird Lenùs Mutter ihr vorwerfen, die Maestra wäre für sie
bedeutender gewesen als ihre Mutter selbst, Lenù hätte nur für ihre
Anerkennung gelernt. Lila versucht, der Maestra klarzumachen, dass ihr
Leben in Ordnung ist und sie weiß ganz genau, dass sie sich selbst in die
Tasche lügt.
»›Es heißt Ulysses.‹ ›'Geht es um Odysseus?‹ ›Nein, es geht darum, wie
seicht das heutige Leben ist.‹ ›Und weiter?‹ ›Nichts weiter. Es geht darum,
dass wir den Kopf voller Blödsinn haben. Dass wir aus Fleisch, Blut und
Knochen sind. Dass ein Mensch so viel wert ist wie der andere. Dass wir
nur essen, trinken und ficken wollen.‹ Nach diesem letzten Ausdruck
wies die Maestra sie zurecht wie in der Schule, und Lila gebärdete sich
unverschämt und lachte, so dass die alte Frau noch verdrießlicher
wurde. Sie fragte, wie das Buch sei. Lila antwortete, es sei schwierig und
sie verstehe nicht alles. ›Warum liest du es dann?‹ ›Weil das einer
gelesen hat, den ich mal kannte. Aber dem hat es nicht gefallen.‹ ›Und
dir?‹ ›Mir gefällt es.‹ ›Obwohl es so schwierig ist?‹ ›Ja.‹ ›Lies keine Bücher,
die du nicht verstehst. Das bekommt dir nicht.‹ ›Es gibt vieles, was einem
nicht bekommt.‹ ›Bist du zufrieden mit deinem Leben?‹ ›Geht so.‹ ›Du
warst zu Großem bestimmt.‹ ›Das habe ich vollbracht: Ich habe
geheiratet und ein Kind gekriegt.‹ ›Das kann jeder.‹ ›Ich bin wie jeder.‹
›Da irrst du dich.‹ ›Nein, sie irren sich, Sie haben sich immer geirrt.‹«
Lenù erhält von Lila eine Blechschachtel voll Notizbücher, die sie
verstecken soll, denn sie hat Angst, ihr Mann könne sie finden. Aber sie
darf sie nicht lesen. Natürlich schaut Lenù hinein und es offenbart sich
ihr Lilas Seele, Lila hat gefunden, nachdem Lenù bis zu dem Zeitpunkt
suchte. Sie liest die wundervollen Worte hundert mal, verinnerlicht sie
und wirft die Hefte voller Wut von der Brüstung des Ponte Solferino in
den Arno. Aber auch aus dem Lesen zieht sie später ihren Nutzen für
ihren Verlauf. Wie im ersten Teil profitiert sie abermals von Lilas Können.
»Ich beschäftigte mich viel mit diesen Seiten, tagelang, wochenlang“,
gesteht Elena. „Ich studierte sie und lernte am Ende die Stellen
auswendig, die mir gefielen, die mich begeisterten, die mich faszinierten,
die mich beschämten.«
Eindringlich beschrieben ist der Unterschied von Norditalien und dem
Mezzogiorno. Lenù kommt mit dem Stipendium in Pisa an, ärmlich
zwischen all den Reichen und nicht nur in der Optik. Sie denkt, ihre
Sprache sei ohne Dialekt, doch der kommt durch. Ihr Italienisch ist eher
belustigend, sie spricht die Sprache, die in Bücher geschrieben steht, sie
spricht zu laut, ist zu auffällig, eben eine aus dem Mezzogiorno.
Während Lenù die gesellschaftlichen Treppen immer weiter nach oben
schreitet, stürzt Lila immer weiter ab. Sie stellt fest, dass alle Männer
gleich sind, brutal und herrisch, se den falschen Mann geheiratet hat. Sie
hätte damals den Camorrista Michele Solara nehmen sollen. Es sei egal,
welches von den Arschlöchern man auswählt, meint sie, dann wenigstens
den mit der meisten Macht, dem meisten Geld.
Teil 1: Meine beste Freundin
Teil 3: Die Geschichte der getrennten Wege - Band 3, Neapolitanische
Saga von Elena Ferrante
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